Theatermuseum Wien: Die Bühne im Kirschblütenrausch

15.12.2013 | Spektrum

Kimonos, Teezeremonien und „Madama Butterfly“ – Mitte des 19. Jahrhunderts öffnete sich Japan erstmals der westlichen Welt, was eine regelrechte Japan-Begeisterung nach sich zog. Im Theatermuseum in Wien widmet man sich nun dem Japan-Boom auf der Bühne. Von Barbara Wakolbinger

Plötzlich wirbelten Kimonos über die Wiener Bühnen, Fächer wurden geschwenkt und Schauspielerinnen und Tänzerinnen präsentierten sich dem Publikum als Geishas: Spätestens mit der Aufführung von Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ war Japan endgültig in Wien angekommen. Grund für den europäischen Japan-Boom in den 1880er-Jahren war die zaghafte Öffnung des Kaiserreichs gegenüber der westlichen Welt nach einer rund 200-jährigen selbstgewählten Isolation. Zum ersten Mal durften Ausländer in die Kultur des Landes eintauchen, sie brachten lebhafte und detailreiche Reiseberichte und Einblicke in das japanische Kunstschaffen mit. Auf den Weltausstellungen der Zeit fand diese neue Euphorie noch zusätzlich Nahrung: Nicht nur im Alltag entdeckten die Österreicher ihre Liebe für grünen Tee, japanisches Papier oder Gewänder, die dann stolz zuhause oder auf Themenfeiern präsentiert wurden. Auch auf der Bühne und in der bildenden Kunst ahmte man traditionelle japanische Darbietungs- und Schaffensformen nach und entwickelte sie für den europäischen Geschmack weiter.

Tradition und Nachahmung

Im Theatermuseum – ab sofort ohne „Österreichisches“ im Namen – versucht man nun noch bis März 2014 beide Facetten des Japan-Hypes zu beleuch-ten. Einerseits widmet sich die Ausstellung „Im Rausch der Kirschblüten“ den traditionellen japanischen Theaterformen, darunter vor allem das mit Masken und starkem symbolhaften Spiel arbeitende No-Theater und das bunte und technisch aufwändige Kabuki-Theater, bei dem etwa die Drehbühne weitaus früher genutzt wurde als in Europa. Andererseits geht man auch jenen Spuren nach, die die Begeisterung in der österreichischen Theaterwelt hinterlassen hat. Neben traditionellen No-Masken und Bildern von japanischen Inszenierungen sind diverse Exponate der pseudo-japanischen, oft kitschigen Nachahmung zu sehen. Kurz vor der Jahrhundertwende etwa führte das Wiener Carltheater „Die Geisha oder Die Geschichte eines japanischen Teehauses“ auf, die deutsche Tänzerin Valeska Gert probte ihre „Japanische Groteske“ und Puccinis „Madama Butterfly“ feierte 1907 in der Wiener Hofoper Premiere. Viel blieb in den Inszenierungen, Kostümen und Bühnenbildern jedoch der Fantasie der Künstler zwischen exotischer Wunschvorstellung und romantischer Verklärung überlassen – denn bis nach Japan schaffte es tatsächlich kaum jemand.

Was, Wann, Wo:

„Im Rausch der Kirschblüten.
Japonismus auf der Bühne“

Bis 3. März 2014

Theatermuseum,
Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien

www.theatermuseum.at


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2013