Österreichischer Impftag 2014: Alles neu

10.11.2013 | Medizin

Nicht wie gewohnt im Frühjahr – sondern bereits zu Jahresbeginn am 11. Jänner 2014 – findet der nächste Österreichische Impftag statt. Auch die inhaltliche Ausrichtung wird neu gestaltet: Neben Pro- und Kontra-Diskussionen will man einen größeren Schwerpunkt auf internationale Vortragende und Themen legen.
Von Barbara Wakolbinger

Einige Fälle von Narkolepsie nach einer pandemischen Influenza-Impfaktion in Skandinavien oder ungeklärte Todesfälle nach HPV-Impfungen bei jungen Frauen in Österreich und Deutschland: Immer wieder beschäftigen potentielle Nebenwirkungen und Komorbiditäten von Impfungen Medien und Ärzte. „Das größte Problem bei der Beurteilung von unerwünschten Ereignissen nach der Durchführung von Impfungen, ist, dass für viele Symptome und gesundheitliche Störungen, die auftreten können, die Hintergrundinzidenzen in der Normalbevölkerung fehlen“, erklärt Ao. Univ. Prof. Michael Kundi vom Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien. Am Österreichischen Impftag, der am 11. Jänner 2014 stattfindet, wird er die Schwierigkeiten, die vor allem bei sehr seltenen Nebenwirkungen auftreten, genauer beleuchten.

Problem Aufmerksamkeit

Die zu geringe Aufmerksamkeit schadete etwa bei den in Skandinavien aufgetretenen Fällen von Narkolepsie: Zur tatsächlichen Beurteilung fehlte vor allem das Wissen, wie häufig die Erkrankung in der nicht geimpften Bevölkerung ist. „Problematisch war auch, dass die Medien sofort berichtet haben. Und je mehr mediale Aufmerksamkeit auf die Fälle gelenkt wurde, umso mehr Betroffene haben sich gemeldet und umso häufiger wurde die Erkrankung diagnostiziert. So entsteht eine ganz eigene Dynamik“, führt der Experte weiter aus.

In manchen Fällen ist die gesteigerte Aufmerksamkeit im Sinne einer Surveillance aber durchaus gewünscht. Denn Studien vor der Zulassung eines Impfstoffes sind im Falle von sehr seltenen Erkrankungen zum Scheitern verurteilt. Bereits bei einer Rate von einer Erkrankung in 1.000 Probanden müsste sich die Inzidenz um das Zehn- bis 20-Fache erhöhen, um in einer Studie aufzufallen. Teilweise müssen sich die Hersteller also auf den Einsatz in der Praxis verlassen. „Die Frage bleibt aber immer: Ist die Zahl an beobachteten Fällen überzufällig hoch? Gerade sehr seltene Erkrankungen, bei denen es in Österreich im Jahr drei oder vier Fälle gibt, sind im Zusammenhang mit deutlich häufiger auftretenden Ereignissen wie Impfungen schwierig zu untersuchen“, meint Kundi.

Um zumindest Hintergrund-Inzidenzen zur Verfügung zu haben und nicht erst im Falle des Falles mit dem Sammeln von Daten beginnen zu müssen, wird derzeit in einigen Ländern der Versuch gestartet, diese Inzidenzen systematisch zu erheben. In Österreich geschieht das nicht, weshalb vor allem zu Erkrankungen, die im niedergelassenen Bereich diagnostiziert und behandelt werden, kaum Zahlen vorliegen. „Wir können nur hospitalisierte Fälle auswerten“, sagt Kundi. Er plädiert jedoch zusätzlich für die systematische Auswertung der übers Jahr verteilten Inzidenz von neurologischen Symptomen und weiteren Erkrankungen, die häufig mit Impfungen in Verbindung gebracht werden wie etwa Fieberschübe bei Kleinkindern und Säuglingen.

Denn besonders im ersten Lebensjahr ist die Ermittlung von Nebenwirkungen und Komorbiditäten besonders schwierig: „Im ersten Lebensjahr wird nach dem Impfkalender nahezu ständig geimpft. Daher ist zu erwarten, dass jede auftretende Erkrankung in diesem Alterssegment zeitlich mit einer Impfung assoziiert ist“, so Kundi. Die zeitliche und kausale Differenzierung falle hier schwer. Auch, weil es keine nicht geimpfte Vergleichsgruppe gibt. In solchen Fällen behelfen sich die Impfexperten mit einer so genannten Spiegelung, bei der die Inzidenz sieben Tage nach und sieben Tage vor der Impfung verglichen wird.

Neuer Ort, neues Datum

Diese Problemstellung im Detail wird am Österreichischen Impftag – nicht wie gewohnt im Frühjahr – sondern bereits zu Jahresbeginn 2014 diskutiert werden. Hauptgrund für diese Änderung ist die Präsentation des neuen Impfplans, der 2014 mit der kostenlosen HPV-Impfung für Schüler bereits eine große Änderung enthalten wird. Auch das Programmkomitee des Impftags hat sich deutlich vergrößert; inhaltlich will man einen größeren Schwerpunkt auf internationale Vortragende und Themen legen, wie der wissenschaftliche Leiter des Impftags, Univ. Prof. Ingomar Mutz erklärt. „Wir wollten das Programm ein bisschen spannender gestalten. Deshalb finden heuer zum ersten Mal auch drei Pround Kontra-Diskussionen statt.“ Bei diesen Veranstaltungen gibt es jeweils zwei Vortragende, die unterschiedliche Meinungen zum Thema einnehmen beziehungsweise jeweils auf die Vor- und Nachteile einer Impfung eingehen. Zur Diskussion werden 2014 die Meningokokken B-Impfung, die konjugierte Pneumokokken-Impfung bei Menschen über 50 Jahren sowie die Varizellen-Impfung bei Kleinkindern stehen.

Neuerungen wird es ebenfalls in personeller Hinsicht geben: Mit dem Jahr 2015 übergibt Mutz die wissenschaftliche Leitung des Impftages an Univ. Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien. Auch eine geographische Veränderung steht bevor: 2014 wird der Österreichische Impftag wie gewohnt noch in Salzburg stattfinden, 2015 übersiedelt er nach Wien.

Praktisch wird es sowohl mit der Diskussion von PR-Strategien für Impfungen – „man könnte es auf die Formel sanft oder drohend reduzieren“, meint Mutz – als auch mit parallel laufenden Workshops. „In den Workshops werden wir Themenblöcke wie Impftechnik, Impfaufklärung und Impfdokumentation behandeln“, so der wissenschaftliche Leiter. Veranstaltet werden diese Workshops von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und der Österreichischen Apothekerkammer. Um der Forderung nach mehr Internationalität gerecht zu werden, werden auch 2014 schon einige internationale Gäste erwartet, darunter Univ. Prof. Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch Instituts in Berlin.

Globale Herausforderung

Unter dem Titel „Emerging Viruses“ wird sich Burger vor allem mit neuen Erregern der letzten Jahre wie etwa dem MERS-Coronavirus in Saudi Arabien auseinandersetzen. „In diesem Fall haben wir die ungute Situation, dass die eigentliche Quelle des Erregers und der Übertragungsweg auf den Menschen auch nach eineinhalb Jahren noch nicht geklärt sind“, so Burger. Zwar wurde das Virus in Fledermäusen und Kamelen nachgewiesen; gute Fallkontrollstudien und die nötige Transparenz fehlen aber. Im Zeitalter des Flugverkehrs und Welthandels betreffen neue Erreger wie diese nicht nur die Ursprungsregionen, sondern bedrohen auch den Rest der Welt.

„Umso wichtiger ist es, solche Erreger genau im Auge zu behalten. Dabei spielen auch durch Lebensmittel übertragene Infektionen eine wichtige Rolle“, meint Burger. Erst vor kurzem sorgte eine kontaminierte Charge chinesischer Erdbeeren für einen Ausbruch einer Norovirus-Variante bei deutschen Schulkindern mit 12.000 Betroffenen. Engmaschige Surveillance sowie frühzeitige Diagnostik und Charakterisierung des Erregers sind daher besonders wichtig. Denn selbst Erreger, die als praktisch ausgerottet oder eingedämmt gelten, können wieder zum Problem werden, wie unter anderem Spuren des Wildtyps des Polio-Virus in israelischem Abwasser und der erneute Poliomyelitis-Ausbruch in Syrien zeigen. „In Syrien wird man derzeit keine gute systematische Impfkampagne durchführen können. Europa muss sich dieser Bedrohung bewusst sein und immer wieder neue Anstrengungen unternehmen“, so Burger abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2013