Ärztetage Grado 2013: HNO: Aus der Praxis für die Praxis

10.05.2013 | Medizin

Ein Drittel aller Patienten in einer allgemeinmedizinischen Praxis kommt mit einem Problem aus dem HNO-Bereich. Welche Fallstricke es zwischen Mittelohrentzündung und Heuschnupfen gibt, darüber kann man sich in einem Seminar bei den diesjährigen Ärztetagen in Grado Ende Mai informieren.Von Barbara Wakolbinger

Jeder dritte Patient in einer allgemeinmedizinischen Praxis kommt wegen Beschwerden im HNO-Bereich, erklärt Walter Povysil, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Linz und einer der Referenten des Seminars „Aus der Praxis – für die Praxis“ bei den 22. Ärztetagen in Grado. Dabei gebe es gerade im HNO-Bereich einige Fallstricke – etwa bei einem der häufigsten Symptome, dem Ohrschmerz. Hier muss zwischen Otitis media und externa unterschieden werden; außerdem können Ohrschmerzen auch von der Halswirbelsäule oder dem Kiefergelenk kommen. „Das erste Unterscheidungskriterium ist hier der Hörverlust. Jede Otitis hinterlässt eine Hörstörung. Gibt es die nicht, sollte man sich nach anderen Ursachen umsehen“, führt Povysil aus. Ein weiteres Indiz zur Unterscheidung stellt die Druck- und Schmerzempfindlichkeit dar. „Drücke ich auf den Tragus oder ziehe ich an der Ohrmuschel und es tut weh, ist es zu 90 Prozent eine Gehörgangsentzündung“, sagt Povysil. Ein weiteres häufiges Problem ist der Hörsturz: Laut dem HNO-Experten gibt es bei kaum einer anderen Erkrankung so viele Spontanremissionen. Trotzdem werde immer wieder sehr kontrovers diskutiert, ob und welche Intervention notwendig ist. „Hat der Patient einen Hörverlust von mehr als 30 Dezibel bei drei Frequenzen, schicke ich ihn ins Krankenhaus“, meint der Spezialist. Praktisches Handwerkszeug wie dieses wird es im Rahmen des Seminars zu 18 verschiedenen Themen aus dem HNO-Bereich geben: von otogenem Schwindel bis hin zum Globussyndrom.

Mindestens zehn Prozent der Menschen haben Ohrgeräusche; die meisten leben aber gut damit, erklärt Peter Reisenberger, Facharzt für HNO in Gmunden und der zweite Vortragende dieses Seminars. Ein Tinnitus kann durch ein kratzendes Haar oder eine Hautschuppe im Trommelfell, aber auch durch Flüssigkeit im Mittelohr entstehen. Auch eine Funktionsstörung des Innenohrs, Gefäßgeräusche oder die Kiefergelenke und die Halswirbelsäule können Auslöser dafür sein. Ein akuter Tinnitus wird am besten mit durchblutungsfördernden Maßnahmen und kurzer, hochdosierter Kortisongabe behandelt; problematisch sind langanhaltend störende Geräusche. „Hier muss man versuchen, Strategien zu entwickeln, damit die Patienten lernen, besser mit dem Tinnitus umzugehen. Dazu zählen isometrische Übungen, Akupunktur aber auch Osteopathie“, meint Reisenberger. Denn vor allem die Weichteilstruktur über dem Gelenk zwischen zweitem und drittem Halswirbel habe sich als entscheidend für die subjektive Wahrnehmung des Ohrgeräusches erwiesen. „Aus meiner Erfahrung steht bei vielen Tinnitus-Patienten eine psychiatrische Erkrankung wie etwa eine Depression oder eine Angststörung im Hintergrund“, sagt Reisenberger. Er versuche deswegen, seine Patienten bei dauerhaften Ohrgeräuschen auch auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen.

Im Bereich der Nase seien vor allem Allergien, Heuschnupfen sowie die rinnende Nase ein Dauerthema. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind von allergischer Rhinopathie betroffen. „Nicht alles, was irgendwie nach Entzündung aussieht, braucht unbedingt ein Antibiotikum“, ist Reisenberger überzeugt.

Antibiotika sparsam einsetzen

Bei Patienten mit Sinusitis seien in 80 bis 90 Prozent auch von einer Allergie betroffen. Durch die allergische Funktionsstörung der Schleimhaut tritt leichter ein viraler Infekt ein. Bakterien würden dann nur noch die idealen Lebensbedingungen ausnützen, die sie bereits antreffen. Die Behandlung mit einem Antibiotikum greife hier daher zu kurz, man müsse auch die Ursache bekämpfen, so Reisenberger. Eine ein- oder zweimalige Gabe von Kortison in höherer Dosierung dämpft die starke Entzündungsreaktion und bringe eine im Vergleich raschere Beschwerdelinderung und Ausheilung. Generell ortet Reisenberger bei der Behandlung von Infekten der oberen Atemwege den häufig zu raschen Einsatz von Antibiotika. „Im normalen Verlauf dauert so etwas einfach zehn bis zwölf Tage. Und dann noch einmal zwei bis drei Wochen, bis sich die Schleimhautfunktion wieder normalisiert hat“, so der Experte. Auch bei Angina lateralis empfiehlt Reisenberger zunächst die symptomatische Behandlung über die Nase mit schleimlösenden Mitteln oder Nasenspray. „Egal ob Sinusitis oder Otitis media: Die Bakterien sind in der Regel nicht das primäre, sondern das sekundäre Problem und daher auch nicht primär zu behandeln. Aber natürlich gibt es Ausnahmen.“

22. Ärztetage Grado

26. Mai bis 1. Juni 2013
Grado/Italien

Information zu Programm und Anmeldung unter www.arztakademie.at/grado/

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2013