Zoonosen durch Hunde: Folgenschwerer Kontakt

10.09.2014 | Medizin

Nicht nur enteritische Campylobacter-Infektionen können durch Haustiere übertragen werden – auch die gegenseitige Übertragung von MRSA oder E. coli durch den direkten Kontakt von Mensch und Tier konnte nachgewiesen werden. Speziell Kinder sind gefährdet, eine Wurminfektion zu erleiden. Von Irene Mlekusch

Rabies gilt heute als typische Reisezoonose“, erklärt Univ. Prof. Anja Joachim, Leiterin des Instituts für Parasitologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „Vor allem bei Reisen nach Nordafrika, Zentralasien und Indien ist Vorsicht geboten“, betont die Expertin. Obwohl die Tollwut in vielen verschiedenen Regionen der Welt endemisch ist, sind Infektionen beim Menschen außerhalb der Entwicklungsländer eher selten. Die Gefahr liegt bei Mensch und Tier im unspezifischen Prodromalstadium, wobei der Hund bereits ansteckend ist, bevor sich die ersten Symptome zeigen. Da das Virus über den Speichel des Tieres übertragen wird, muss nicht unbedingt ein Biss stattfinden; jeglicher Kontakt mit der Speichelflüssigkeit kann zu einer Infektion führen.

Bakterien wie beispielsweise Pasteurellen, Capnocytophaga canimorsus und C. cynodegmi sowie Brucellen können ebenfalls durch den Biss oder Speichelkontakt eines Hundes auf den Menschen übertragen werden. Die Bandbreite der klinischen Symptomatik reicht von einer lokalen Wundinfektion bis hin zum septischen Schock, disseminierter intravasaler Gerinnung und Meningitis. Vor allem ältere Menschen, Säuglinge und Kleinkinder unter fünf Jahren, Schwangere sowie Patienten mit einer Immunschwäche oder mit schwerwiegenden Komorbiditäten haben ein erhöhtes Infektionsrisiko. Joachim rät Personen dieser Risikogruppen dazu, die Tierhaltung mit dem Arzt abzusprechen. Auch die gegenseitige Übertragung von multiresistenten Keimen wie MRSA oder E. coli durch direkten Kontakt von Mensch und Tier konnte nachgewiesen werden. Vor allem bei Diabetikern mit rezidivierenden MRSA-Infektionen lohnt es sich mitunter, nachzufragen, ob der Patient Hundebesitzer ist. Weitere bakterielle Zoonosen wie Anthrax, Bordetellose, Leptospirose, Q-Fieber und Tuberkulose spielen eine untergeordnete Rolle, da entweder Hunde als Überträger eine lediglich geringe Rolle spielen oder die Erkrankungen in unseren Breiten sehr selten auftreten.

Auch die gastrointestinalen Zoonosen sind nicht zu unterschätzen. „Hunde mit länger anhaltendem, wässrigem oder gar blutigem Durchfall sollten spätestens nach zwei Tagen einem Tierarzt vorgestellt werden“, empfiehlt Joachim. Zu den zoonotischen Pathogenen, die eine Gastroenteritis beim Hund hervorrufen können, zählen Salmonellen, Campylobacter, Kryptosporidien und Giardien. Des Weiteren wurden in den letzten Jahren Infektionen mit Yersinien und Helicobacter beschrieben. Die Übertragung erfolgt entweder durch den Kontakt mit dem Hundekot und/oder durch kontaminiertes Futter im Fall einer Salmonellose. Joachim sieht im gewissenhaften Entfernen des Hundekots eine Möglichkeit, die Ausbreitung dieser Infektionen unter den Hunden zu reduzieren. Man geht davon aus, dass etwa sechs Prozent aller enteritischen Campylobacter-Infektionen und drei Prozent der enteritischen Salmonellosen durch Haustiere übertragen werden.

Häufigste Parasitose: Giardiose

Die Giardiose gehört weltweit zu den zehn häufigsten Darmparasitosen und stellt in den westlichen Industrieländern sogar die häufigste Parasitose des Darmes dar. Die meisten Giardiosen verlaufen symptomlos; vor allem bei Kindern kann sich aber nach einer Inkubationszeit von zwölf bis 20 Tagen eine heftige Diarrhöe entwickeln. Die Durchseuchungsrate wird bei Kindern mit ungefähr 25 Prozent angegeben. Durch den engen Kontakt mit dem Hund und mangelndes Hygienebewusstsein sind Kleinkinder häufiger betroffen als Erwachsene. „Viele Welpen aus Ost- und Südeuropa leiden an durch Giardien verursachten, wiederkehrenden Diarrhöen“, erklärt Joachim. Die Einzeller werden vor allem bei Stress vermehrt ausgeschieden.

Eine besondere Bedeutung kommt der Infektion mit Nematoden zu. In den USA zählen Infektionen mit Ancylostoma caninum und Toxocara canis zu den häufigsten parasitären Zoonosen im Zusammenhang mit Hunden. „Vor allem Kinder zwischen drei und vier Jahren sind gefährdet, durch den Kontakt mit dem Hundekot, insbesondere mit dem nicht-entwurmter Welpen, eine Wurminfektion zu bekommen“, gibt Joachim zu bedenken.

Hoher Durchseuchungsgrad

Univ. Prof. Herbert Auer, Leiter der Arbeitsgruppe für Medizinische Parasitologie am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin von der Medizinischen Universität Wien, ergänzt, dass der Durchseuchungsgrad, der beim Junghund mit 80 bis 90 Prozent angegeben wird, mit zunehmendem Alter des Hundes abnimmt, vorausgesetzt, es erfolgt eine ausreichende Entwurmung. Aber auch exponierte Personen wie Hunde- und Katzenhalter, Landwirte, Jäger, Tierärzte und Schlachthausangestellte weisen ein deutlich höheres Infektionsrisiko auf. „Landwirte weisen im Vergleich zur Normalbevölkerung ein 39-fach erhöhtes Infektionsrisiko auf“, sagt Auer.

Die Inzidenz der Toxokarose wird in Österreich mit einigen hundert Fällen pro Jahr angenommen. Die Verunreinigung mit Hundekot stellt in einigen mitteleuropäischen Städten ein großes Problem dar, Auer verweist auf Untersuchungen, welche in Österreich eine Durchseuchung mit Toxocara- Eiern von Hundekot-, Erd- und Sandproben bis zu 14 Prozent nachweisen konnten. Der Kontakt mit zwei bis drei Wochen altem Hundekot gilt als besonders infektiös, da dies der Entwicklungszeit der Larven entspricht. „Außerdem verwittert der Hundekot relativ rasch und ist dann als solcher nicht mehr erkenntlich“, warnt Auer. Die Toxokarose kann entweder subklinisch verlaufen oder als okuläres Larva migrans- Syndrom eine Infektion des Auges mit möglicher Erblindung verursachen. Andere mögliche Manifestationen sind das viszerale Larva migrans-Syndrom, die Neurotoxokarose, sowie die covert und common toxocarosis. Die Larven können jederzeit in ein Ruhestadium übergehen und Jahre später reaktiviert werden. Bei Kindern ist das Auftreten einer systemischen Toxokarose häufiger und zeigt sich durch Eosinophilie, Ausschlag, Fieber, Husten, Gewichtsverlust, Hepatosplenomegalie, pulmonale Infiltrate, epileptoide Anfälle und Verhaltensänderungen. „Prinzipiell kann jede Altersgruppe betroffen sein“, weiß Auer und nennt die rezidivierende Eosinophilie als typisches Zeichen einer Wurminfektion. Sind andere Ursachen ausgeschlossen, ist es im Rahmen der differentialdiagnostischen Abklärung sinnvoll, einen Antikörper-Spiegel aus Vollblut oder Serum zu erheben. „Obwohl der Antikörper-Nachweis nicht zwingend im Zusammenhang mit den Symptomen des Patienten stehen muss und der direkte Erregernachweis nur selten gelingt, wird die Anzahl der Krankheitsfälle auf einige hundert pro Jahr geschätzt“, sagt Auer.

Infektion mit Hakenwürmern

Das Larva migrans cutanea-Syndrom wird durch eine perkutane Infektion mit Hakenwürmern wie Ancylostoma canium und Ancylostoma braziliense verursacht. Den Aussagen von Joachim zufolge kommen die genannten Hakenwürmer in Österreich höchstens bei aus südlichen Ländern importierten Hunden vor. Die höchste Ansteckungsgefahr besteht für Kinder in kontaminierten Sandkästen oder an Stränden. Klinisch zeigt sich eine charakteristische Hauteruption mit intensivem Juckreiz, der wiederum zu bakteriellen Sekundärinfektionen führen kann. Da der Mensch ein Fehlwirt ist, sterben die Larven innerhalb eines Monats spontan ab.

Die für den Menschen gefährlichsten Parasiten in Mitteleuropa sind Echinococcus multilocularis, der kleine Fuchsbandwurm und E. granulosus, der Hundebandwurm, welche die alveoläre Echinokokkose (AE) beziehungsweise die zystische Echinokokkose (ZE) hervorrufen. Aufgrund der langen Inkubationszeit, die bei der alveolären Echinokokkose viele Jahre, sogar Jahrzehnte und bei der zystischen Echinokokkose viele Monate bis Jahre dauern kann, bleibt die Infektion oft lange Zeit unbemerkt. Die Finnen – eigentlich die Larven – des Fuchsbandwurmes lokalisieren sich fast ausschließlich in der Leber, die sie kontinuierlich infiltrieren, während die Finnen des Hundebandwurmes als Zysten in Leber, Lunge, Milz, den Nieren oder dem Gehirn heranreifen. Es sind zwar – speziell bei der alveolären Echinokokkose – Spontanheilungen dokumentiert; allerdings kann die Infektion auch letal verlaufen. Meist verursachen die Finnen ausgeprägte Organschädigungen, welche eine lebenslange medikamentöse Behandlung erfordern. Die Infektion findet hauptsächlich durch kontaminierte Nahrungsmittel statt; sie ist aber prinzipiell auch als Schmierinfektion über das Fell infizierter Hunde beim Hundebandwurm oder Füchse beim kleinen Fuchsbandwurm möglich. „Trotz des endemischen Vorkommens des Fuchsbandwurmes in Mitteleuropa tritt die alveoläre Echinokokkose extrem selten auf“, merkt Auer an. Und Joachim ergänzt: „Vorsicht ist geboten bei importierten Hunden oder Streunern aus Rumänien, dem Balkan oder dem südlichen Mittelmeerraum.”

Hunde spielen als Nahrungsquelle für Zecken, Flöhe und blutsaugende Insekten auch eine Rolle bei der Verbreitung von vektorübertragenen Zoonosen wie Lyme-Borreliose, Rickettsiosen, Ehrlichiose, Anaplasmose, Bartonellose, Tularämie, Dirofilariose und Leishmaniose. Beide Experten verweisen auf die Möglichkeit einer Infektion mit Leishmanien bei Hunden, die entweder aus dem Mittelmeerraum importiert wurden oder ihren Besitzer in diese Regionen begleitet haben. „Da die Ansteckung über Sandfliegen erfolgt, ist es wichtig, den Hund vor den Insekten zu schützen“, rät Joachim. Humane Infektionen mit Leishmanien können asymptomatisch verlaufen. Treten allerdings Symptome auf, so sind diese viszeral, kutan oder mukokutan. Unbehandelt können viszerale Leishmaniosen – besonders bei immunologisch eingeschränkten Personen – letal ausgehen. „Da die Krankheit nicht heilbar ist, kann sich in Mitteleuropa ein neues Endemiegebiet aufbauen, weil – wie wir erst seit einigen Jahren wissen – die Überträger, Sandmücken der Subfamilie Phlebotominae – auch in Mitteleuropa vorkommen”, fasst Auer zusammen.

Den Hund und sich selbst gegen Insektenstiche zu schützen, ist auch eine sinnvolle Maßnahme der Verbreitung von Dirofliarien entgegen zu wirken. Vor allem D. repens, welcher subkutane Infektionen verursachen kann und D. immitis, der Erreger einer pulmonalen Dirofilariose, sind für den Menschen relevant. „Die vornehmlich im Mittelmeerraum anzutreffenden Dirofilarien drängen nach Norden“, berichtet Auer. So wurden die Erreger in den letzten Jahren in zunehmendem Maße auch in Ungarn entdeckt. Gelsen fungieren als Zwischenwirt und übertragen die Wurmlarven bei der Blutmahlzeit. In vielen Fällen bleibt die Infektion asymptomatisch; bis zu 45 Prozent der Betroffenen entwickeln allerdings Symptome. Die Larven entwickeln sich in der Regel innerhalb von Wochen oder Monaten zu Adulttieren, die sich meist innerhalb von Hautknoten lokalisieren. Sie können sich allerdings auch gelegentlich in anderen Körperregionen aufhalten, wie zum Beispiel in den Nebenhoden oder der Orbita. Auer registrierte in den letzten 30 Jahren zirka 30 kutane Dirofilariosefälle in Österreich. Dirofilaria immitis, der Herzwurm von Hund und Katze, lokalisiert sich dagegen in der Lunge innerhalb eines ein bis eineinhalb Zentimeter großen Knotens. Auer dazu: „Die durch D. repens verursachten Hautknoten werden meist chirurgisch entfernt, die durch D. immitis induzierten Lungenknoten werden in der Regel nicht behandelt.” Die Diagnose Dirofilariose wird oft erst gestellt, wenn die tumorartige Läsion chirurgisch entfernt wird.

Bester Schutz: Prävention

Der beste Schutz vor Zoonosen ist und bleibt die Prävention. Joachim betont die Wichtigkeit, mit dem Hund regelmäßig zum Tierarzt zu gehen, die empfohlenen Abstände für Entwurmungen einzuhalten sowie Impfungen zeitgerecht durchführen zu lassen. Außerdem sollten die Hunde regelmäßig auf den Befall von Zecken und Flöhen untersucht werden. „Hundebesitzer sollten ihre Tiere nicht aus Pfützen trinken lassen, hochqualitatives Futter füttern, auf die Hygiene der Futterschüssel achten und falls die Hunde in einem Zwinger gehalten werden, dessen Boden trocken halten“, vervollständigt Joachim die Ratschläge. Auch der Hundebesitzer sollte sich nach dem Kontakt mit seinem Hund und vor allem dem Hundekot die Hände waschen.

Zwar sind die meisten Zoonosen selten, bedenkt man aber, dass es allein in den USA in mehr als 50 Millionen Haushalten Hunde gibt, welche wiederum in nahezu der Hälfte aller Fälle mit ihren Besitzern sogar das Bett teilen, stellt sich die Situation anders dar. In Österreich gibt es rund 600.000 Hunde – und auch der Handel mit Welpen aus dem Osten floriert.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2014