Breite Ablehnung erntet der Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, wonach die Substitutionstherapie eingeschränkt werden soll. Der Vorschlag sei kontraproduktiv, unverantwortlich und Wahlkampfgeplänkel.
Als „unverantwortlichen Rückschritt für jeden einzelnen Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft“ kritisierte ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger die Forderung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die Substitutionstherapie einzuschränken. Durch die Substitutionstherapie werde die Reintegration Suchtkranker möglich, was wiederum auch Beschaffungskriminalität verhindere und positive Effekte für die gesamte Gesellschaft habe, so der ÖÄK-Präsident. An die Politik wiederum richtete er die Forderung, die ärztliche Therapiefreiheit bei der Behandlung von Kranken zu respektieren. Wechselberger weiter: „Wenn sich die Politik in Behandlungsfragen einbringen will, dann soll sie die psychosozialen Behandlungsmöglichkeiten ausbauen, die eine notwendige Ergänzung der Substitutionstherapie darstellen.“
„Suchtkranke gehören zum Arzt, nicht zur Polizei“, empörte sich auch Gesundheitsminister Alois Stöger. Es sei nicht akzeptabel, dass Politik „auf dem Rücken von Suchtkranken“ gemacht werde. In der Steiermark setze man auf die Substitution als „festen und anerkannten Bestandteil“ der 2011 erarbeiteten Suchtpolitik, so die steirische Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder. Davon würden alle profitieren, weil sie auf den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung abziele. Der Kärntner Landes-Gesundheitsreferent Peter Kaiser sieht in der Forderung von Mikl-Leitner „wohl mehr den populistischen Versuch, eine Schlagzeile zu ergattern, denn verantwortungsvolle Politik“.
Der Salzburger Gesundheitsreferent Walter Steidl sieht „überhaupt keinen Anlass dazu, den in Österreich seit Jahrzehnten geltenden Ansatz ‚Therapie statt Strafe‘ infrage zu stellen“. Mit ihrem Vorschlag treibe die Innenministerin chronisch Kranke in die Kriminalität. Und Univ. Prof. Kurt Grünewald, Gesundheitssprecher der Grünen, meinte: „Hier wird vor den Wahlen billiges Kleingeld für ein konservatives Klientel gemacht. Und das auf Kosten der Betroffenen.“
Ärztliche Fortbildung fördern
Zuspruch für die „geeignetste und international etablierte Form der Behandlung von opiatabhängigen Patienten, um das chronische Erkrankungsbild zu stabilisieren und gesellschaftspolitischen Schaden abzuwenden“, kommt auch vom Obersten Sanitätsrat. Denn eine tägliche Therapie koste circa acht Euro; ein Tag im Gefängnis dagegen mehr als 100 Euro. Auch Massen-Präventionsprogramme kosteten mehr Geld als sie Nutzen bringen und seien „antiquiert“, fügt Univ. Prof. Gabriele Fischer, Drogenexpertin im Obersten Sanitätsrat und Leiterin der Drogenambulanz am AKH Wien hinzu: „Österreich hat Millionen und Abermillionen für solche Projekte ausgegeben und nichts erreicht.“ Fördern müsse man viel eher die Qualität der Aus- und Fortbildung der Ärzte in der Substitutionstherapie.
Die Bedeutung des Behandlungsnetzes betont auch Alexander David, Drogenbeauftragter der Stadt Wien und einer der ersten, der 1987 Opiatabhängige mit Methadon behandelt hat: „Wir haben die Substitutionstherapie zum Hausarzt hin gebracht. Wir brauchen die Hausärzte, wir brauchen auch unbedingt die Psychiater und wir brauchen die spezialisierten Zentren.“ Die Forderung von Hans Haltmayer, Referent für Substitution und Drogentherapie in der Wiener Ärztekammer: „Man sollte einen noch besseren Zugang zur Drogensubstitution schaffen und zwar in ganz Österreich. Das sollte niedrigstschwellig möglich sein.“
Interview: „Das macht mich fassungslos!“ ÖÄZ: Welche Fakten wollen Sie – im Gegensatz zum Vorstoß von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner – in den Mittelpunkt rücken? |
Reaktionen aus der Politik „… Suchtkranke gehören zum Arzt, nicht zur Polizei …“ – Alois Stöger, Gesundheitsminister „… Wahlkampf auf dem Rücken chronisch Erkrankter …“ – Sonja Wehsely, Wiener Gesundheitsstadträtin „… mehr der populistische Versuch, eine Schlagzeile zu ergattern, denn verantwortungsvolle Politik …“ – Peter Kaiser, Kärntner Gesundheitsreferent „… Innenministerin treibt chronisch Kranke in die Kriminalität …“ – Walter Steidl, Salzburger Gesundheitsreferent „… Substitution erhöht Schutz und Sicherheit der Bevölkerung …“ – Kristina Edlinger-Ploder, Gesundheitslandesrätin Steiermark „… Substitution ist bewährte Praxis ohne wirkliche Alternative …“ – Kurt Grünewald, Gesundheitssprecher „Grüne“ „… besseren, niedrigst schwelligen Zugang in ganz Österreich schaffen …“ – Hands Haltmayer, Referent für Substitution und Drogentherapie in der Wiener Ärztekammer |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 /10.03.2013