M. Par­kin­son: Ziel: frühe Identifikation

10.06.2013 | Medizin


Das Haupt­au­gen­merk liegt der­zeit auf der prä­kli­ni­schen Phase von M. Par­kin­son. Hier set­zen die For­scher auf die Iden­ti­fi­ka­tion von Bio­mar­kern, um Risi­ko­grup­pen ein­zu­gren­zen. Bis 2030 ist mit einer Ver­drei­fa­chung der Per­so­nen, die an M. Par­kin­son lei­den, zu rech­nen, erklär­ten Exper­ten bei einer Pres­se­kon­fe­renz in Wien.
Von Bar­bara Wakolbinger

Die neu­este Hoff­nung in der Erken­nung und Behand­lung von Mor­bus Par­kin­son heißt Kolo­sko­pie: Ver­än­de­run­gen in den Ner­ven­ge­flech­ten der Darm­schleim­haut, die mit­tels der Rou­ti­ne­un­ter­su­chung sicht­bar gemacht wer­den kön­nen, sol­len in Zukunft Men­schen mit einem hohen Risiko bereits vor dem Aus­bruch der Krank­heit iden­ti­fi­zie­ren. „Die Wunsch­vor­stel­lung wäre natür­lich, eine bereits eta­blierte Methode mit einem Par­kin­son-Test zu ver­knüp­fen“, erklärte Univ. Prof. Wer­ner Poewe vom Depart­ment Neu­ro­lo­gie und Neu­ro­chir­ur­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck kürz­lich bei einem Pres­se­ge­spräch in Wien. „Aller­dings kön­nen wir die Krank­heit immer noch nicht auf­hal­ten oder sogar ihren Aus­bruch stop­pen. Das bleibt pri­mä­res Ziel der Forschung.“

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Die Ent­de­ckung von neuen mole­ku­la­ren Schlüs­sel­er­eig­nis­sen in den Ner­ven­zel­len von Par­kin­son-Pati­en­ten gebe aber Anlass für neue Hoff­nung: So soll in Zukunft nicht nur Dopa­min ersetzt wer­den, son­dern der eigent­lich ver­ant­wort­li­che Zell­me­cha­nis­mus, die abnorme Ver­klum­pung der Eiweiß­be­stand­teile Alpha-Syn­u­klein, ange­grif­fen wer­den. „Je frü­her die Erkran­kung erkannt wird, desto eher grei­fen sol­che krank­heits­mo­di­fi­zie­ren­den Ver­fah­ren“, sagte Poewe. Das Haupt­au­gen­merk liege daher momen­tan auf der prä­kli­ni­schen Phase von Par­kin­son. Hier setzt die For­schung vor allem auf die Iden­ti­fi­ka­tion von Bio­mar­kern, um Risi­ko­grup­pen in der Bevöl­ke­rung ein­zu­gren­zen. Einige Mar­ker las­sen sich bereits durch ein­fa­che Tests fest­stel­len – wie etwa eine Geruchs­stö­rung. Sie erhöht das Par­kin­son-Risiko um das Vier­fa­che. Liegt bei einer trans­kra­ni­ellen Dopp­ler­so­no­gra­phie eine Hyperecho­ge­ni­tät vor, ist das Risiko sogar um das 17-Fache erhöht. Bei mehr als 50 Pro­zent der Pati­en­ten, die an einer REM-Schlaf-Ver­hal­tens­stö­rung lei­den – die im Schlaf um sich tre­ten oder schreien, ohne auf­zu­wa­chen –, tritt im wei­te­ren Ver­lauf eine Par­kin­son-Erkran­kung auf.

Doch gerade auf­grund die­ser Mar­ker steht die Medi­zin vor einem gro­ßen Dilemma: „Wir kön­nen zwar durch die Kom­bi­na­tion von Risi­ko­fak­to­ren einen posi­ti­ven Vor­her­sa­ge­wert errei­chen, aber noch nichts dage­gen tun“, so Poewe. Daher stehe die Aus­deh­nung wie etwa der Kolo­sko­pie auf eine brei­tere Bevöl­ke­rungs­gruppe außer­halb von wis­sen­schaft­li­chen Stu­dien der­zeit nicht zur Debatte. „Das geht erst, wenn man eine kos­ten­ef­fi­zi­ente und nach­weis­lich wirk­same Medi­ka­tion oder andere Behand­lungs­me­thode anbie­ten kann.“

Prä­ven­tion sei jedoch ein wich­ti­ges Schlag­wort – auch im Hin­blick auf die „Lawine von neu­ro­de­ge­nera­ti­ven Erkran­kun­gen“, die laut Poewe auf Öster­reich zukommt und alters­be­dingt einen rasan­ten Anstieg brin­gen wird. Im Jahr 2030 wird jeder vierte Öster­rei­cher über 65 Jahre alt sein. „Pro­gno­sen gehen bis 2030 von einer Ver­drei­fa­chung der Pati­en­ten mit Mor­bus Par­kin­son aus“, erklärte Regina Kat­zen­schla­ger, Prä­si­den­tin der Öster­rei­chi­schen Gesell­schaft für Neu­ro­lo­gie (ÖGN). Schon heute sind etwa 16.000 Men­schen in Öster­reich von Mor­bus Par­kin­son betrof­fen: laut Poewe gibt es jähr­lich rund 2.000 Neuerkrankungen.

Volks­wirt­schaft­li­che Auswirkungen

Auch volks­wirt­schaft­lich gese­hen könnte diese Ent­wick­lung zu Pro­ble­men füh­ren. Wie Kat­zen­schla­ger wei­ter aus­führte, kos­ten neu­ro­psych­ia­tri­sche Erkran­kun­gen in Europa jähr­lich ins­ge­samt 798 Mil­li­ar­den Euro: Einer­seits sind es direkte Gesund­heits­kos­ten, aber auch Fol­ge­kos­ten wie etwa Kran­ken­stände oder Früh­pen­sio­nie­run­gen. An der Spitze ste­hen dabei Demenz (105 Mil­li­ar­den), Insult (64,1 Mil­li­ar­den) oder Kopf­schmerz (43,5 Mil­li­ar­den). Schät­zun­gen des Euro­pean Brain Coun­cils zufolge ver­ur­sacht Mor­bus Par­kin­son in Europa jähr­lich Kos­ten von rund 14 Mil­li­ar­den Euro.

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© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2013