Landärzte: Dringend gesucht!

10.03.2013 | Politik

Exakt 1.563 Landärzte sind für die hausärztliche Versorgung der Bevölkerung derzeit verantwortlich. Doch in den nächsten zehn Jahren geht mehr als die Hälfte aller derzeit aktiven Landärzte in Pension. Nachwuchs ist nicht in Sicht. Um eine Trendwende zu erzielen, ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig.
Von Agnes M. Mühlgassner

Es war ein leidenschaftliches Plädoyer für den Landarzt, das Gert Wiegele, Arzt in der Kärntner 3.000-Seelen Gemeinde Weißenstein, kürzlich bei einer Pressekonferenz in Wien abgelegt hat: „Ich bin schon seit 30 Jahren Landarzt und ich würde es sofort wieder werden.“ Wenn Wiegele, der Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin in der ÖÄK ist, davon spricht, dass es „Probleme geben wird, wenn die Basisversorgung nicht funktioniert“, kann man davon ausgehen, dass er weiß, wovon er spricht. So sind viele Landärzte auch gleichzeitig der erste Ansprechpartner, wenn es um den raschen und unbürokratischen Zugang zu Medikamenten geht – in der Ordination und auch bei Hausbesuchen. Nicht nur das: Landärzte sind oft auch Sprengelärzte, für die Totenbeschau zuständig, entscheiden über eine allfällige Unterbringung und viele von ihnen sind darüber hinaus noch unentgeltlich bei der Feuerwehr und Bergrettung tätig.

Doch die Spezies „Landarzt“ ist vom Aussterben bedroht. Viele Ordinationen – besonders in ländlichen Regionen – können trotz mehrfacher Ausschreibung nicht nachbesetzt werden. „Dieses Landarzt-Sterben bedrückt mich sehr“, sagt Wiegele. Auch wenn die Politiker seit vielen Jahren davon reden, dass die Stellung des Hausarztes verbessert werden müsse – geschehen sei bis dato nichts. „Die Politik muss endlich Maßnahmen setzen, damit die Primärversorgung möglich wird“, so der Appell von Wiegele. Dazu gehören etwa bessere Bedingungen für Gruppenpraxen – allerdings dürften die Honorare dann nicht auf mehrere Ärzte aufgeteilt, sondern das Honorarangebot müsste erhöht und entsprechend verändert werden, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen, die es u.a. auch Frauen ermöglichen, sich für eine solche Tätigkeit zu entscheiden.

Der Status quo ist Besorgnis erregend: 40 Prozent aller Kassenmediziner sind per definitionem (als Allgemeinmediziner mit GKK-Vertrag in einer Gemeinde mit bis zu maximal 3.000 Einwohnern oder wer als einer von maximal zwei Kassen-Allgemeinmedizinern in einer Gemeinde eine Ordination betreibt) Landärzte. In absoluten Zahlen sind das 1.563 Ärztinnen und Ärzte, die für die hausärztliche Versorgung von 43 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zuständig sind. Der Blick in die Zukunft stimmt nachdenklich: Ein Viertel aller derzeit aktiven Landärzte geht in den nächsten fünf Jahren in Pension, in den nächsten zehn Jahren sind es sogar mehr als die Hälfte – wenn man vom regulären Pensionsalter ausgeht.

In 15 Jahren: Ärztemangel

Wieso gerade die Landärzte nun in den Mittelpunkt des Interesses rücken, erklärt ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger folgendermaßen: „In den nächsten zehn bis 15 Jahren kommt ein Mangel an Ärzten in Österreich auf uns zu, und das wird vorrangig die Landärzte betreffen.“ Es sei nicht nur eine Tatsache, dass es jetzt schon zu wenig Ärzte-Nachwuchs gibt, sondern auch die Bereitschaft, Landarzt zu werden, sinke. Die Ursachen für diese Entwicklung sind laut Wechselberger mannigfaltig: Viele junge Kollegen und Kolleginnen seien in der Stadt sozialisiert worden und wollten nicht am Land leben; auch die Feminisierung des Arztberufes sei ein ganz zentraler Aspekt. „Wir bilden derzeit mehr Allgemeinmedizinerinnen als Allgemeinmediziner aus“, berichtete Wechselberger. Allerdings sind 80 Prozent der Landarzt-Stellen von Männern besetzt.

Was es zu tun gilt, ist für den ÖÄK-Präsidenten völlig klar: „Wir müssen die Attraktivität des Berufes fördern und dazu ist ein Bündel von Maßnahmen nötig.“ Etwa die Ausbildung so zu gestalten, dass man es sich zutraue, als Einzelkämpfer tätig zu sein. Denn die heutige Ausbildung erfolge zu beinahe 100 Prozent im Krankenhaus. Neue Bereitschaftsdienstmodelle müssten kreiert werden. Dazu zählten aber auch finanzielle Anreize wie die Förderung der Ansiedelung in entlegeneren Gebieten. Auch müssten Voraussetzungen geschaffen werden, dass Frauen eine solche Tätigkeit auch tatsächlich ausüben könnten: Kinderbetreuungsmöglichkeiten zählen dazu ebenso wie Regelungen, um nicht jedes zweite oder dritte Wochenende Dienst zu haben. Die Ärzte müssten auch „von der Bürokratie freigespielt werden“ und man müsse „Sorge tragen“, dass auch die Versorgung via Hausapotheke möglich bleibt.

Bekanntlich ermöglicht eine Gesetzesnovelle, dass ab Ende 2013 Apotheker in einer Gemeinde mit zwei Kassen-Allgemeinmedizinern eine öffentliche Apotheke einrichten. Landärzte mit Hausapotheke dürfen diese dann zwar noch drei Jahre lang betreiben, aber nicht an den Nachfolger übergeben. Heute gibt es 885 Ordinationen mit Hausapotheke. Zum Vergleich: 2006 waren es noch 964.

Die demographische Entwicklung mit der daraus resultierenden steigenden Zahl an chronisch Kranken sieht der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart, als größte Herausforderung im landärztlichen Bereich. „Der Landarzt muss nicht nur einen größeren medizinischen Bereich abdecken, er hat auch einen viel höheren technischen Aufwand, der serviciert werden muss.“ Seine Kritik richtet sich in erster Linie an die Verantwortlichen in der Politik, die mit einigen Federstrichen vom grünen Tisch aus die Entscheidungen treffen. Steinhart dazu: „Menschen am Land haben keine Alternative, wenn der Praktiker weg ist – im Gegensatz zur Stadt.“ Seine Forderung an Gesundheitsminister Alois Stöger: endlich die Lehrpraxen finanziell zu fördern, „damit man den jungen Kolleginnen und Kollegen die Tätigkeit eines Arztes vor Ort zeigen kann. Deswegen brauchen wir Lehrpraxen in der Stadt und auf dem Land.“ Steinhart weiter: „Es geht hier wirklich um läppische Summen, um zehn Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht dem Bau von rund 350 Metern Autobahn.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2013