Recht: Aktuelle steuerrechtliche Judikatur (Teil 1)

25.09.2013 | Service

Von Herbert Emberger*

1. Ausschließliche betriebliche Verwendung eines KFZ bei Vorhandensein eines Privat-PKW (Deutscher Bundesfinanzhof vom 4.12.2012, VIIIR 42/09)

Wenn einem Steuerpflichtigen ein betriebliches Fahrzeug zur Verfügung steht und es im privaten Bereich ein weiteres gibt, das hinsichtlich Ausstattung, Fahrleistung und Prestige gleichwertig ist, besteht nach Ansicht des Bundesfinanzhofs kein Grund für die Annahme, dass das betriebliche Fahrzeug auch für Privatfahrten benutzt wird. Das gleiche gilt, wenn ein für Familienzwecke (Einkäufe, Transport der Kinder usw.) geeigneteres gleichwertiges KFZ vorhanden ist. Eine private Nutzung des Betriebs-KFZ ist in derartigen Fällen auszuschließen. In der Steuerliteratur wird die Auffassung vertreten, dass diese Rechtsüberlegungen des deutschen Bundesfinanzhofs durchaus auch für die österreichische Rechtslage maßgeblich sein könnten.

2. Finanzstrafverfahren: Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe
(VfGH 1.10.2012, B 1070/11)

Von einem Strafgericht zu einer maximal neunmonatigen Freiheitsstrafe Verurteilte haben die Option einer Ersatzfreiheitsstrafe. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, dass diese Option, anstelle der Freiheitsstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe in Anspruch zu nehmen, bei von der Finanzstrafbehörde mit höchstens bis zu drei Monaten festgesetzten Freiheitsstrafen nicht besteht. Es wäre eine unsachliche Schlechterstellung eines im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Bestraften gegenüber einem im gerichtlichen Finanzstrafverfahren Verurteilten. Der Gesetzgeber stuft die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bei Finanzvergehen von Vornherein schon wegen der vergleichsweise geringeren Höhe des Hinterziehungsbetrags als weniger schwerwiegend ein als der gerichtlichen Kompetenz unterliegende Finanzdelikte und sieht daher bei ersteren eine geringere Strafdrohung vor. Das heißt die Option der Abwendung der Verbüßung einer kurzen Freiheitsstrafe durch Erbringung gemeinnütziger Leistungen gilt auch für eine von der Finanzstrafbehörde mit einer Freiheitsstrafe belegten Person.

3. KFZ-Kosten nach einem Verkehrsunfall auf der Fahrt von der Arbeitsstätte nach Hause – Werbungskosten (VwGH 19.12.2012, 2009/13/0015-6)

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Kosten für die Autoreparatur aufgrund eines Verkehrsunfalls bei der Fahrt von der Arbeitsstelle des Steuerpflichtigen nach Hause, die von der Versicherung nicht gedeckt waren, als Werbungskosten dem Grunde nach anerkannt. Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall können unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen. Das gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Tritt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinzu, kann dadurch der berufliche Veranlassungszusammenhang unterbrochen werden. Ob ein Verkehrsunfall also beruflich oder privat veranlasst ist, hängt vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab. Es handelt sich beim selbstverschuldeten Unfall um ein Fehlverhalten, das nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst ist. Dieses Fehlverhalten tritt aber dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht wurde. Bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich um eindeutig beruflich veranlasste Fahrten. Nach den genannten Grundsätzen können die Kosten für einen auf einer solchen Fahrt erlittenen Verkehrsunfall, und zwar zusätzlich zu den Pauschalbeträgen nach § 16 Abs 1 Z 6 UStG (Pendlerpauschale) als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil die Abgeltungswirkung des Pendlerpauschales nur die typischerweise für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anfallenden Kosten betrifft. Verkehrsunfallkosten sind keine solchen typischen Kosten, sodass bei entsprechend geringerem fahrlässigen Verschulden die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten nicht ausgeschlossen werden kann.

4. Verkehrsunfallkosten während einer Dienstfahrt – Werbungskosten
(VwGH 26.2.2013, 2010/15/0148)

Der VwGH setzt seine im Erkenntnis vom 19.12.2012 (2009/13/0015) getroffene Rechtsprechung auch in dieser Entscheidung fort. Das heißt Kosten eines während einer Dienstfahrt erlittenen Verkehrsunfalls können Werbungskosten darstellen, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht wurde. Verstöße im Straßenverkehr können auch auf leichter oder grober Fahrlässigkeit beruhen, wobei zum Beispiel leichte Fahrlässigkeit bei einem Auffahrunfall angenommen werden kann. Das Bedienen eines Autoradios im konkreten Fall im Bereich einer Autobahnabfahrt, somit eine Situation, die dem Autolenker besondere Aufmerksamt abverlangt, stellt ein Fehlverhalten dar, das gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft und für sich allein noch nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet. Die Kosten der unfallbedingten Aufwendungen, die wegen Aufmerksamkeitsdefizit verursacht wurden, und zwar aufgrund eines Auffahrunfalls, können also als Werbungskosten abgezogen werden. Es kann ihnen nicht die berufliche Veranlassung abgesprochen werden. Siehe dazu auch die Folgeentscheidung des UFS vom 7.3.2013, RV/0080-L/08.

5. Ablehnung der mündlichen Berufungsverhandlung im Umsatzsteuerverfahren – Rechtsverletzung bzw. Verletzung der EU-Grundrechte (VwGH 23.1.2013, 2010/15/0196)

Umsatzsteuerverfahren fallen in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Für das Abgabenverfahren ergibt sich daher das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Unterbleibt die mündliche Verhandlung, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, liegt eine zur Bescheidaufhebung führende Rechtsverletzung vor. Dem rechtswidrigen Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung gleichzuhalten ist es, wenn zwar eine Verhandlung durchgeführt worden ist – wie im konkreten Fall -, der Partei aber die Ladung zur Verhandlung erst nach Durchführung der Verhandlung wirksam zugestellt wird.

6. Fahrtkosten eines Behinderten zur Heilbehandlung – außergewöhnliche Belastung (VwGH 23.1.2013, 2009/15/0094)

Durch den pauschalen Freibetrag für ein Kraftfahrzeug wegen Behinderung wird nur jener Mehraufwand als außergewöhnliche Belastung anerkannt beziehungsweise abgedeckt, der einem Behinderten für gewöhnlich entsteht, wenn er in Folge seiner Behinderung kein Massenverkehrsmittel benützen kann. Dass durch die Inanspruchnahme dieses Freibetrags alle Mehraufwendungen für Fahrten mit diesem KFZ abgegolten sind, kann nicht abgeleitet werden. Es ist daher dem Unabhängigen Finanzsenat zuzustimmen, dass der Freibetrag nur jenen Mehraufwand abdeckt, der Behinderten durch die nichtberufliche Mehrbenützung, also sämtliche Privatfahrten des PKW gegenüber gesunden Abgabenpflichtigen entsteht. Zusätzlich sind u.a. Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen, wobei zu den Kosten der Heilbehandlung auch die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten zählen.

7. Umbau eines Badezimmers durch eine Behinderte – außergewöhnliche Belastung
(UFS 30.5.2012, RV/1117-W/11; ähnlich auch UFS vom 31.1.2013, RV/3181-W/12)

Investitionen in Wohnungen oder Einfamilienhäuser wie zum Beispiel die Einrichtung eines zweiten Badezimmers sind grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung, da sie zu keiner Vermögensminderung, sondern bloß zu einer Vermögensumschichtung führen.

Im konkreten Fall musste aber das zusätzliche, also zweite Badezimmer aufgrund der fast völligen Erblindung der Steuerpflichtigen und der schwerwiegenden Abnützung der Kniegelenke gebaut werden, das heißt es konnte das erste Badezimmer im Erdgeschoß nicht benützt werden. Die Einbauten und Einrichtungsgegenstände waren also behinderungsgerecht vorzunehmen beziehungsweise anzuschaffen. Der UFS zählt dann auch die konkreten behindertenorientierten notwendigen Anschaffungen auf wie zum Beispiel Wandhaltegriffe beim WC, Ablagebox, Duschrinne mit Wandzarge, Abdeckung der Duschrinne, Fliesenarbeiten und anteilige Montagekosten, soweit sie aufgrund der Ersetzung der Badewanne durch eine Brause durchzuführen waren. Diese Kosten sind als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Nicht anerkannt wurden Anschaffungen wie Handbrause, Badheizkörper, Flachspül-WC oder Elektroinstallationen, da dafür eben Gegenwerte geschaffen worden sind, die Gebäudeinvestitionen auch für einen nichtbehinderten allfälligen Käufer darstellen.

8. Kosten einer Infrarottiefenwärmekabine zu Gesundheitsbehandlungen – keine außergewöhnliche Belastung (UFS 26.11.2012, RV/1211-W/09)

Der Steuerpflichtige hatte eine Bandscheibenoperation, jeweils eine Operation der linken und rechten Hand, ein Karpaltunnelsyndrom sowie sieben Operationen am linken Knie, er hat überdies eine Lebensmittelallergie auf Eiweiß sowie hohe Leberwerte. Der Erwerb einer Infrarottiefenwärmekabine wurde dem Steuerpflichtigen von einem Orthopäden aufgrund der langen Wartezeiten zwischen Operation und Rehab-Maßnahmen empfohlen. Der UFS hat die Anerkennung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung abgelehnt, dies u.a. mit der Begründung, dass für die Abzugsfähigkeit nachweislich eine Krankheit vorliegen muss und die Maßnahmen, die hier geltend gemacht werden, müssen zur Heilung oder Linderung geeignet sein. Die Erhaltung der Gesundheit und Vorbeugungsmaßnahmen führen grundsätzlich zu keiner Zwangsläufigkeit der Ausgaben. Die Behandlung muss also medizinisch indiziert sein, eine Empfehlung des Orthopäden ist keine ärztliche Verschreibung. Nur vermögensmindernde Ausgaben sind überdies absetzbar, Umschichtungsaufwendungen, die den Wert des Gebäudes erhöhen, sind keine außergewöhnliche Belastung.

Teil 2 erscheint in der nächsten Ausgabe der ÖÄZ.

*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2013