Oberösterreichische Landesausstellung: Grenzüberschreitungen

10.05.2013 | Spektrum

Ein gemeinsamer Natur- und Kulturraum, gemeinsame Wurzeln und die gemeinsame Vorliebe für gutes Bier und Knödel: Im Rahmen der diesjährigen oberösterreichischen Landesausstellung „Alte Spuren – Neue Wege“ werden diese seit 26. April im Mühlviertel und in Südböhmen gesucht. Von Barbara Wakolbinger

Das politische Geschehen des 20. Jahrhunderts und nicht zuletzt der „Eiserne Vorhang“ zogen eine unnatürliche Grenze, wo vorher jahrhundertelang keine gewesen war: Oberösterreich und Südböhmen teilen sich nicht nur gemeinsame Geschichte, einen gemeinsamen Kultur- und Naturraum und die Vorliebe für gutes Bier, sondern seit 26. April 2013 auch eine Landesausstellung. In Bad Leonfelden, Ceský Krumlov, Freistadt und Vyšší Brod werden unter dem Motto „Alte Spuren – Neue Wege“ Gemeinsamkeiten und Unterschiede erforscht, alte Handelsrouten nachgezeichnet und die Region von Kirchen- bis Medizingeschichte präsentiert.

Im Keller der Brauerei in Freistadt etwa verbindet ein großes Relief des Naturraums die beiden Länder und zeigt die durchgehenden Gesteinsschichten sowie die gemeinsame Flora und Fauna. Von natürlichen Grenzen und Wegen wie zum Beispiel Flüssen geht es über offizielle und inoffizielle Handelsrouten bis hin zu den Wegen der ansässigen Wildtiere von Elch bis Luchs. „In der Tierwelt herrscht bereits reger Grenzverkehr“, sagt Eduard Nimmervoll, Leiter des Standorts Freistadt. Diesem Grenzverkehr sollen die Menschen folgen. In Oberösterreich erwartet man tschechische Gäste, selbst will man auch den einen oder anderen Blick zum Nachbarn werfen, weshalb die gesamte Ausstellung zweisprachig aufgebaut ist.

Verbindung durch Bier und Knödel

Im Obergeschoss der Brauerei geht es hingegen um die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, welche die Region im Laufe der Geschichte maßgeblich beeinflusst haben. Adel und Klerus sorgten nicht nur für die Urbar-Machung des bis dahin eher urwaldähnlichen Gebiets, sondern erweckten im Mittelalter auch die großen Handelsstraßen zwischen Venedig und Prag zum Leben. Quasi als Zwischenstation profitierte die Region vom regen Handel mit Südfrüchten, Salz und Eisen. „Zwischen den einzelnen Siedlungen kam es sogar zu Auseinandersetzungen über Handelsprivilegien, bei denen sich schließlich Freistadt durchsetzte“, erzählt Nimmervoll.

Auch der Ausstellungsraum in Freistadt hat Geschichte: Die Brauerei wurde 1770 erstmals urkundlich erwähnt. Seit dem Mittelalter hatte jeder Bürger in Freistadt das Recht, sein eigenes Bier zu brauen. Im 18. Jahrhundert schloss man sich zu einer Braukommune zusammen und errichtete außerhalb der Innenstadt ein Brauereigebäude. Diese rechtliche Konstruktion hat sich bis heute gehalten: Mit einem Hauskauf in der Innenstadt wird zusätzlich ein Anteil an der Brauerei Freistadt, die noch heute jährlich rund 60.000 Hektoliter Bier erzeugt, erworben. Für Besucher der Landesausstellung ist Freistadt nicht nur die größte Ausstellungsfläche der vier teilnehmenden Städte, sondern auch ein idealer Ort, um am Malzboden die verschiedenen Malzstufen eines Biers zu probieren und den Brauprozess ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Auch die länderverbindenden Küchen Südböhmens und des Mühlviertels kommen mit Schweinsbraten, Kraut und Knödel nicht zu kurz.

In Bad Leonfelden konzentriert man sich mit Handel und Verkehr zwar auch auf die positiven Verbindungen der beiden Länder; allerdings ist ein Teil der Ausstellung auch der schwierigen Geschichte des 20. Jahrhunderts, der Bildung von Nationalstaaten nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie, dem nationalsozialistischen Regime sowie der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewidmet. „Mit diesen Entwicklungen wurde eine Einheit zerbrochen, die erst jetzt nach dem Fall des Kommunismus langsam wieder zusammenwächst“, sagt Philipp Herzog, Leiter des Standorts Bad Leonfelden.

Die Medizin von damals

Aber auch heute herrscht zwischen den Nachbarn nicht immer nur Einigkeit – etwa wenn es um das Thema Atomkraft geht. Als Schauplatz dient hier das historische Bürgerspital – so geht es im zweiten Teil der Bad Leonfeldner Ausstellung vor allem um Medizin. In Originalkrankenzellen kann man sich in Patienten des 16. Jahrhunderts hineinversetzen. Damals glaubte man an die Vier-Säfte-Lehre und sah sich mit Epidemien wie der Pest konfrontiert. Auch in Sachen Betreuung herrschten damals noch andere Verhältnisse: Bader, Chirurgen und andere – häufig ungeschulte – Berufsgruppen versprachen Heilung. Da auch die Bevölkerung nicht immer ihr volles Vertrauen in diese Helfer setzte und die Möglichkeiten der Medizin ihre Grenzen hatten, blühte auch der Handel mit Amuletten, Elixieren und anderen Talismanen. Wem beides nicht half, der wandte sich an Gott – vom Wallfahrtsort wurde Bad Leonfelden im Laufe der Geschichte schließlich zu einem modernen Kurort.

Was, Wann, Wo:

Landesausstellung Oberösterreich & Südböhmen

„Alte Spuren – Neue Wege“

Bad Leonfelden, Ceský Krumlov,
Freistadt, Vyšší Brod

26. April bis 3. November 2013

Täglich von 09.00 bis 18.00 Uhr

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2013