Recht: Delegation von ärztlichen Tätigkeiten

25.05.2013 | Service


Seit das MAB-Gesetz (Medizinische Assistenzberufe-Gesetz) in Kraft ist, gibt es bei den gesetzlich geregelten Berufen eine neue Berufsgruppe, die in der Radiologie ärztlich delegierte Tätigkeiten durchführen kann. Die Art der Tätigkeit hängt vom Qualifikationsniveau und von der jeweiligen Verantwortungsbeziehung ab.
Von Renate Wagner-Kreimer*


I. Ausgangspunkt – Delegation ärztlicher Tätigkeit:

Grundsätzlich ist der Arzt zur Ausübung der Medizin berufen. Er ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen sowie das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.

Er kann zur Mithilfe Hilfspersonen beiziehen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter einer ständigen Aufsicht handeln. Hilfspersonen verfügen über keine spezielle medizinische Ausbildung beziehungsweise Qualifikation und sind ausschließlich zur Unterstützung des Arztes selbst (Hilfe beim Anlegen von Verbänden, Halten von Gliedmaßen, Vorbereitung und Zureichung von medizinischen Instrumenten) berechtigt. Der Arzt trägt die volle Verantwortung für deren Tätigwerden.

Der Arzt kann aber auch im Einzelfall an Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder in Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf stehende Personen ärztliche Tätigkeiten übertragen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufes umfasst sind (vgl. § 49 Abs. 3 Ärztegesetz 1998). Angehörige von Gesundheitsberufen verfügen über eine medizinische Ausbildung – und können daher je nach Qualifikationsniveau delegierte ärztliche Tätigkeiten übernehmen und ausführen.

In diesem Sinne erfolgt die Delegation durch den Arzt unter Berücksichtigung des gesetzlich definierten Berufsbildes sowie Tätigkeitsbereiches des jeweiligen Gesundheitsberufes (vgl. z.B. MABG, MTF-SHD-G, MTD-Gesetz, GuKG) sowie nach Maßgabe, ob das Berufsgesetz eine Aufsicht vorsieht oder die übertragene Tätigkeit eigenverantwortlich ausgeführt wird. Die genannten Bestimmungen legen somit den Handlungsrahmen und die Verantwortungsbeziehungen fest, innerhalb welcher eine Tätigkeit in einem arbeitsteiligen Prozess delegiert werden kann.

Aus berufsrechtlicher Sicht bedeutet die Übernahme der delegierten Tätigkeit in Eigenverantwortung die Pflicht, für das eigene Handeln beziehungsweise Unterlassen selbst Verantwortung zu tragen und die Handlungen nach den Regeln seiner Kunst durchzuführen (Durchführungsverantwortung). Die Anordnungsverantwortung bleibt immer beim Arzt.

Ist im Berufsrecht des jeweiligen Gesundheitsberufes eine Aufsicht normiert, so kann sich diese in unterschiedlicher Weise gestalten. Grundsätzlich handelt es sich um eine Fachaufsicht, deren Intensität von der Art der Tätigkeit, Gefahrengeneigtheit, Komplexität des Krankheitsbildes beziehungsweise Gefährdungspotential der angeordneten medizinischen Maßnahme, Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Untersuchungsprogrammes (zum Beispiel einfaches standardisiertes Verfahren ohne Eingriffsmöglichkeiten), den individuellen Fähigkeiten und von der Berufserfahrung des Angehörigen eines Gesundheitsberufes abhängt. Der Grad der Aufsicht ist im Einzelfall zu beurteilen. Die Aufsicht dient jedenfalls der Kontrolle des Verhaltens sowie zur Sicherstellung, dass die delegierte ärztliche Tätigkeit in Übereinstimmung mit den Vorgaben beziehungsweise vorhandenen Richtlinien durchgeführt wird. Jedenfalls bedarf es zur Aufsicht nicht der ständigen Gegenwart des aufsichtspflichtigen Arztes, wie es beispielsweise bei Hilfspersonen der Fall ist. Es obliegt dem Arzt zu bestimmen, welche Distanz – auch unter Berücksichtigung der genannten Umstände – vertretbar ist.

Dessen ungeachtet besteht im Rahmen von Dienstverhältnissen eine – sich nicht aus dem jeweiligen Berufsrecht, sondern dem Dienstverhältnis ergebende – fachliche Weisungsbindung.

II. Tätigkeitsbereiche der jeweiligen Gesundheitsberufe

Delegiert der Arzt in einem arbeitsteiligen Prozess ärztliche Tätigkeiten, sind unterschiedlichste Rechtsgrundlagen zu beachten.

Zum einen legt das Berufsrecht des jeweiligen Angehörigen des Gesundheitsberufes, der die Tätigkeit übernehmen soll, den Tätigkeitsbereich fest. Es handelt sich um eine Beschreibung des Berufsbildes beziehungsweise der Tätigkeiten, in denen der Angehörige des Gesundheitsberufes Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hat. Zum anderen wird dort auch die Verantwortungsbeziehung geregelt.

Anwendungsbeispiele werden in der Folge für den Bereich der Radiologie (insbesondere im CT/MR) erörtert. Der Arzt hat unter Beachtung der folgenden berufsrechtlichen Grundlagen, die jeweils Tätigkeitsbereiche sowie Verantwortungsbeziehungen regeln, folgende Delegationsmöglichkeiten an Angehörige von Gesundheitsberufen:

1) Radiologietechnologe

a) Tätigkeitsbereich (§ 2 Abs. 3 MTD-Gesetz)
„Der radiologisch-technische Dienst umfasst die eigenverantwortliche Ausführung aller radiologisch-technischen Methoden nach ärztlicher Anordnung bei der Anwendung von ionisierenden Strahlen wie diagnostische Radiologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin und anderer bildgebender Verfahren wie Ultraschall und Kernspinresonanztomographie zur Untersuchung und Behandlung von Menschen sowie zur Forschung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Weiters umfasst der radiologisch-technische Dienst die Anwendung von Kontrastmitteln und Radiopharmazeutika nach ärztlicher Anordnung und nur in Zusammenarbeit mit Ärzten.“

b) ärztliche Anordnung (§ 49 Abs. 3 Ärztegesetz)
Es bedarf jedenfalls der ärztlichen Anordnung, jedoch keiner Aufsicht. Die im Berufsbild von Radiologietechnologen genannten Tätigkeiten werden grundsätzlich eigenverantwortlich ausgeübt. Die Anordnungsverantwortung verbleibt bei der Ärztin/beim Arzt, Radiologietechnologen tragen die Durchführungsverantwortung.

Das heißt für die ärztliche Praxis:

  • Anordnung von Schnittbilduntersuchungen mittels CT beziehungsweise mittels MR nach Untersuchung und Befundung (Diagnose) gemäß §§ 2 und 49 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 iVm § 2 MTD-Gesetz.
  • Eigenverantwortliche Durchführung von Schnittbilduntersuchungen mittels CT beziehungsweise MR nach ärztlicher Anordnung durch Radiologietechnologen.

Der Arzt kann aufgrund des hohen Ausbildungsstandes der Angehörigen der gehobenen medizinisch-technischen Dienste von einer eigenverantwortlichen Ausführung ausgehen.

2) Röntgenassistenz gemäß MABG:

a) Tätigkeitsbereich (Rechtsgrundlage: § 10 MABG)
„Der Tätigkeitsbereich der Röntgenassistenz umfasst die Durchführung von einfachen standardisierten Röntgenuntersuchungen sowie die Assistenz bei radiologischen Untersuchungen.“

Dazu zählen auch

  • „die Vornahme einfacher standardisierter Tätigkeiten bei Schnittbilduntersuchungen mittels Computertomographie im Rahmen der Assistenz bei radiologischen Untersuchungen“,
  • „die Vornahme einfacher standardisierter Tätigkeiten bei Schnittbilduntersuchungen mittels Magnetresonanztomographie im Rahmen der Assistenz bei radiologischen Untersuchungen“.


b) Anordnung und Aufsicht

Die medizinischen Assistenzberufe werden nach ärztlicher Anordnung und unter ärztlicher Aufsicht tätig. Die Aufsicht kann auch durch Radiologietechnologen erfolgen, wenn der Arzt dies anordnet. Zulässig ist auch die Weiterdelegation der ärztlichen Tätigkeit nach Maßgabe der ärztlichen Anordnung im Einzelfall durch Radiologietechnologen.

3) Medizinisch-technischer Fachdienst

a) Tätigkeitsbereich (§ 37 MTF-SHD-Gesetz)
„Der medizinisch-technische Fachdienst umfasst die Ausführung einfacher medizinisch-technischer Hilfeleistungen bei der Anwendung von Röntgenstrahlen zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken“.

b) Anordnung und Aufsicht
Diese Tätigkeiten dürfen nur nach ärztlicher Anordnung und unter ärztlicher Aufsicht vorgenommen werden. Korrespondierend dazu normiert § 54 Abs. 1 MTF-SHD-G, dass Berufsangehörige den Anordnungen des verantwortlichen Arztes Folge zu leisten haben. Jede eigenmächtige Heilbehandlung ist zu unterlassen.

4) Medizinisch-technischer Fachdienst im Rahmen der Übergangsbestimmung

a) Tätigkeitsbereich (Rechtsgrundlage: § 38 MABG)

Angehörige des medizinisch-technischen Fachdienstes sind nach den Übergangsbestimmungen zum MABG auch zur Ausübung der Röntgenassistenz nach den Bestimmungen des MABG berechtigt.

Darüber hinaus dürfen Angehörige des medizinisch-technischen Fachdienstes, die über längere Berufserfahrung verfügen, nach Bewilligung des Landeshauptmannes beispielsweise folgende Tätigkeiten ausführen (vgl. § 38 MABG):

5. Durchführung von Schnittbilduntersuchungen mittels Computertomographie,

6. Durchführung von Schnittbilduntersuchungen mittels Magnetresonanztomographie.

Die Berechtigung des Landeshauptmanns ist dann auszustellen, wenn nachgewiesen wird, dass
1. einzelne Tätigkeiten des radiologischtechnischen Dienstes (zum Beispiel Durchführung von Schnittbilduntersuchungen mittels CT, MR) oder
2. der medizinisch-technische Fachdienst ohne Aufsicht ausgeführt wurde. Damit erhalten die Antragsteller die entsprechende Berechtigung, diese Tätigkeiten (eventuell ohne Aufsicht) weiterhin auszuüben.

Diese Übergangsbestimmung trifft jedoch lediglich für Angehörige des diplomierten medizinisch-technischen Fachdienstes zu, die bereits über eine längere Berufserfahrung verfügen. Sie müssen in den letzten acht Jahren mindestens 36 Monate beziehungsweise 30 Monate lang tätig gewesen sein; trifft letzteres zu, ist eine Prüfung zu absolvieren. Angehörige des medizinisch-technischen Fachdienstes, die nicht über diese Berufserfahrung verfügen, sowie in Ausbildung stehende medizinisch-technische Fachkräfte (Schüler) fallen nicht unter die Übergangsbestimmung. Ihre Berufsberechtigung richtet sich entweder nach dem MAB-Gesetz (§ 10 iVm § 37 MABG, vgl. oben Punkt 1) oder nach § 37 MTFSHD-Gesetz (vgl. Punkt 2).

b) Anordnung und Aufsicht
Es bedarf somit jedenfalls der ärztlichen Anordnung. Die Aufsicht kann – wenn eine entsprechende Bewilligung des Landeshauptmannes vorliegt – entfallen.

Zusammenfassung

Grundsätzlich bestehen unterschiedliche Delegationsmöglichkeiten für den Arzt. Diese sind differenziert zu betrachten und nicht immer leicht anzuwenden. Für die Ausführung folgender Tätigkeiten bedarf es jedenfalls immer einer ärztlichen Anordnung:

Der Gesetzgeber verwendet folgende Terminologie:

  • Eigenverantwortliche Ausführung aller radiologisch-technischen Methoden durch die Radiologietechnologen;
  • Hilfeleistungen bei der Anwendung von Röntgenstrahlen zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken unter ärztlicher Aufsicht durch den medizinischtechnischen Fachdienst;
  • (eigenverantwortliche) Durchführung von Schnittbilduntersuchungen mittels CT beziehungsweise MR (ohne Aufsicht, wenn im Bescheid des Landeshauptmanns festgestellt) durch den medizinisch-technischen Fachdienst (im Rahmen der Übergangsbestimmung);
  • Vornahme einfacher standardisierter Tätigkeiten bei Schnittbilduntersuchungen mittels CT beziehungsweise MR im Rahmen der Assistenz, unter ärztlicher Aufsicht durch Röntgenassistenten (die Aufsicht kann nach Maßgabe der ärztlichen Anordnung auch durch Radiologietechnologen erfolgen).

Die zuletzt genannten Tätigkeiten werden im Rahmen der Assistenz von Ärzten ausgeführt. Der Arzt trägt – ebenso wie bei der Delegation ärztlicher Tätigkeiten an den gehobenen medizinisch-technischen Dienst – die Anordnungsverantwortung. Gerade weil hier das Berufsbild keine eigenverantwortliche Durchführung vorsieht, ist aber der Arzt auch zur Aufsicht – falls er sie nicht an den gehobenen Dienst weiterdelegiert – verpflichtet. Die Intensität der Aufsicht gestaltet sich unterschiedlich je nach Komplexität des Falles, individuellen Fähigkeiten etc. Die Intensität ist im Einzelfall vom Arzt zu beurteilen.

Auch aus der Formulierung des gesetzlich festgelegten Tätigkeitsbereiches ist die Reichweite der Befugnis (Durchführung/Assistenz) erkennbar. Jedenfalls ist auf Grund der absolvierten Ausbildung nicht nur eine Mithilfe von Hilfspersonen, sondern die Übernahme bestimmter ärztlicher Tätigkeiten gewollt. In dem Zusammenhang stellt sich beispielsweise in der radiologischen Praxis die Frage, was unter „Vornahme einfacher standardisierter Tätigkeiten bei Schnittbilduntersuchungen mittels CT beziehungsweise MR im Rahmen der Assistenz“ subsumiert werden kann. Aus medizinischfachlicher Sicht bedeutet das die Vornahme von CT- und MRT-Untersuchungen nach ärztlicher Anordnung unter Anwendung von aus Speichermedien abrufbaren, vordefinierten Untersuchungsprotokollen. Die Ausführung ist eine einfache Tätigkeit, die außerdem unter (ärztlicher) Aufsicht und somit in enger Verantwortungsbeziehung zum Arzt ausgeführt wird.

Eine eigenverantwortliche Abänderung oder Neudefinition der Untersuchungsprotokolle an CT und MRT – wie es unter Umständen für RT und MTF, die in die Übergangsbestimmungen (Durchführung von CT/MR) fallen, möglich wäre, wenn dies der Arzt anordnet beziehungsweise nicht ausschließt, ist für Radiologieassistenten allerdings nicht zulässig.


*) Dr. Renate Wagner-Kreimer ist Juristin in der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2013