Brustkrebs-Früherkennungsprogramm: Anlauf-Schwierigkeiten

25.03.2014 | Politik

Die bisherige 50-prozentige Teilnahmerate bei der Mammographie ist österreichweit stark abgesunken. Deswegen fordert die ÖÄK rasche und unbürokratische Zugangsmöglichkeiten zur Mammographie mittels E-Card und dass auch künftig die Überweisung durch niedergelassene Fachärzte möglich sein muss.Von Agnes M Mühlgassner

Die, die wollen, dürfen nicht und die, die dürfen, wollen nicht“ – bringt Herbert Schwarz, Fachgruppenobmann Gynäkologie der Ärztekammer für Burgenland, die derzeitige Situation beim neuen Brustkrebsfrüherkennungsprogramm auf den Punkt. Denn die meisten Frauen kämen erst jetzt darauf, dass es hier eine Umstellung gegeben hat. Etwa jede zweite Frau, die zu ihm in die Ordination komme, könne nun nicht mehr – so wie sie es früher gewohnt war – eine Mammographie machen lassen.

Frequenzen stürzen ab

Ende Jänner 2014 wurden die Frequenzraten für Mammographie bei den Radiologen erhoben – und mit denen von Jänner 2013 verglichen: Für das Burgenland ergab sich ein Minus von 29 Prozent; negativer „Spitzenreiter“ ist Salzburg mit minus 57 Prozent (in absoluten Zahlen: 3.735 Teilnehmerinnen im Jänner 2013 vs. 1.656 im Jänner 2014). In Niederösterreich beträgt das Minus 26 Prozent, in Wien 21 Prozent, Tirol 17 Prozent, Kärnten 13 Prozent, Oberösterreich zwölf Prozent, in der Steiermark sieben Prozent und in Vorarlberg vier Prozent.

Mit der Etablierung des neuen Programms habe man einen „Kulturwandel“ vollzogen, erklärt Univ. Prof. Paul Sevelda, Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Hietzing in Wien und Präsident der Österreichischen Krebshilfe: von einer Zuweisungspraxis, die „gut etabliert war“, hin zu einer Einladung, die „von einem Politiker kommt“. Sevelda weiter: „Viele Frauen fragen sich: wie kommt ein Politiker dazu, mich zu einer medizinischen Untersuchung einzuladen, wenn das bisher nur Ärzte gemacht haben?“ Dies sei jedoch etwas, was man „sehr leicht ändern könnte“, so der Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Viel zu wenig Zeit – nach dem Beschluss im Dezember 2013 erfolgte der Start mit 2. Jänner 2014 – sei auch gewesen, um sowohl Ärzte als auch die Frauen darüber zu informieren.

Vom Ziel, dass man sich gesteckt habe – eine Teilnahmerate von 70 Prozent – sei man derzeit „weit entfernt“. Weswegen nach Ansicht des Experten „alles“ getan werden müsse, um das Programm zum Laufen zu bringen. Ganz besonders wichtig sei dabei eine breite Eingewöhnungsphase – für Ärzte und Frauen –, die über den Juni 2014, solange auch noch die bislang praktizierte Überweisungspraxis gültig ist, hinausgeht. Sevelda: „Solange diese Systemumstellung nicht funktioniert, wird man das sehr großzügig handhaben müssen und nicht gleich Sanktionen vorsehen können, nur weil jemand auch eine Frau zur Mammographie schickt, die nicht ausdrücklich in die jetzt definierte Zielgruppe fällt.“

Die Fakten

Die Zahlen sprechen im Moment noch eine andere Sprache. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls der Bundesfachgruppenobmann Radiologie in der ÖÄK, Univ. Doz. Franz Frühwald, nach einer ersten detaillierten Analyse. So waren von den 65.000 im Jänner 2014 eingeladenen Frauen tatsächlich nur fünf Prozent bei der Mammographie; 0,3 Prozent erstmals. Das eigentliche Ziel, das man damit verfolgt hat, nämlich all diejenigen Frauen anzusprechen, die noch nie bei einer Mammographie waren, hat man – jedenfalls bis jetzt – nicht erreicht. „90 Prozent der Frauen, die auf die Einladung reagieren, waren schon bisher regelmäßig bei der Mammographie“, erklärt Frühwald.

95 Prozent der Mammographien finden derzeit aufgrund von kurativen Zu-weisungen aus 2013 statt. Ab 1. Juli 2014 werden die kurativen Zuweisungen aufgrund der derzeitigen Bestimmungen „massiv einbrechen müssen“, fürchtet Frühwald und der Response auf die Einladungen werde sich „nicht viel steigern“. Die Folge: Statt der bisherigen 50-prozentigen Beteiligung wird die Beteiligung Ende 2014 nur noch bei 20 Prozent liegen. „Das wird sich sehr nachteilig auf die Brustkrebssterblichkeit auswirken“, ist Frühwald überzeugt.

Abgesehen von den medizinischen Folgen – konnten doch bisher in Österreich 85 von 100 Frauen brusterhaltend operiert werden – sieht Friedrich Karner, Radiologe in Neusiedl/See und Fachgruppenobmann Radiologie der Ärztekammer Burgenland, auch radiologische Standorte gefährdet, wenn es nicht zu einer Trendumkehr kommt. „Es ist ein Riesenproblem für uns, wenn wir mindestens 2.000 Mammographien im Jahr machen müssen, um als Standort anerkannt zu bleiben.“ Von den 189 Standorten österreichweit könnten bis zu 40 Prozent gefährdet sein, schätzt Karner; von den sechs im Burgenland befindlichen ein bis zwei.

Auch Gynäkologe Walter Arnberger – er ist Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer Salzburg – erlebt in der Ordination tagtäglich, dass die Frauen „nicht erfreut darüber sind, welche Hürden da jetzt bei der Mammographie aufgebaut wurden.“ Angesichts der dramatischen Entwicklung in Salzburg hat sich sogar der Salzburger Landtag am 19. Feber mit der Thematik befasst und eine Resolution beschlossen. Darin wird die Landesregierung u.a. beauftragt, in Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium sicherzustellen, dass weiterhin „der direkte Zugang über niedergelassene Fachärzte im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung bestehen bleibt“.

Verbesserungsbedarf und Verbesserungsmöglichkeiten gibt es in mehrfacher Hinsicht: So sollte die bislang praktizierte „Gutscheinlösung“ mit Ablaufdatum künftig ein „Beratungsscheck“ oder „Einladungsscheck“ werden – und unbegrenzt gültig sein. Um die „bürokratischen Hürden“ bei der Mammographie zu verringern, fordert Arnberger, dass „bei jeder Frau über 40, die zwei Jahre lang nicht bei der Mammographie war, automatisch die E-Card dafür freigeschalten wird“. Für die Untersuchung selbst sollte künftig nur die E-Card erforderlich sein; auch die Überweisung vom niedergelassenen Facharzt sollte wieder möglich sein.

Verkürzte Intervalle

Das schon bisher bestehende Einladungssystem sollte – als Erinnerung und Motivation – weiter bestehen bleiben. Auch regt Arnberger an, das Zwei-Jahresintervall zu verkürzen, die Indikationenliste entsprechend den Vorschlägen der Bundesfachgruppe Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu erweitern und laufend anzupassen. Weiters sollten die Einladungsjahrgänge altersgemischt gestreut werden – jeweils ein Drittel der Einladungen an ein jüngeres, mittleres und älteres Kollektiv. Auch sollten – „um die Anfangsflaute“ auszugleichen – in der ersten Jahreshälfte 2014 deutlich mehr Einladungsschreiben ausgeschickt werden.

Erste konkrete Änderungen, die Verbesserungen bringen sollen, habe man mit der Sozialversicherung bereits fixiert, betont Frühwald. So werden die Kuverts mit den Einladungen künftig auch das Logo des Programms aufweisen; für die Frauen, die im Jänner eingeladen wurden, wird es Erinnerungsschreiben geben, das Einladungsintervall wird von vier auf drei Wochen verkürzt; fordert man aktiv eine Einladung bei der Hotline an, soll diese sofort übermittelt werden – derzeit beträgt die Wartefrist darauf vier bis acht Wochen. Umfangreiche Informationsmaßnahmen – Plakate für die Ordinationen sowie Visitkarten mit Informationen über das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm – werden den Ärzten zur Verfügung gestellt.

„Ein Scheitern kommt überhaupt nicht in Frage, dafür ist das Thema Brustkrebsfrüherkennung viel zu wichtig“, bekräftigt Arnberger. Außer Zweifel steht für ihn aber auch, dass es Änderungen beim Brustkrebsfrüherkennungsprogramm geben muss. Denn „Probleme“ für die Ärzte gäbe es spätestens dann, wenn die erste Frau, die jedes Jahr zur Mammographie wollte und nicht durfte, innerhalb dieser zwei Jahre ein metastasierendes Mamma-Ca entwickelt und deswegen klagt …

Brustkrebs-Früherkennungsprogramm – die Neuerungen

  • Alle Frauen – rund 1,5 Millionen – zwischen dem 45. und 69. Lebensjahr erhalten alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung;
  • monatlich werden rund 63.000 Frauen – gestaffelt nach Jahrgängen, beginnend bei den 69-Jährigen – eingeladen;
  • alle Frauen zwischen dem 40. und 44. Lebensjahr sowie zwischen dem 70. und 74. Lebensjahr können bei einer Hotline (0800/500 181) beziehungsweise unter www.frueherkennen.at eine Einladung anfordern (Opt in) und werden dann ebenfalls in zweijährigen Abständen eingeladen;
  • eine Zuweisung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung ist seit 1. Jänner 2014 nicht mehr möglich;
  • eine kurative Mammographie – laut Indikationsliste beispielsweise bei einem Tastbefund oder einseitiger Mastodynie – kann auch weiterhin nach ärztlicher Überweisung jederzeit erfolgen.

Weitere Informationen gibt es unter www.frueh-erkennen.at sowie unter der Hotline 0800/500 181.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2014