Spitalsärzte-Umfrage 2013: Belastungen unverändert hoch

25.06.2013 | Politik


Die Belastungen für Spitalsärzte durch Zeitdruck und Dokumentation sind nach wie vor hoch. Knapp zwei Drittel sehen es als unwahrscheinlich an, unter diesen Bedingungen bis zur Pensionierung im Spital tätig zu sein. Diese Ergebnisse der aktuellen IFES-Umfrage wurden bei der Bundeskurie angestellte Ärzte im Rahmen des 127. Ärztekammertages in Baden präsentiert.
Von Agnes M. Mühlgassner

Für die von der Bundeskurie angestellte Ärzte in Auftrag gegebene Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut IFES (Institut für empirische Sozialforschung) 2.000 Ärzte in Form von Telefon-Interviews. Zwei Drittel der befragten Ärzte sind in Landes- und Gemeindespitälern tätig, rund zwölf Prozent in Ordensspitälern, 13 Prozent im Bundesdienst und acht Prozent in sonstigen Spitälern (Privatspitäler). Bei der Stichprobe war das Verhältnis zwischen Frauen und Männern fast ausgewogen, wenn es auch „augenfällig“ (Michenthaler) ist, wie die Medizin in Österreich weiblich wird. So beträgt der Frauen-Anteil bei den über 55-Jährigen 24 Prozent, unter den bis 35-Jährigen bereits 63 Prozent. Es gibt bereits mehr Turnusärztinnen als Turnusärzte. 30 Prozent – und somit der Großteil der Befragten – sind Oberärzte, 25 Prozent Fachärzte, jeweils rund 15 Prozent Turnusärzte in Ausbildung zum Facharzt oder zum Arzt für Allgemeinmedizin.

Ergebnisse im Detail

Zunächst wurde abgefragt, wie viel Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit für administrative Tätigkeiten im Spital aufgewendet wird. Studienleiter Georg Michenthaler vom IFES-Institut zum Ergebnis: „Die medizinischen Tätigkeiten wurden kontinuierlich zugunsten von Verwaltungstätigkeiten reduziert.“ Der Anteil der medizinischen Tätigkeit ist von 63 Prozent im Jahr 2003 auf heuer 57 Prozent zurückgegangen. Das sei ein Trend, der sich über die Jahre hinweg „sehr deutlich und stetig“ abzeichne. Als „eklatant“ erweise sich die Situation bei Turnusärzten in Ausbildung zum Allgemeinmediziner: 52 Prozent aller Tätigkeiten, die sie durchführen, sind reine Verwaltungsaufgaben.

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit insgesamt ist im Zeitraum zwischen 2006 und 2012 von damals 59 Stunden auf aktuell 54 Stunden gesunken. Wenn Michenthaler auch zugesteht, dass bei den Arbeitszeiten „tatsächlich etwas passiert ist“, handle es sich jedoch um eine Entwicklung mit nicht optimalen Begleiterscheinungen. „Zwar ist die durchschnittliche Arbeitszeit rückläufig, aber der Anteil davon, der für Administration aufgewendet wird, steigt. Mit der Arbeitszeitreduktion nimmt gleichzeitig die Arbeitsverdichtung stetig zu.“ Ganz grundsätzlich wünschen sich die österreichischen Spitalsärztinnen und Spitalsärzte eine Arbeitszeit von durchschnittlich 42 Stunden wöchentlich.

Für eine gesetzliche Beschränkung der maximal zulässigen Dienstdauer auf 25 Stunden sprechen sich 76 Prozent der Befragten aus. Auf die Frage: Wie beurteilen Sie eine Beschränkung der Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden mit Gehaltsreduktion, gaben 31 Prozent an, sehr oder eher dafür zu sein; 37 Prozent sind eher dagegen und 29 Prozent sehr dagegen. „Hier ist eine Grenze erreicht, wo man lieber auf Einkommen verzichtet, als unter diesen Bedingungen so viel zu arbeiten“, erklärte Michenthaler. Solche Tendenzen seien vor allem bei Turnusärzten erkennbar.

Erstmals abgefragt wurde diesmal, wie die Ärztinnen und Ärzte die Wahrscheinlichkeit einschätzen, auch noch mit 65 Jahren die aktuelle Tätigkeit im Spital ausüben zu können. 36 Prozent halten das für eher unwahrscheinlich, 28 Prozent für sehr unwahrscheinlich und 35 Prozent halten es für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich. Speziell unter den Turnusärzten ist der Anteil noch niedriger. Michenthaler: „Hier zeigt sich ein hohes Maß an Resignation schon beim Berufseinstieg.“

Danach befragt, welche Aspekte in der beruflichen Tätigkeit als sehr oder eher wichtig (Noten 1 und 2 auf einer fünfteiligen Bewertungsskala) erachtet werden, rangiert die Freude an der Arbeit (97 Prozent) unverändert an erster Stelle, gefolgt von ‚für andere Menschen da sein‘ (86 Prozent) und ‚persönliche Entfaltungsmöglichkeiten‘ (87 Prozent). Haben im Jahr 2003 noch 22 Prozent angegeben, dass ihnen die materielle Absicherung sehr wichtig (Note 1) ist, waren es diesmal schon 36 Prozent. „Der materielle Aspekt wird zunehmend wichtiger“ – ein laut Michenthaler „klassisches Phänomen“. Die Arbeitswelt sei so beschaffen, dass Geld in steigendem Maß als ‚Schmerzensgeld‘ empfunden werde.

Was die Zufriedenheit mit den Aspekten der beruflichen Tätigkeit anlangt, zeigt sich folgendes Bild: Die höchste Zufriedenheit gibt es mit dem Ansehen des Krankenhauses, gefolgt von der Zufriedenheit mit ‚Art und Inhalt der Tätigkeit‘. Nur 14 Prozent sind mit dem Dienstplan sehr zufrieden; 46 Prozent sind mit den Weiterbildungsmöglichkeiten nicht zufrieden (Noten: 3 bis 5). Insgesamt ist knapp die Hälfte der Befragten mit der Ausbildung „eher“ oder „sehr“ zufrieden. „Signifikant unzufriedener sind damit jedoch die Turnusärzte“, sagte Michenthaler. „Sie empfinden die Ausbildungssituation in höchstem Maß als unbefriedigend. Das hat sich seit der ersten Befragung 2003 nicht geändert.“

Wodurch fühlen sich Ärztinnen und Ärzte speziell belastet? Hier werden an erster Stelle Verwaltungsaufgaben und Dokumentation, aber auch Zeitdruck und chaotische Arbeitsorganisation – hier zeigt sich steigende Tendenz – genannt.

Auch nach allgemeinen Entwicklungen im Gesundheitswesen wurde gefragt (mehrere Antwortmöglichkeiten). 89 Prozent nennen Personalknappheit, 85 Prozent sagen, es gebe ‚mehr Aufwand durch Patientendokumentation‘; 85 Prozent sagen ‚steigender Zeitdruck‘; 72 Prozent registrieren, dass bei Medikamenten gespart werde und jeder Dritte beklagt, dass es zu Einschränkungen bei der medizinischen Forschung komme.

Studienleiter Michenthaler kommt zu folgendem Resümee: „Zwar ist ein leichter Rückgang bei der Arbeitszeit zu verzeichnen, aber die Belastung insgesamt wird größer. Die Chance, das bis zum 65. Lebensjahr durchzuhalten, stufen viele Ärztinnen und Ärzte als gering ein.“



Kommentar – Vize-Präs. Mayer*

Zeitdruck nimmt zu

Es ist ein positives Signal, dass wir im Bereich der Arbeitszeiten erste Veränderungen erzielen konnten, etwa bei der wöchentlichen Arbeitszeit. Dass Ärzte nicht länger als 25 Stunden durchgehend Dienst machen wollen, untermauern die Studienergebnisse ganz klar. Drei von vier Ärzten wollen das – das ist ein Faktum, das die Politik nicht mehr ignorieren kann.

Was den Zeitdruck anlangt, hat diese Befragung gezeigt, dass es nicht im Geringsten zu einer Entspannung gekommen ist – ganz im Gegenteil: Der Trend geht – leider – ganz eindeutig nach oben. Es kann aber nicht so sein, dass wir Spitalsärztinnen und Spitalsärzte dann der Sündenbock für Einsparungspläne, chaotische Arbeitsorganisation oder den ständigen Wechsel von Arbeitsabläufen sind.

Und man darf sich nach den aktuellen Ergebnissen auch nicht darüber wundern, dass fast zwei Drittel der Spitalsärzte es für unwahrscheinlich halten, unter diesen Bedingungen bis zur Pensionierung im Spital tätig zu sein. Die Politik, aber auch die Krankenhausträger sind gefordert, Maßnahmen zu setzen, mit denen Spitalsärztinnen und Spitalsärzte rasch und nachhaltig entlastet werden, damit wieder die medizinische Behandlung von Patienten im Mittelpunkt steht – und nicht die Bürokratie.

*) Dr. Harald Mayer ist Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2013