Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Krankenhäuser ohne Turnusärzte

25.11.2013 | Standpunkt

© Gregor Zeitler

Die Versorgung von kranken Menschen in den österreichischen Spitälern kommt nicht aus den Schlagzeilen. Trotz der im EU-Vergleich hohen Ärztedichte – wie Studien sagen – und der ausreichenden Versorgung im niedergelassenen Bereich – wie Vertreter der Politik und der Sozialversicherung ununterbrochen betonen – ist der Patienten- ansturm auf die Spitalsambulanzen ungebrochen. Das hat zur Folge, dass wir im Europa-Vergleich betrachtet eine relativ hohe Rate an stationären Spitalsaufenthalten haben. Das ist die eine Seite.

Es ist aber auch ein Faktum, dass es in Österreichs Spitälern noch immer gang und gäbe ist, dass Ärzte an Wochenenden bis zu 49 Stunden am Stück im Dienst sind. Wir reden andauernd über die Qualität im Gesundheitswesen. Die längst überfällige Beschränkung der maximal zulässigen Dienstdauer auf 25 Stunden bleibt dabei unbeachtet.

Faktum ist auch, dass bereits zwei Drittel der in Ausbildung stehenden Turnusärzte Frauen sind. Und wie reagieren die Dienstgeber darauf? Gar nicht. Es gibt keine flächendeckende Kinderbetreuung, was die Situation für alleinerziehende Mütter zusätzlich erschwert und es gibt auch keine vernünftigen Modelle für die Facharztausbildung in Teilzeit.

Gleichzeitig gehen heutzutage 80 bis 90 Prozent der Fachärzte als angestellte Ärzte in Pension. Karrieremodelle? Fehlanzeige!

Das sind nur einige der Punkte der „anderen Seite“, nämlich der, wie es um die Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten bestellt ist.

Wundert sich angesichts dessen wirklich noch jemand darüber, dass Jungärzte die Flucht nach vorne ergreifen und viele von ihnen nach dem Studium nicht einmal in Erwägung ziehen, den Turnus in Österreich zu absolvieren und scharenweise nach Deutschland abwandern? Mich wundert es nicht. Entgegen besserem Wissen – aktuellen Studien zufolge sind Turnusärzte schon die Hälfte ihrer Zeit mit Dokumentation beschäftigt – ist so mancher Politiker ja noch immer davon überzeugt, dass dies nicht im Geringsten damit zusammenhängt, dass Turnusärzte im Spital als Systemerhalter missbraucht werden.

Die Folgen der Nicht-Wertschätzung von jungen Ärzten, die sich in Ausbildung befinden, machen sich schon bemerkbar: So gibt es beispielsweise in entlegeneren Regionen Österreichs Turnusarzt-freie Krankenhäuser. Das ist eine Entwicklung, die sich nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa abzeichnet. Der Turnusarzt ist zur Mangelware geworden.

Wir werden darauf reagieren müssen, dass unsere jungen Kolleginnen und Kollegen andere Vorstellungen von ihrem Leben haben, dass deren Lebensplanung ausreichend Zeit für die Familie ebenso beinhaltet wie ausreichend Freizeit.

Und die Spitalsverantwortlichen werden endlich Schritte setzen müssen, dass sich Zeit für die Ausbildung auch im Personalplan von uns Ärztinnen und Ärzten im Spitals widerspiegelt. Vielfach kann ja der ganz normale Routinebetrieb in den Stationen und Ambulanzen nicht mehr aufrechterhalten werden, was dann – wie eingangs erwähnt – zu medialer Aufregung führt.


Harald Mayer

Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2013