Onkologische Rehabilitation: Langzeiteffekt inklusive

10.11.2013 | Medizin

Bis zu einem Jahr hält der Effekt einer onkologischen Rehabilitation an. Darüber und welche Begleiteffekte damit erzielt werden können, diskutierten Experten bei der Jahrestagung der Österreichischen Akademie für Onkologische Rehabilitation und Psychoonkologie.Von Agnes M. Mühlgassner

Um die Effektivität einer onkologischen Rehabilitation zu evaluieren, führte Univ. Prof. Alexander Gaiger von der Universitätsklinik für Innere Medizin 1 der Medizinischen Universität Wien eine Begleitstudie mit Patienten des onkologischen Rehabilitationszentrums Sonnberghof in Bad Sauerbrunn (Burgenland) durch. Im Rahmen der zwischen November 2011 und August 2013 durchgeführten Untersuchung des 121 Betten umfassenden Sonnberghofs wurden biologische, psychische und soziale Faktoren evaluiert. Gaiger zum Ergebnis, das er im Rahmen der dritten Jahrestagung der Österreichischen Akademie für Onkologische Rehabilitation und Psychoonkologie (ÖARP) im Oktober in Kaprun präsentierte: „Gegenüber den Krebspatienten, die keine onkologische Rehabilitation erhielten, zeigten die Onko-Rehab-Patienten deutlich reduzierte Angst-, Depressions- und Distress-Werte.“ Weiters zeigte sich im Vergleich zwischen ‚Vor‘ und ‚Nach‘ der onkologischen Rehabilitation eine „deutliche Reduktion von Tumor- und Therapieassoziierten Symptomen besonders in den Bereichen Schmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Ängstlichkeit, Depressivität und Distress bei gleichzeitiger Steigerung der körperlichen Aktivität, Verbesserung der subjektiven Lebensqualität sowie Verbesserung der Reintegration in das soziale und berufliche Umfeld“.

Was bewirkt eine dreiwöchige Rehabilitation? Der ärztliche Leiter des Sonnberghofs, Marco Hassler, antwortete darauf im Zuge der Podiumsdiskussion: „Einen Effekt, der bis zu einem Jahr anhält.“ Er machte auch auf spezielle Aspekte, die seiner Ansicht nach bislang zu wenig Berücksichtigung gefunden hätten, aufmerksam: So haben Alleinstehende eine geringere Therapietreue etwa bei der Medikamenteneinnahme. Ebenso kritisierte er, dass im Akut-Krankenhaus oft nicht erkannt werde, welche Patienten etwas bräuchten. Denn, so Hassler weiter: „Ein Patient, der informiert ist, holt sich die Hilfe, die er braucht.“

Die österreichische Onkologie insgesamt bezeichnet Univ. Prof. Richard Greil, Leiter der III. Medizinischen Universitätsklinik Salzburg als „herausragend“, weil „die Daten und Fakten es zeigen“. So liegt das Fünf-Jahres-Überleben in Österreich im Bereich der vier besten Staaten in Europa; bei einigen Tumor-Erkrankungen liegt Österreich sogar an erster Stelle, wie eine vor zwei Jahren in 38 Ländern der OECD durchgeführte Untersuchung ergab. Darüber hinaus wurde in der Studie gezeigt, dass 50 Prozent der Gesamt-Unterschiede im GesamtÜberleben von Ressourcen abhängen – „also von den gesamten nationalen Gesundheitsausgaben, die ein System hat“, wie der Experte ausführt. In Österreich wurden im Jahr 2011 insgesamt 32,4 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem aufgewendet; das entspricht 10,2 Prozent des BIP. Insgesamt wurden für die gesamt-onkologische Betreuung – Chirurgie, Chemotherapie, Strahlentherapie, Medikamente – von diesen 32 Milliarden Euro 6,4 Prozent ausgegeben. Man beginne in Österreich „spät“ mit der onkologischen Rehabilitation, „aber gerade noch rechtzeitig“, wie Greil betont.

Kinder-Reha und Erwachsenen-Reha

Was der Salzburger Landtags-Abgeordneten Gerlinde Rogatsch (V) – sie ist Bereichssprecherin für Gesundheit in Salzburg – besonders im Hinblick auf die onkologische Rehabilitation von Kindern wichtig ist: „Diese Betten sind nicht in der Erwachsenen-Reha, sondern neben der Erwachsenen-Reha anzusiedeln.“ Synergien könnten dabei jedenfalls genutzt werden.

Das Resümee von Alexander Gaiger: „Eine menschliche Medizin braucht Menschen.“ Und: „Ökonomische Richtlinien können wir nur begrenzt auf Medizin und Forschung umlegen.“

Rehabilitation statt Pension

Mit der Eröffnung des Rehab-Zentrums St. Veit im Pongau Anfang 2014 stehen in Österreich 498 Betten für die onkologische Rehabilitation zur Verfügung. Der Bedarf ist jedenfalls vorhanden. Oft fehlt es jedoch an konkretem Wissen darüber.
Von Agnes M. Mühlgassner

Überlegungen, in Österreich eine onkologische Rehabilitation zu etablieren, gab es schon 1995. „Es hat dann gedauert. Die Zeit war noch nicht reif“, erklärte Gottfried Koos, Mitglied im Vorstand der VAMED. Fünf Jahre später wurde ein Pilotversuch in Treibach-Althofen (Kärnten) umgesetzt.

Waren die Anfänge der onkologischen Rehabilitation in Österreich noch recht zaghaft, schreitet sie seither zügig voran. 2007 erwarb die VAMED den Sonnberghof im burgenländischen Sauerbrunn vom Land Burgenland; der damals bestehende Schwerpunkt mit Orthopädie und Stoffwechselerkrankungen wurde um die Onkologie erweitert. Waren es ursprünglich 96 Betten, stehen derzeit 120 Betten zur Verfügung. Seit Ende 2012 ist die onkologische Rehabilitation eine eigenständige Indikation im Rehabilitationsplan – mit steigender Akzeptanz, wie Gabriele Eichhorn, stellvertretende Generaldirektorin der PVA, in ihrem Impulsreferat betonte. So konnte die PVA zwischen 2009 und 2012 eine Steigerung von 107 auf 1.350 Patienten pro Jahr registrieren. Dennoch ist Eichhorn nicht zufrieden: „Das ist bei Weitem noch nicht die Zahl der Patienten, die das in Anspruch nehmen könnten.“

Das lässt sich mit Zahlen veranschaulichen: Derzeit leiden in Österreich mehr als 300.000 Menschen an Krebs; jährlich erkranken rund 36.000 neu an Krebs. Krebs ist mittlerweile der dritthäufigste Grund für eine krankheitsbedingte Pensionierung. Mit ein Grund, wieso man nun ein verstärktes Augenmerk auf Rehabilitation in diesem Bereich legt. Oder wie Eichhorn es formuliert: „In Wirklichkeit ist die onkologische Rehabilitation ein gleich starkes Thema wie alle anderen Erkrankungen.“ Das spiegelt sich auch in finanzieller Hinsicht wieder: Geht jemand auf Grund von Krebs krankheitsbedingt in Pension, kostet das rund 980 Euro im Monat; eine Reha-Maßnahme verursacht durchschnittlich Kosten in der Höhe von rund 6.900 Euro. 2004 gab es 2.100 krankheitsbedingte Pensionierungen wegen Krebs mit einer zwischenzeitlichen Steigerung von 200 bis 300 Personen pro Jahr. Nun seien die Zahlen wieder auf dem Niveau von 2004 – „ein großer Erfolg“, sagt Eichhorn.

Unter dem Motto „Bleib bei mir“ können beispielsweise Frauen nach einem Mamma-Karzinom ihre nicht-schulpflichtigen Kinder zur Rehabilitation nach Bad Schallerbach mitnehmen. Allerdings werde dieses Angebot „nicht in dem Ausmaß angenommen“, wie man ursprünglich vermutet habe, bedauert Eichhorn. Als Gründe dafür vermutet sie mangelnde Information über diese Möglichkeit sowie die Tatsache, dass es für schulpflichtige Kinder dort keine Betreuung gibt.

Ein anderer wichtiger Punkt ist die begleitende onkologische Rehabilitation. Damit solle – so Eichhorn – die Rückkehr in den Beruf ermöglicht werden. Denn: „Um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen, sind drei Wochen Rehab nicht genug.“ Es gehe darum, den Betroffenen für rund ein halbes Jahr nachzubetreuen – die Angebote sollten speziell für jene Bereiche geboten werden, für die das notwendig ist wie etwa Ernährung oder gezielte psychologische Betreuung.

Mit der Eröffnung des onkologischen Rehab-Zentrums in St. Veit im Pongau – einer gemeinsamen Betriebsgesellschaft von VAMED und SALK (Salzburger Landeskliniken) – Anfang 2014 stehen in der Region West 58 weitere Betten zur Verfügung; zehn davon sind ausschließlich für Kinder vorgesehen. Außerdem sind 58 Sekundärbetten geplant, um auch Partner, Geschwister etc. mit zu behandeln.

Und in Linz beginnt´s: nämlich 2014 die ambulante onkologische Rehabilitation…

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2013