Inter­view – Syl­via Hartl: Asthma durch Adipositas

10.10.2013 | Medizin

Über­ge­wicht kann Asthma indu­zie­ren, da die Hyper­re­ak­ti­vi­tät aus dem Fett­ge­webe her­aus gesteu­ert wer­den kann. Das und auch die Tat­sa­che, dass Per­tus­sis wie­der auf dem Vor­marsch ist, sind nur einige der The­men bei der Jah­res­ta­gung der Pneu­mo­lo­gen Ende Okto­ber, wie Kon­gress­prä­si­den­tin Syl­via Hartl im Gespräch mit Bar­bara Wakol­bin­ger berichtet.

ÖÄZ: Wel­ches Schwer­punkt­thema wurde für den Jah­res­kon­gress der Pneu­mo­lo­gen 2013 gewählt?
Hartl: Heuer haben wir mit der Wech­sel­wir­kung zwi­schen dem meta­bo­li­schen Syn­drom und pul­mo­n­a­len Erkran­kun­gen ein fach­über­schrei­ten­des Haupt­thema, das bis in die pul­mo­n­ale Reha­bi­li­ta­tion hin­ein­reicht. Man hat unter ande­rem erkannt, dass das abdo­mi­nelle, braune Fett­ge­webe eine Media­tor­funk­tion ein­nimmt, die eine Ver­bin­dung zu Asthma her­stel­len kann. Viele Stu­dien zei­gen, dass Über­ge­wicht Asthma indu­ziert, da die Hyper­re­ak­ti­vi­tät aus dem Fett­ge­webe her­aus gesteu­ert wer­den kann. Wich­tig ist das vor allem auch bei über­ge­wich­ti­gen Kindern.

In wel­chen ande­ren Berei­chen ist die inter­dis­zi­pli­näre Arbeit von Bedeu­tung?
Das meta­bo­li­sche Syn­drom spielt auch in Sachen Mecha­nik eine große Rolle: Der stei­gende inter­ab­do­mi­nale Druck bei adi­pö­sen Pati­en­ten hat direkte Rück­wir­kun­gen auf die Lunge. Ein Indi­ka­tor ist etwa die Hip-Waist-Ratio. Adi­po­si­tas kann vor allem in der Nacht zu Hypo­ven­ti­la­tion und damit Sau­er­stoff­man­gel und Atem­ver­sa­gen füh­ren. Aber auch umge­kehrt gibt es Wech­sel­wir­kun­gen. Bei pro­in­flamm­a­to­ri­schen Erkran­kun­gen wie COPD kann es zu einer ver­mehr­ten Ansamm­lung von Fett und gleich­zei­ti­gem Mus­kel­ab­bau kom­men, Stoff­wech­sel­stö­run­gen sind die Folge. Inter­es­sant ist das meta­bo­li­sche Syn­drom als Kom­or­bi­di­tät. Die inter­dis­zi­pli­näre Zusam­men­ar­beit ist in die­sem Feld beson­ders wich­tig. Adi­pöse gehö­ren regel­mä­ßig auf vor allem nächt­li­che Atem­stö­run­gen unter­sucht und beim Lun­gen­pa­ti­en­ten darf das meta­bo­li­sche Syn­drom vor allem in Bezug auf Kom­or­bi­di­tät nicht unter­schätzt wer­den, weil es die Mor­ta­li­tät dras­tisch steigert.

Auch der Pati­en­ten-zen­trierte Ansatz wird ein Thema sein. Was kann man hier erwar­ten?
Im Umgang mit den Pati­en­ten liegt der Fokus stark auf der COPD. Hier wol­len wir eine Ver­schie­bung von der rein medi­ka­men­tö­sen Behand­lung hin zu den unbe­han­del­ten Bedürf­nis­sen, den soge­nann­ten ‚unmet needs’ der Pati­en­ten, errei­chen. Wie müs­sen wir mit unse­ren Pati­en­ten kom­mu­ni­zie­ren? Was brau­chen sie, um mit so einer chro­ni­schen Krank­heit län­ger­fris­tig zu Hause leben zu kön­nen? Dazu haben wir auch einen Hands-On-Work­shop für außer­kli­ni­sche Beatmung, wo wir einer­seits die neuen Gui­de­lines der Gesell­schaft zur Aus­stat­tung bei außer­kli­ni­scher Beatmung vor­stel­len und ande­rer­seits auch – ein völ­lig neues For­mat – Pati­en­ten ein­la­den, die unter den ver­schie­de­nen Bedin­gun­gen außer­kli­nisch beatmet wer­den. Sie sol­len ihre Geräte oder per­sön­li­chen Assis­ten­zen mit­brin­gen. Dann wol­len wir im Dia­log­for­mat zu den Erwar­tun­gen und Bedürf­nis­sen, die sol­che Pati­en­ten haben, dis­ku­tie­ren vom orga­ni­sa­to­ri­schen bis zum finan­zi­el­len Aspekt.

Im Bereich der Infek­tio­lo­gie ste­hen unter ande­rem Tuber­ku­lose aber auch Per­tus­sis auf dem Pro­gramm. Wel­che neuen Ent­wick­lun­gen gibt es hier?
Wir beob­ach­ten der­zeit ein Wie­der­auf­le­ben der Per­tus­sis-Erkran­kun­gen. Vor allem in der Senes­zenz, also ab dem 50. Lebens­jahr, kommt der Keuch­hus­ten wie­der. Nach­dem Lun­gen­fach­ärzte immer hus­tende Pati­en­ten haben, ist die Gefahr, dass Per­tus­sis über­se­hen wird, sehr groß – vor allem weil viele gar nicht mehr daran den­ken und den Keuch­hus­ten als Kin­der­krank­heit abstem­peln. Wir ver­su­chen daran zu erin­nern, dass geimpft und nach­ge­impft wer­den muss. Alle Erwach­se­nen soll­ten geimpft blei­ben, um den Her­den­schutz wei­ter zu gewähr­leis­ten und das Auf­fla­ckern der Krank­heit zu bekämp­fen. Die der­zei­tige Impf-Moral ist aller­dings schlecht und auch die Lun­gen­fach­ärzte lesen den Impf­plan nicht immer so genau, wie sie soll­ten. Beson­ders, wenn diese Erwach­se­nen dann über 50 Jahre alt und selbst von chro­ni­schen Lun­gen­er­kran­kun­gen betrof­fen sind, sind sie natür­lich gefähr­det. Da gibt es Pati­en­ten­grup­pen, die man obli­gat imp­fen muss.

Wel­che Warn­si­gnale gibt es bei Per­tus­sis?
Per­tus­sis ist vor allem durch län­ger­fris­ti­gen Hus­ten getra­gen. Man kann sich bei Pati­en­ten mit einer pul­mo­lo­gi­schen Grund­er­kran­kung aber nicht immer dar­auf ver­las­sen, dass sie einen bel­len­den Reiz­hus­ten haben. Hier tre­ten die Sym­ptome viel­fach nur ver­schlei­ert auf. Neue Richt­li­nien gibt es unter ande­rem auch bei der Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung. Auch aus die­sem Grund haben wir eine Reihe von ein­fa­chen Pocket­cards ent­wi­ckelt, die als Gedan­ken­stütze die­nen sol­len. Unter ande­rem wird es eine Impf­karte geben, auf der alle rele­van­ten Imp­fun­gen bei chro­ni­schen Lun­gen­er­kran­kun­gen ver­zeich­net sind.

Wird es dies­mal ein ganz beson­de­res und aus­drück­lich gewünsch­tes Pro­gramm auch für nie­der­ge­las­sene Ärzte geben?
Für die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte wird es ein sehr pra­xis­be­zo­ge­nes Semi­nar zum Not­fall in der Ordi­na­tion geben, in dem nicht nur mög­li­che Not­fälle bespro­chen, son­dern auch tat­säch­lich geübt wird. Im Zen­trum steht dabei die Frage: Wie über­brü­cke ich die Zeit, bis die Ret­tung kommt? Denn in der nie­der­ge­las­se­nen Pra­xis ist es deut­lich schwe­rer, rich­tig mit einem Not­fall umzu­ge­hen, sowohl die Aus­stat­tung spielt eine Rolle, aber auch die regel­mä­ßige Übung. Klas­si­sche Not­fälle sind bei­spiels­weise die schwere akute Atem­not, der lebens­be­droh­li­che Asth­ma­an­fall oder die dekom­pen­sierte COPD. Im Semi­nar sol­len Ant­wor­ten zur rich­ti­gen Intu­ba­tion, Bebeu­te­lung und Beatmung im Vor­der­grund ste­hen, schlicht: ‚Wie ver­halte ich mich rich­tig?’ Auch fehl­ge­lei­tete, kar­diale Pati­en­ten zäh­len zu den häu­fi­gen Not­fäl­len, etwa die lebens­be­droh­li­che Pul­mo­n­al­em­bo­lie oder das Lungenödem.

Wird es auch einen Blick in die Zukunft der Pneu­mo­lo­gie geben?
Ein biss­chen futu­ris­ti­scher wird es bei unse­rem The­men­block Bio­en­gi­nee­ring. Mit der Stamm­zel­len­for­schung und der The­ma­tik gezüch­tete bezie­hungs­weise nach­wach­sende Lunge wer­den wir weit in die Zukunft schauen. Ein­bli­cke wird es auch in die Steue­rung der The­ra­pie durch Bio­mar­ker und in neue Inter­ven­tio­nen wie etwa bei der Lun­gen­vo­lu­men­ver­klei­ne­rung geben.

Details

Was: Jah­res­kon­gress der Öster­rei­chi­schen Gesell­schaft für Pneumologie

Wann: 24. bis 26. Okto­ber 2013

Wo: Reed Messe Wien, Con­gress Cen­ter, Mes­se­platz 1

Pro­gramm: www.ogp.at; hier kön­nen auch die Pocket­cards bestellt werden.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2013