Dia­sto­li­sche Herz­in­suf­fi­zi­enz: Gute Funk­tion mit ungüns­ti­ger Prognose

25.03.2014 | Medizin

Fast die Hälfte aller Pati­en­ten, die Sym­ptome einer Herz­in­suf­fi­zi­enz auf­wei­sen, lei­det an einer iso­lier­ten dia­sto­li­schen Funk­ti­ons­stö­rung. Die Dia­gnose ist mit­un­ter kom­plex und erfor­dert einige ergän­zende Ver­fah­ren. Zen­tra­len Stel­len­wert in der Rou­ti­ne­dia­gnos­tik hat die transtho­ra­kale Echo­kar­dio­gra­phie. Von Irene Mlekusch

Etwa die Hälfte aller Herz­in­suf­fi­zi­enz-Pati­en­ten lei­det an einer iso­lier­ten dia­sto­li­schen Funk­ti­ons­stö­rung, auch als heart fail­ure with pre­ser­ved ejec­tion frac­tion (HFpEF) bekannt. „Pri­mär sind die Sym­ptome der dia­sto­li­schen Herz­in­suf­fi­zi­enz nicht von denen der systo­li­schen zu unter­schei­den”, erklärt Univ. Prof. Bur­kert Pieske, Lei­ter der Kli­ni­schen Abtei­lung für Kar­dio­lo­gie an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin in Graz. Der kli­ni­sche Sym­ptom­kom­plex stellt ein Defi­ni­ti­ons­kri­te­rium der HFpEF dar und umfasst sowohl Belas­tungs­dys­pnoe und Lun­gen­ödem als auch Leis­tungs­min­de­rung, Bein­ödeme und Beklem­mungs­ge­fühle. „Die Sym­ptome unter denen die Pati­en­ten lei­den, sind in ers­ter Linie durch das nied­rige Herz­zeit­vo­lu­men bei ein­ge­schränk­ter Fül­lung des stei­fen, lin­ken Ven­tri­kels bedingt“, bestä­tigt Univ. Prof. Julia Mascher­bauer von der Abtei­lung für Kar­dio­lo­gie der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin II in Wien. Bei fort­ge­schrit­te­nen Fäl­len ent­wickle sich eine post­ka­pil­läre pul­mo­n­ale Hyper­ten­sion und dar­aus resul­tie­rend eine rechts­ven­tri­ku­läre Funktionseinschränkung.

Neben den typi­schen Sym­pto­men der Herz­in­suf­fi­zi­enz gel­ten als wei­tere Defi­ni­ti­ons­kri­te­rien eine nor­male bis leicht redu­zierte Aus­wurf­leis­tung (ejec­tion frac­tion, EF >50 Pro­zent), struk­tu­relle Ver­än­de­run­gen wie Links­ven­tri­kel­hy­per­tro­phie oder Dila­ta­tion des lin­ken Vor­hofs und eine dia­sto­li­sche Dys­funk­tion. Die Prä­va­lenz der dia­sto­li­schen Herz­in­suf­fi­zi­enz steigt mit dem Alter und liegt bei den über 70-jäh­ri­gen Pati­en­ten, die an Herz­in­suf­fi­zi­enz lei­den, sogar bei 50 Pro­zent. Die Sechs-Monats-Mor­ta­liät liegt bei etwa 13 Pro­zent; es sind mehr Frauen als Män­ner betrof­fen. Außer­dem ist die dia­sto­li­sche Herz­in­suf­fi­zi­enz mit den typ­si­chen kar­dio­vas­ku­lä­ren Erkran­kun­gen wie links­ven­tri­ku­lä­rer Hyper­tro­phie bei arte­ri­el­ler Hyper­to­nie, Dia­be­tes mel­li­tus und koro­na­rer Herz­krank­heit asso­zi­iert. So ent­wi­ckeln bei­spiels­weise etwa 80 Pro­zent der Pati­en­ten mit Dia­be­tes mel­li­tus im Laufe ihrer Erkran­kung eine dia­sto­li­sche Herz­in­suf­fi­zi­enz. Wei­tere Kom­or­bi­di­tä­ten stel­len Adi­po­si­tas und chro­ni­sche Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz dar. Mascher­bauer macht dar­auf auf­merk­sam, dass die Dia­gnose HFpEF aller­dings einige, mög­li­cher­weise der HFpEF zugrun­de­lie­gende Erkran­kun­gen wie zum Bei­spiel Spei­cher­er­kran­kun­gen (Amy­lo­idose, kar­diale Sar­ko­idose, Mor­bus Fabry) oder uner­kannte hyper­tro­phe Kar­dio­myo­pa­thien nicht ausschließt.

Die Dia­gnose einer HFpEF ist unter Umstän­den kom­plex und bedarf meh­re­rer ergän­zen­der Ver­fah­ren. Die zen­trale Rolle in der Rou­ti­ne­dia­gnos­tik spielt die transtho­ra­kale Echo­kar­dio­gra­phie. Dabei wer­den zur Bestim­mung der dia­sto­li­schen Funk­tion der Mit­ral- und Pul­mo­n­al­ve­nen­fluss dopp­ler­so­no­gra­phisch beur­teilt. Ein wesent­li­ches dia­gnos­ti­sches Kri­te­rium ist das Ver­hält­nis zwi­schen der frü­hen Phase des pas­si­ven, auch early fil­ling und dem akti­ven, active fil­ling, durch die Vor­hof­kon­trak­tion aus­ge­lös­ten Blut­stroms. Bei unkla­rem Ver­hält­nis kann die Mes­sung der Pul­mo­n­al­ve­nen­ge­schwin­dig­keit eine wei­tere Iden­ti­fi­ka­tion ermög­li­chen; diese Unter­su­chung ist aber tech­nisch anspruchs­voll und kann nicht immer durch­ge­führt wer­den. Gewebe-Dopp­ler (TDI) und Farb­dopp­ler-M-Mode sind zusätz­li­che echo­kar­dio­gra­phi­sche Tech­ni­ken, die bei der Dia­gnose der HFpEF unter­stüt­zend ein­ge­setzt wer­den. Auch für den Aus­schluss von Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen wie konstrik­ti­ver Peri­kar­di­tis, Peri­kard­tam­po­nade und schwe­rem Mit­ral- oder Aor­ten­vi­tium ist die Echo­kar­dio­gra­phie notwendig.

Kann die Herz­in­suf­fi­zi­enz nicht ein­deu­tig nach­ge­wie­sen wer­den, stel­len die natri­ure­ti­schen Pep­tide BNP und NT-proBNP wich­tige Indi­ka­to­ren dar. „Plasma NT-pro BNP Werte >220 pg/​ml bezie­hungs­weise Plasma BNP über 200pg/​ml bei Pati­en­ten mit nor­ma­ler systo­li­scher Links­ven­tri­kel­funk­tion, dia­sto­li­scher Funk­ti­ons­stö­rung in der Echo­kar­dio­gra­phie und Zei­chen bezie­hungs­weise Sym­pto­men von Herz­in­suf­fi­zi­enz sichern die Dia­gnose einer HFpEF zusätz­lich ab”, bestä­tigt Mascher­bauer. Pieske gibt zu beden­ken, dass diese Labor­pa­ra­me­ter bei adi­pö­sen und nie­ren­in­suf­fi­zi­en­ten Pati­en­ten ver­än­dert sein kön­nen und emp­fiehlt daher, diese aus­schließ­lich im Kon­text aller Unter­su­chun­gen zu betrachten.

KHK aus­schlie­ßen

„Der Aus­schluss einer rele­van­ten koro­na­ren Herz­er­kran­kung sollte bei HFpEF­Pa­ti­en­ten auf jeden Fall erfol­gen”, sagt Mascher­bauer. Sie fügt hinzu, dass, um die sehr häu­fig auf­tre­tende, durch die erhöh­ten Fül­lungs­dru­cke im lin­ken Ven­tri­kel ver­ur­sachte post­ka­pil­läre pul­mo­n­ale Hyper­to­nie fest­zu­stel­len bezie­hungs­weise aus­zu­schlie­ßen bei die­sen Pati­en­ten zusätz­lich eine Rechts­herz­ka­the­ter­un­ter­su­chung not­wen­dig ist.

Zur Abklä­rung der Ursa­che und genauen Beur­tei­lung des rech­ten Ven­tri­kels rückt das kar­diale MRT immer mehr in den Vor­der­grund. Es trägt einer­seits zur Auf­de­ckung von Spei­cher­er­kran­kun­gen und Kar­dio­myo­pa­thien bei, ande­rer­seits lie­fert es genaue Infor­ma­tio­nen über die Größe und Funk­tion des rech­ten Ven­tri­kels. Mascher­bauer dazu: „Der rechte Ven­tri­kel ist echo­kar­dio­gra­phisch Rela­tiv schwer beur­teil­bar. Ihm wurde auch bis­her zu wenig Beach­tung geschenkt. Mit dem zuneh­men­den Bewusst­sein für die dia­sto­li­sche Herz­in­suf­fi­zi­enz rückt er jetzt mehr in den Vor­der­grund.” Durch die erhöh­ten links­ven­tri­ku­lä­ren Fül­lungs­dru­cke führt die HFpEF zu einer zuneh­men­den post­ka­pil­lä­ren pul­mo­n­a­len Hyper­to­nie. In der Folge wird der rechte Ven­tri­kel belas­tet, es kommt zur Rechts­ven­tri­kel­di­la­ta­tion, zu einer zuneh­men­den Tri­kus­pi­dal­klap­pen­in­suf­fi­zi­enz und im End­sta­dium zum Rechtsherzversagen. 

Auch eine Herz­mus­kel­bi­op­sie kann zur wei­te­ren Abklä­rung hilf­reich sein. „Die Herz­mus­kel­bi­op­sie ist beim Ver­dacht auf eine Spei­cher­er­kran­kung eine unver­zicht­bare dia­gnos­ti­sche Hilfe. Sie kann bei­spiels­weise im Anschluss an die Koro­nar­an­gio­gra­phie durch­ge­führt wer­den“, führt Mascher­bauer wei­ter aus. Pieske sieht den Ein­satz der Biop­sie eher bei jün­ge­ren Pati­en­ten mit unge­klär­ter Hyper­tro­phie. Beide Exper­ten sind der Mei­nung, dass sowohl die MRT als auch die Biop­sie the­ra­pie­re­le­vante Befunde lie­fern können.

Vor­ran­gig in der The­ra­pie der dia­sto­li­schen Herz­in­suf­fi­zi­enz ist – sofern es sich nicht um die Akut­phase han­delt – die opti­male Ein­stel­lung der zugrunde lie­gen­den Erkran­kun­gen wie Hyper­to­nie, KHK oder Dia­be­tes mel­li­tus. „Das Manage­ment stellt noch ein gro­ßes Pro­blem dar, da sich die Krank­heit über ihre Risi­ko­fak­to­ren über Jahre hin­weg ent­wi­ckelt“, wie Pieske betont. Neben der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie emp­feh­len beide Exper­ten Gewichts­re­duk­tion und kör­per­li­che Akti­vi­tät, da Stu­dien gezeigt haben, dass es dadurch zu einer Ver­bes­se­rung der Belas­tungs­fä­hig­keit kommt.

Zur Behand­lung der the­ra­pie­re­sis­ten­ten Hyper­to­nie wird in kli­ni­schen Stu­dien der­zeit auch das Ver­fah­ren der rena­len Dener­va­tion ein­ge­setzt. Da es dadurch zu einer deut­li­chen Ver­bes­se­rung der Blut­druck­ein­stel­lung und ande­rer­seits zu einer Reduk­tion der Frei­set­zung von Neu­ro­trans­mit­tern aus der Niere führt, sieht Pieske darin eine Behand­lungs­al­ter­na­tive der Zukunft.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2014