Steuer: Aktuelle Judikatur – Teil 1

10.02.2013 | Service

Von Herbert Emberger*

1. Vermehrung von Knorpelzellen zur Reimplantation: unecht umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin (EuGH vom 18.11.2010, C-156/09)

Die unecht umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und so weit wie möglich Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Zwar müssen die Heilbehandlungen einem therapeutischen Zweck dienen, doch folgt daraus nach der Rechtsprechung nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zweckbestimmtheit der Leistung in einem besonders engen Sinn zu verstehen ist. Das Verfahren der Entnahme von Knorpelmaterial, um daraus Gelenkknorpelzellen herauszulösen, die vermehrt werden, um sie dem Patienten wieder zu implantieren, dient insgesamt einem solchen therapeutischen Zweck. Diese Dienstleistung bildet einen unerlässlichen Bestandteil des Therapieverfahrens, deren einzelne Abschnitte nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können. Ohne Belang ist es, dass diese Dienstleistungen vom Laborpersonal erbracht werden, das nicht aus qualifizierten Ärzten besteht, weil es nicht notwendig ist, dass jeder Aspekt einer therapeutischen Behandlung vom medizinischen Personal durchgeführt wird.

2. Betriebsbeginn – Betriebsausgabenpauschalierung im ersten Jahr (VwGH vom 25.10.2011, 2008/15/0200)

An sich kann die Betriebsausgabenpauschalierung (sechs beziehungsweise zwölf Prozent) nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Umsätze des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 220.000 Euro betragen. Da im Jahr der Betriebseröffnung das vorangegangene Wirtschaftsjahr als Vergleichszeitraum fehlt, kann trotzdem die Betriebsausgabenpauschalierung schon im ersten Jahr in Anspruch genommen werden – vorausgesetzt, dass die Umsatzgrenzen von 220.000 Euro in diesem Jahr nicht überschritten werden.
 

3. Musiktherapeut – keine unechte Umsatzsteuerbefreiung (VwGH 29.2.2012, 2008/13/0141)

Da der Musiktherapeut in der Aufzählung der unecht umsatzsteuerbefreiten Umsätze (§ 6 Abs 1 Z 19 UStG 1994) nicht angeführt ist, unterliegen seine Leistungen der Umsatzsteuer. Er ist also nicht umsatzsteuerbefreit.

4. Disziplinarstrafen – keine Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten (VwGH v. 29.3.2012, 2009/15/0035)

Bei Geldstrafen (Disziplinarstrafen) ist davon auszugehen, dass die Verhängung durch das Verhalten des Betreffenden ausgelöst wird. Die Zuwiderhandlungen, die zur Bestrafung geführt haben, fallen nicht in den Rahmen der normalen Betriebsführung und haben ihre Ursache im schuldhaften Verhalten des Betreffenden. Diese Strafen sind keine Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten, was dann im Abgabenänderungsgesetz 2011 auch ausdrücklich festgestellt ist.


5. Kosten einer neuen Wohnung – außergewöhnliche Belastung (UFS 22.12.2011, RV/0283-W/10)

Um abzugsfähig zu sein, müssen die Belastungen außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen, wobei kein Selbstbehalt abgezogen wird, wenn die Mehraufwendungen aufgrund einer Behinderung entstehen. Das heißt freiwillig getätigte Aufwendungen finden grundsätzlich keine Berücksichtigung. Wenn aber infolge einer Körperbehinderung oder einer anderen akuten Notlage die Benutzung der Wohnung nicht mehr zumutbar ist und eine neue erworben werden muss, so sind die damit unmittelbar zusammenhängenden Kosten (Umzugskosten, Baukostenzuschüsse, Maklergebühren, Mehraufwendungen für die Ersatzwohnung) als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

6. Kosten für die Ausbildung der Ehefrau – keine Werbungskosten (UFS 19.1.2012, RV/0214-K/11; ähnlich UFS vom 25.7.2012, RV/1250-W/12)

Zu den abzugsfähigen Werbungskosten zählen u.a. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten Tätigkeit. Diese Werbungskosten müssen allerdings mit der eigenen beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Zusammenhang stehen, um steuerlich abzugsfähig zu sein. Da die geltend gemachten Aufwendungen nicht die eigene berufliche Tätigkeit betreffen, sondern vielmehr die Ausbildung für eine wahrscheinlich in der Zukunft liegende berufliche Tätigkeit der Ehegattin, sind sie beim Ehegatten nicht als Werbungskosten abzugsfähig.


7. Kosten der Tätigkeit eines Parapsychologen – keine außergewöhnliche Belastung (UFS 10.4.2012, RV/0047-L/10)

Beim Sohn des Beschwerdeführers liegt ein angeborenes Down-Syndrom vor, der Grad der Behinderung wurde mit 50 Prozent festgestellt. Es wurden die Leistungen eines Parapsychologen in Anspruch genommen, die Kosten wurden als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Ein ärztliches Gutachten zum Nachweis dafür, dass die Tätigkeit dieses nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Parapsychologen aus medizinischen Gründen zur Heilung und Linderung der Krankheit erforderlich war, konnte nicht beigebracht werden. Aufzeichnungen über den Therapieverlauf liegen ebenfalls nicht vor. Die Behandlung wurde also weder ärztlich verordnet noch wurden die Kosten von einem Sozialversicherungsträger ersetzt. Zwar sind Aufwendungen für Maßnahmen der Außenseitermethoden nicht grundsätzlich von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Voraussetzung ist aber, dass die medizinische Notwendigkeit erwiesen ist. Krankheitskosten, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung mangelt, können zwangsläufig erwachsen, wenn der Steuerpflichtige an einer Krankheit mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung leidet, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht. Ihre Grenze findet die Abzugsfähigkeit von Kosten für Außenseitermethoden allerdings, wenn die Behandlung von einer Person vorgenommen wird, die nicht zur Ausübung der Heilbehandlung zugelassen ist. Die vom Parapsychologen im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit, ohne mit dem Patienten jemals persönlich zusammengetroffen zu sein, ohne jegliche ärztliche Verordnung, ohne ärztliche Begleitung beziehungsweise Dokumentation der Therapie stellt also keinen zielgerichteten Eingriff zur Heilbehandlung dar und die Kosten sind keine außergewöhnliche Belastung.


8. Institut für Computertomographie – umsatzsteuerpflichtige Krankenanstalt? (UFS 16.4.2012, RV/0498-G/10)

Krankenanstalten sind mit einem Steuersatz von zehn Prozent umsatzsteuerpflichtig, freiberuflich tätige Ärzte sind unecht umsatzsteuerbefreit. Zur Abgrenzung, ob die Tätigkeit des Arztes noch unter das Ärztegesetz oder bereits unter das Krankenanstaltenrecht fällt, kann auch auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zurückgegriffen werden. Danach ist als unterscheidendes Merkmal zwischen Ambulatorien und den Arztpraxen bei ersteren eine organisatorische Einrichtung, bei Ordinationen die medizinische Eigenverantwortlichkeit eines selbst behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten maßgeblich. Bei Ambulatorien liegt ein Behandlungsvertrag nicht nur mit dem Arzt, sondern auch mit der Einrichtung, die unter sanitätsbehördlicher Aufsicht steht, vor. In der Regel weisen Krankenanstalten eine Anstaltsordnung auf. Die krankenanstaltenrechtliche Bewilligung ist zwar Indiz für die Frage der Steuerpflicht. Es reicht aber die formelle Anerkennung als Krankenanstalt dann nicht aus, wenn die tatsächlich erbrachten Leistungen nicht dem wirtschaftlichen Bild einer Krankenanstalt entsprechen. Im Konkreten ist unbestritten, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus drei Fachärzten, ein Institut in der Rechtsform einer Krankenanstalt betreibt. Freiberuflich tätige Ärzte haben die Verpflichtung, ihren Beruf persönlich und unmittelbar auszuüben. Das Krankenanstaltenrecht sieht hingegen zwingend vor, dass bei Verhinderung des ärztlichen Leiters dieser durch einen geeigneten Arzt vertreten sein muss, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, dass mindestens zwei Ärzte der Krankenanstalt zur Verfügung stehen. Überdies hat sich nicht nur die Organisation, sondern auch das Leistungsangebot objektiv von einer Facharztpraxis unterschieden (Computertomographie). Das Institut ist somit eine umsatzsteuerpflichtige Krankenanstalt. Der vom Steuerpflichtigen gestellte Antrag auf Nachholung der seinerzeit wegen der unechten Umsatzsteuerbefreiung unterlassenen Vorsteuerabzüge wurde insofern ebenfalls abgewiesen, als ein nicht zeitgerecht gemachter Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 10 oder 11 UStG 1997 nicht nachgeholt werden kann.

9. Sonderklassegebühren – außergewöhnliche Belastung (UFS vom 26.4.2012, RV/1184-L/11)

Sonderklassegebühren können zwar dann zwangsläufig erwachsen mit der Folge der Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Voraussetzung ist jedoch, dass die höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden. Die Argumentation alleine, dass eine sofortige Operation an der Sonderklasse möglich gewesen wäre beziehungsweise eine Operation auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Wartezeit von sechs Monaten geführt hätte, ist keine schlüssige Begründung für die außergewöhnliche Belastung. Es fehlt der Hinweis, dass eine medizinische Behandlung außerhalb der Sonderklasse zu einem sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteil führen würde. In der medizinischen Versorgung ergibt sich keine Unterscheidung zwischen Patienten der Sonderklasse und denjenigen der allgemeinen Krankenversicherung. Daher sind die Sonderklassekosten im konkreten Fall keine außergewöhnliche Belastung.

Teil 2 erscheint in der nächsten Ausgabe der ÖÄZ.

*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2013