Kommentar – Erwin Rasinger: Hausarzt passé?

15.08.2013 | Politik

Vor fünf Jahren habe ich dafür gesorgt, dass im Regierungsprogramm festgehalten wurde, ein Hausarztmodell zu erarbeiten. Passiert ist allerdings nichts, weil die Prioritäten von Minister Stöger andere waren – beispielsweise ELGA. Ohne ein funktionierendes Hausarztsystem ist die Verlagerung von Leistungen aus dem Spital in den niedergelassenen Bereich nicht möglich. Auch müssen die Jungärzte unbedingt besser ausgebildet werden, das ganze System muss insgesamt attraktiver gemacht werden, weil uns die jungen Ärzte regelrecht davonlaufen.

Mehr als 3.000 österreichische Ärzte sind schon in Deutschland, der Schweiz und England tätig und hier zeichnet sich eine regelrechte Völkerwanderung ab, weil in diesen Ländern in wenigen Jahren insgesamt zwischen 60.000 und 100.000 Ärzte fehlen werden. Das verschärft den Ärztemangel.

Der Beruf Hausarzt ist derzeit einfach nicht attraktiv und die Lehrpraxis wäre ein Weg, den jungen Ärzten zu zeigen, dass es sich um einen tollen Beruf handelt. Schon seit 20 Jahren funktioniert die Lehrpraxis ja eigentlich nicht wirklich. Jetzt geht wieder nichts weiter. Es sind Milliarden von Euro für den Bau von Autobahnen vorhanden und den Gegenwert von einem halben Autobahn-Kilometer, 15 Millionen Euro, gibt es nicht für die Lehrpraxis. Das muss uns die Ausbildung aber wert sein.

Die Lehrpraxis muss allerdings mit einer besseren Ausbildungsqualität in den Spitälern verbunden werden. Die als sinnlos empfundene Dokumentation beispielsweise ist für Jungärzte ein absolutes No-go, Hausarzt zu werden. Der ständige Streit mit den Schwestern, wer wofür zuständig ist wie zum Beispiel Infusionen abhängen und Blutabnahmen, schreckt ebenfalls ab. Außerdem sind die Gehälter im Vergleich zu Deutschland etwa um 40 Prozent niedriger. Dadurch wird erst recht ein Sog Richtung Deutschland erzeugt.

Wir brauchen ein funktionierendes Hausarztsystem vor allem für die immer wichtiger werdende Prävention und die Betreuung der chronisch Kranken und Pflegebedürftigen. Das weiß man mittlerweile in ganz Europa, nur scheinbar in Österreich noch nicht. Überall in Europa gibt es Modelle, die den Hausarzt aufwerten wie zum Beispiel in Deutschland in Baden-Württemberg, in England der Contract for General Practitioners und auch in Holland. Man muss sicherlich die Bezahlung deutlich verbessern und man muss Modelle finden, dass man sich die Arbeit auch aufteilt. Zum Nulltarif wird das Ganze nicht funktionieren. Man wird sicherlich Geld in die Hand nehmen müssen, wenn man Leistungen aus dem Spitalsbereich in den niedergelassenen Bereich verlagern will. Aber der Minister erklärt uns ja andauernd, dass man 3,4 Milliarden Euro beliebig einsparen kann, keiner etwas davon bemerkt und dass die Leistung besser wird.

Und in Wirklichkeit ist es nicht fünf vor zwölf, sondern es ist eins vor zwölf. Wir müssen rasch etwas tun, damit uns nicht bald Ähnliches droht wie in Deutschland: nämlich ganze Landstriche ohne Hausärzte.

*) Dr. Erwin Rasinger ist Gesundheitssprecher der ÖVP

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2013