Arbeitsmedizin: Keine falschen Mythen über das Alter

15.08.2014 | Arbeitsmedizin, Politik

Einen generellen Zusammenhang zwischen dem Alter und der beruflichen Leistung gibt es nicht – erklärte Prof. Michael Falkenstein in seiner Festrede anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP) in Klosterneuburg.

Sie seien unflexibel, lernunfähig und bauen geistig ab: Mythen über ältere Arbeitnehmer gibt es viele – nur stimmen sie nicht, stellte Prof. Michael Falkenstein, vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität (TU) Dortmund klar. Der Leiter der dort ansässigen Projektgruppe „Altern, Kognition und Arbeit“ räumte in seinem Festvortrag vor Kurzem anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention mit den Stereotypen über das Alter auf. So stimme es beispielsweise nicht, dass Ältere generell geistig abbauen, unflexibel und lernunfähig seien. Auch die positiven Stereotype, die man mit älteren Menschen oft verbindet, könne man nicht verallgemeinern. „Nicht alle sind sozial kompetent und bei weitem nicht alle werden im Alter weise“, so Falkenstein.

Nach einer differenzierten, modernen Sichtweise gehe man davon aus, dass der Alterungsprozess individuell ganz unterschiedlich verläuft. Und nicht nur jeder Mensch entwickelt sich unterschiedlich; auch verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen altern ganz unterschiedlich. Dabei sind nicht nur Faktoren wie genetische Ausstattung und Lebensstil dafür verantwortlich, wie jemand altert; auch externe Einflüsse wie Stress und allen voran die Art der Tätigkeit wirken sich auf das Altern aus. Falkenstein dazu: „Das ist nicht verwunderlich, weil gerade der Faktor ‚Arbeit’ besonders lange auf den Menschen einwirkt.“ Besondere Bedeutung kommt dabei dem Stress zu: Ist er chronisch, schädigt er das Gedächtnis.

Alter und Leistung: kein Zusammenhang

Generell kann aber kein Zusammenhang zwischen dem Alter und der beruflichen Leistung festgestellt werden. Der überwiegende Teil der Arbeit verläuft – wenn sie einmal eingeübt ist – ohnehin weitgehend automatisiert. Sind die Aufgaben aber neu, können ältere Arbeitnehmer schon vereinzelt Probleme damit haben, weiß Falkenstein. Haben hingegen ältere Arbeitnehmer jahrelang schon flexibel gearbeitet, lösen sie auch neue Aufgaben exzellent. Beschäftigte, die anspruchsvolle Tätigkeiten mit größeren Handlungsspielräumen ausführen, sind auch im Alter geistig fitter und werden seltener dement. Falkenstein nennt einen weiteren Grund, warum Ältere oft besonders gute Arbeit leisten: Sie versuchen, beginnende Funktionseinbußen zu kompensieren. Das tun sie, indem sie sich verstärkt vorbereiten und aufmerksamer sind. Das führt aber im Gegenzug dazu, dass sie durch die erhöhte Anstrengung auch früher ermüden.

Fazit von Falkenstein: Beeinflussbare Faktoren, die auf das Altern einwirken, sollten durch Maßnahmen im Betrieb gesteuert werden. Zum einen seien präventive Schritte zu setzen: Handlungsspielräume sollten erweitert und Arbeitsplätze so gestaltet werden, dass sie nicht nur die körperlichen, sondern auch mentalen Veränderungen im Alter berücksichtigen. „Das wird heute noch weitgehend vernachlässigt“, kritisierte Falkenstein. Zum anderen müssten auch betriebliche Gesundheitsmaßnahmen getroffen werden, um die oft nachlassenden körperlichen und kognitiven Funktionen auf einem möglichst hohen Niveau zu halten. Dazu zählen etwa körperliches Training und Stressmanagement sowie Aufklärung über gesunde Ernährung. Wichtig sei auch das mentale Training jener Funktionen, die bei repetitiver Arbeit oft nicht gefordert sind und daher nachlassen. So könnten mentale Kompetenzen bei älteren Beschäftigten mit monotoner Arbeit nachhaltig verbessert werden. Falkenstein abschließend: „Werden all diese Maßnahmen kombiniert, sind ältere Beschäftigte bis zu ihrer Pension körperlich und geistig fit und damit voll arbeitsfähig.“
MH

30 Jahre Akademie

1984 mit dem Namen Österreichische Akademie für Arbeitsmedizn (AAM) gegründet hat sich diese zum Ziel gesetzt, der Arbeitsmedizin und Prävention in der Arbeitswelt jenen Stellenwert zu geben, der ihr aufgrund von gesellschaftspolitischen, ethischen und ökonomischen Aspekten zusteht. In den 30 Jahren ihres Bestehens wurden an der Akademie rund 2.500 Arbeitsmediziner, etwa 250 arbeitsmedizinische Assistenten sowie 40 Wirtschaftsmediziner ausgebildet.

Die Erweiterung des Aufgabenspektrums hat 30 Jahre nach der Gründung auch zu einer Änderung des Namens in Österreichische Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP) geführt. Aus diesem Anlass gilt auch ein reduzierter „Jubiläumspreis“. Details dazu gibt es unter www.aamp.at sowie telefonisch unter 02243/243110.

Eine spezielle Kooperation der AAMP gibt es mit der Medizinischen Universität Graz: Dabei wird eine Ausbildung zum „Akademisch geprüften Arbeitsmediziner“, der Master-Lehrgang „Arbeits- und Organisationsmedizin“ (früher: Wirtschaftsmedizin) sowie der neue interdisziplinäre Universitätslehrgang „Präventions- und Gesundheitsmanagement in Unternehmen“ angeboten.

Die AAMP bietet jedoch nicht nur österreichweit Aus- und Weiterbildung für Arbeitsmediziner an, sondern ist auch international anerkannt. In sieben europäischen Staaten führt die Akademie im Auftrag der EU Beratungsprojekte für Regierungsstellen durch.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2014