Standpunkt – Präs. Artur Wechselberger: Bundeszielsteuerungsvertrag

15.07.2013 | Standpunkt

© Dietmar Mathis

Wie lautet das zehnte Gebot? – So auf die Schnelle gefragt, würde selbst sonst bibelsicheren Zeitgenossen die richtige Antwort eine kurze Überlegung abringen. Um wie viel länger wird dann erst die Latenzzeit bis zur korrekten Lösung der Frage nach dem zehnten österreichischen Rahmengesundheitsziel dauern?

Dabei sind die Rahmengesundheitsziele im Unterschied zu den Jahrtausenden seit Moses erst 2012 von der Bundesgesundheits- kommission und vom Ministerrat beschlossen worden. Das letzte der zehn Rahmengesundheitsziele peilt die Sicherstellung einer qualitativ hochstehenden und effizienten Gesundheitsversorgung für alle an und bildet die Grundlage des Bundeszielsteuerungsvertrages, auf den sich die Systempartner Bund, Länder und Sozialversicherung Ende Juni 2013 geeinigt hatten. Dazu werden im mehr als 70 Seiten starken Vertragswerk strategische und operative Ziele definiert, deren Umsetzung anhand von zugeordneten Versorgungsstrukturen und Versorgungsprozessen vorgegeben ist und deren Zielerreichung bis 2016 mittels definierter Messgrößen und Zielwerten überprüft werden soll.

Im Konkreten geht es dabei etwa darum, bis 2014 Konzepte einer multiprofessionellen interdisziplinären Primärversorgung zu erstellen und bis 2016 solche Modelle von „Primary Health Care“ in den Ländern umzusetzen. Dabei ist als Zielwert vorgegeben, dass bis Ende 2016 mindestens ein Prozent der Bevölkerung pro Bundesland durch ein solches Modell versorgt werden kann. Ähnlich vorsichtig lesen sich die Vereinbarungen zum Ausbau des Angebotes von multiprofessionellen, interdisziplinären Zusammenarbeitsformen zur Reduktion von Krankenhaushäufigkeiten und Verweilzeiten wie auch zum Abbau von Parallelstrukturen. Mindestens zwei solcher „Gruppenpraxen“ pro Bundesland sollten bis Ende der Vertragslaufzeit 2016 errichtet sein. Die jährliche Verringerung der Belagstage um 1,8 Prozent und der Krankenhaushäufigkeit je 1.000 Einwohner um 1,1 Prozent definieren die Mindestziele zum Abbau der Spitalslastigkeit des österreichischen Versorgungssystems.

Aus den vertraglich vereinbarten Zielen sollen die Leistungsverschiebungen errechnet werden, die dann zum entsprechenden finanziellen Ausgleich im Sinne von „Geld folgt Leistung“ führen und „grundsätzlich“ innerhalb der Vertragslaufzeit ausgeglichen werden. So vage wie das Wort „grundsätzlich“, so unkonkret sind generell die Festlegungen im Vertragspunkt zur Finanzierung.

Fest steht allerdings, dass die wesentlichen Leistungserbringer unseres Gesundheitssystems und damit auch die Ärztekammern in die operative Planung und Gestaltung eingebungen werden. Diskussionsbasis bilden die bis Ende September 2013 abzuschließenden Landeszielsteuerungsverträge, in denen die Inhalte des Bundeszielsteuerungsvertrages – den Gegebenheiten der verschiedenen Bundesländer und Regionen angepasst – umgesetzt werden sollen.

Im Rahmen der Regionalisierung und operativen Umsetzung wird es wichtig sein, dass auch den Ärztekammern in den Ländern die notwendige Mitsprachemöglichkeit eingeräumt wird. Ebenso unabdingbar wird es aber sein, dass Bund, Länder und Krankenkassen die gestalterische Flexibilität aufbringen, die notwendig ist, lebensnahe und zukunftssichere Lösungen zu finden und auch zu finanzieren. Davon wird es letztlich abhängen, inwieweit die Chancen der Reform genutzt und für die Ärztinnen und Ärzte attraktive Arbeitsbedingungen und für die Bevölkerung eine Verbesserung der Versorgung erreicht werden können.


Artur Wechselberger

Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2013