Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Missstand Spital

15.08.2013 | Standpunkt

Um die Spitalsärzte ist es ohnehin nicht so schlecht bestellt – könnte man bei einem raschen Blick auf die aktuellen Ergebnisse der IFES-Umfrage zu den Arbeitsbedingungen meinen. Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass etwa die von Seiten der Bundeskurie angestellte Ärzte immer wieder geforderte Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit nun zwar – jedenfalls im Durchschnitt betrachtet – geringfügig erkennbar ist, dafür aber der Anteil der Zeit, der für Administration aufgewendet wird, steigt.

Im Verlauf der zehn Jahre, seit wir die erste Spitalsärzte-Umfrage in Auftrag gegeben haben, zeigt sich eine ganz klare Tendenz: die Arbeit wird immer mehr – vor allem die Administration und Dokumentation – und die Zeit für die eigentlich ärztliche Tätigkeit immer weniger. Das ist meiner Ansicht nach auch der Hauptgrund dafür, wieso viele junge Kollegen einer Tätigkeit als Spitalsarzt in Österreich den Rücken kehren: Das Arzt-Seit kommt nur noch am Rande vor, mehr als die Hälfte der Arbeitszeit verbringen unsere jungen Kolleginnen und Kollegen mit Schreibtätigkeiten.

Als ob es nicht schon genug wäre, dass Politiker und Ökonomen glauben, ein Krankenhaus wie jeden anderen Betrieb führen zu können, wird dem Ganzen noch eins drauf gesetzt und Personal für Tätigkeiten eingesetzt, für die es gar nicht ausgebildet ist. So wird im Spitalsbetrieb ärztliches Know-how für Sekretariatsarbeiten missbraucht. Und oft müssen die Daten zwei-, manchmal auch dreimal ins System eingegeben werden, weil Schnittstellen nicht funktionieren. ELGA wird in diesem Zusammenhang sehr spannend werden – aber das nur so nebenbei. Jeder Manager, der in einem Unternehmen hochqualifizierte Jung-Akademiker als Schreibkräfte missbraucht, wäre die längste Zeit in dieser Position tätig gewesen. Die Krankenhausmanager aber und die verantwortlichen Politiker nehmen diesen Missstand in den österreichischen Spitälern seit Jahren einfach stillschweigend zur Kenntnis.

Es ist also wirklich kein Wunder, dass vor allem unter Turnusärzten der Anteil derer, die es sich nicht vorstellen können, die aktuelle Tätigkeit noch mit 65 Jahren auszuüben, am höchsten ist. Und damit sind wir gleich beim nächsten großen Problemfeld angelangt: Nämlich, dass ältere Ärzte von Nachtdiensten entlastet werden müssen. Zahlreiche Studien dokumentieren, dass Nacht- und Schichtarbeit krank machen. Und von Seiten der Träger gibt es nicht die geringsten Zeichen, hier Maßnahmen zu setzen. Dabei ist die Hälfte der jetzt aktiven Spitalsärztinnen und Spitalsärzte zwischen 49 und 56 Jahre alt. Wenn sie ins Pensionsalter kommen, werden wir das Problem erst so richtig zu spüren bekommen.

Und während bei anderen Berufsgruppen endlos lang darüber verhandelt wird, ob die maximale Arbeitszeit von 20 auf 22 oder vielleicht sogar 24 Stunden angehoben werden soll – pro Woche wohlgemerkt – kämpfen wir Ärzte noch immer darum, dass eine maximale Dienstdauer von 25 Stunden am Stück endlich gesetzlich verankert wird.

Was wir Spitalsärzte brauchen, sind Arbeitsbedingungen, die es jungen Kollegen wieder ermöglichen, Medizin zu lernen, und älteren Kollegen, bis 65 arbeiten zu können. Wir sollen und müssen wieder zum Patienten – dann wäre auch die Zufriedenheit der Ärzte mit dem, was sie tun, wieder in einem hohen Ausmaß gegeben.


Harald Mayer

Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2013