Alko­hol­ab­hän­gig­keit: Teure Sucht

10.11.2013 | Politik

Zehn von 100 Öster­rei­chern wer­den im Laufe ihres Lebens alko­hol­krank; fünf von 100 sind „chro­nisch alko­hol­krank“. Der Volks­wirt­schaft ent­steht dadurch kon­ser­va­tiv berech­net jähr­lich ein Scha­den von 738 Mil­lio­nen Euro, wie eine Stu­die des Insti­tuts für Höhere Stu­dien ergab.
Von Marion Huber

Zehn von 100 Öster­rei­chern wer­den im Laufe ihres Lebens alko­hol­krank; fünf von 100 sind als „chro­nisch alko­hol­krank“ ein­zu­stu­fen. Jeder vierte Mann und jede zehnte Frau kon­su­mie­ren täg­lich Alko­hol über der Gefähr­dungs­grenze. So ist es nicht wei­ter ver­wun­der­lich, dass Öster­reich mit 12,9 Litern Alko­hol pro Kopf und Jahr im OECD-Ver­gleich 2011 nur von Frank­reich und Por­tu­gal über­trof­fen wird. „Eine Situa­tion, die höchst betrof­fen macht“ – so kom­men­tiert Univ. Prof. Michael Mus­a­lek, Sucht­ex­perte und Lei­ter des Anton Proksch Insti­tuts Wien, die vom Wie­ner Insti­tut für Höhere Stu­dien (IHS) erho­be­nen Daten. 738 Mil­lio­nen Euro könn­ten jähr­lich ein­ge­spart wer­den, wenn die Öster­rei­cher Alko­hol nur in mode­ra­ten Men­gen und unter der Gefähr­dungs­grenze kon­su­mie­ren wür­den. Das sind die Kos­ten, die durch Alko­hol­krank­heit allein im Jahr 2011 ent­stan­den sind – posi­tive Effekte wie etwa Steu­er­ein­nah­men und der Weg­fall von Alters­pen­sio­nen sind bereits ein­ge­rech­net, wie Stu­di­en­lei­ter Tho­mas Czy­pionka vom IHS vorrechnet. 

In der Stu­die „Volks­wirt­schaft­li­che Effekte der Alko­hol­krank­heit“ wur­den auch die indi­rek­ten Kos­ten wie etwa die Auf­wen­dun­gen aus Kran­ken­geld (6,6 Mil­lio­nen Euro), Pfle­ge­geld (acht Mil­lio­nen Euro) und Inva­li­di­täts­pen­sio­nen (23,5 Mil­lio­nen Euro) ein­kal­ku­liert. Zwar wer­den durch die Alko­hol­krank­heit einer­seits Alters­pen­sio­nen in der Höhe von 3,7 Mil­lio­nen Euro ein­ge­spart, ande­rer­seits stei­gen dadurch die Auf­wen­dun­gen für Wit­wen­pen­sio­nen um 7,1 Mil­lio­nen Euro. Der bei wei­tem größte Kos­ten­fak­tor ist der Pro­duk­ti­vi­täts­aus­fall durch erhöhte Kran­ken­stände, Früh­pen­sio­nie­run­gen und frü­here Sterb­lich­keit: 441,7 Mil­lio­nen Euro gin­gen der öster­rei­chi­schen Wirt­schaft 2011 dadurch verloren.

Zah­len sind „extrem konservativ“

Die­sen enor­men Kos­ten ste­hen Ein­nah­men aus Alko­hol-bezo­ge­nen Steu­ern von nur rund 119,2 Mil­lio­nen Euro gegen­über. Ins­ge­samt ergibt sich damit ein­deu­tig ein nega­ti­ver Saldo von 738 Mil­lio­nen Euro, so Czy­pionka. Dabei sind die Zah­len sogar noch „extrem kon­ser­va­tiv“, beton­ten die Exper­ten. In die Berech­nun­gen wur­den nur gesi­cherte medi­zi­ni­sche Daten und nur jene Effekte ein­be­zo­gen, für die aus­rei­chend Zah­len­ma­te­rial zur Ver­fü­gung stand. Aus­wir­kun­gen auf das Umfeld der Betrof­fe­nen, Betriebs­un­fälle und Unfälle im Stra­ßen­ver­kehr sowie Erkran­kun­gen, für deren Zusam­men­hang mit Alko­hol­kon­sum es keine epi­de­mio­lo­gi­schen Stu­dien gibt, wur­den nicht berück­sich­tigt. So sind etwa das Fetale Alko­hol­syn­drom und des­sen Fol­ge­schä­den nicht erfasst wor­den, „weil es fast nie dia­gnos­ti­ziert wird“, gab Mus­a­lek zu beden­ken. Er ist sicher: „Die Zah­len sind in Wirk­lich­keit wesent­lich höher.“

Nicht ein­be­rech­net wur­den auch die Zuwachs­ra­ten. So werde es in Zukunft nach Ansicht des Sucht-Exper­ten ins­ge­samt mehr Alko­hol­kranke geben, weil die Kon­su­men­ten immer jün­ger und immer mehr Frauen abhän­gig wer­den. Einen Knack­punkt sieht der Sucht­ex­perte in der Ver­füg­bar­keit: „Dabei zählt nicht nur, wie leicht ver­füg­bar, son­dern auch, wie sehr akzep­tiert Alko­hol ist.“ Ob auf Fir­men­fei­ern, After-Work oder beim Früh­stück: Es ist „fesch“ (Mus­a­lek), Alko­hol zu kon­su­mie­ren. Grund­sätz­lich schei­tere es am „gesun­den Ver­hal­ten“, denn „Alko­hol wird ent­we­der ver­dammt oder ver­herr­licht. Der Kon­sum wird baga­tel­li­siert, solange kein Pro­blem besteht. Danach wird er dramatisiert.“

Trotz­dem ist die Pro­gnose des chro­ni­schen Alko­hol­miss­brauchs sehr gut. „Wenn jemand regel­mä­ßig in Behand­lung ist, kann bei 70 bis 80 Pro­zent Sym­ptom­frei­heit erreicht wer­den.“ Der Schlüs­sel liegt laut Mus­a­lek in der Ent-Stig­ma­ti­sie­rung, Auf­klä­rung und Früherkennung.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2013