Herzerkrankungen bei Kindern: Symptome rechtzeitig erkennen

25.03.2013 | Medizin

Herzerkrankungen bei Kleinkindern weisen eine andere Symptomatik auf als bei Erwachsenen. Erst bei Schulkindern und im Jugendalter können Herzfehler – ebenso wie bei Erwachsenen – durch Belastungseinschränkungen auffallen. Etwa acht von 1.000 Neugeborenen leiden an einem angeborenen Herzfehler. Von Elisabeth Gerstendorfer

Angeborene Herzfehler galten lange Zeit als kaum behandelbar. Erst in den vergangenen 60 Jahren haben sich die operativen Verfahren deutlich verbessert, vor allem auch hinsichtlich der minimal-invasiven Verfahren wie der Herzkatheterintervention. Während im Jahr 1950 nur etwa jedes zehnte Kind mit einem angeborenen Herzfehler das zweite Lebensjahr erreichte, leben heute 90 Prozent der Kinder nach einer Operation und mit Behandlung nahezu ohne Einschränkung der Lebensqualität bis ins Erwachsenenalter. Je nach Herzfehler kann zwar lebenslange Betreuung erforderlich sein, die meisten erleben jedoch trotz chronischer Erkrankung kaum Beeinträchtigungen im Alltag. Heute leiden von 1.000 Neugeborenen etwa acht unter einer angeborenen Herzerkrankung. „Nur ein Bruchteil der Herzfehler ist kritisch, das heißt der Herzfehler ist so schwerwiegend, dass Betroffene aus dieser Gruppe ohne Operation oder andere Behandlungsmaßnahmen, innerhalb des ersten Lebensjahres versterben würden“, sagt Univ. Prof. Ina Michel-Behnke, Leiterin des Kinderherzzentrums an der Medizinischen Universität Wien.

Am häufigsten kommt es zu Ventrikelseptumdefekten (VSD): Etwa jedes dritte Kind mit angeborenem Herzfehler wird mit einem Loch in der Herzscheidewand geboren. Die Fehlbildung entsteht, wenn die oberen und unteren Anteile der Scheidewand zwischen den Herzkammern nicht komplett verwachsen, und sie kann unterschiedlich groß ausfallen. „Kleinere Septumdefekte können sich im Lauf der Zeit spontan verschließen. Bei größeren ist die Herzfunktion beeinträchtigt, sodass sie operativ oder mittels Kathetertechnik verschlossen werden müssen“, so Michel-Behnke. Der VSD tritt oft auch in Kombination mit anderen Herzerkrankungen auf.

Häufig: persistierender Ductus arteriosus

Ebenfalls häufig mit etwa zehn Prozent der angeborenen Herzfehler ist ein persistierender Ductus arteriosus. Der Ductus sollte sich üblicherweise in den ersten drei Lebensmonaten nach der Geburt verschließen. Geschieht dies nicht, bleibt die fetale Verbindung zwischen Lungen- und Körperschlagader aufrecht, wodurch es je nach Größe des Ductus zu Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion kommt.

Die Ursachen sind bei den meisten Herzfehlern nicht geklärt. Nur wenige Auslöser und Risikofaktoren konnten bisher festgestellt werden: Dazu zählen chromosomale Störungen, Medikamente, Alkoholabusus oder Infektionen während der Schwangerschaft sowie frühere Herzerkrankungen der Mutter und späte Elternschaft.

Seltene, gravierende Herzfehler wie eine Transposition der großen Arterien (TGA) oder das Hypoplastische Links- beziehungsweise Rechtsherz-Syndrom, bei dem eine Herzkammer fehlt beziehungsweise unterentwickelt ist, werden vor beziehungsweise kurz nach der Geburt festgestellt – etwa aufgrund einer Zyanose. Bei der Geburt zunächst asymptomatische Herzfehler werden hingegen erst später im niedergelassenen Bereich entdeckt. „Die Hauptprobleme von Kindern, bei denen man an Herzerkrankungen denken muss, unterscheiden sich deutlich von jenen Erwachsener. Säuglinge mit angeborenem Trinkschwäche aufgrund der vermehrten Herz- und Lungenleistung sowie eine Gedeihstörung, das heißt sie legen nur zögerlich an Gewicht zu“, erklärt Univ. Prof. Jörg-Ingolf Stein, Leiter der Kinderkardiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Darüber hinaus atmen sie aufgrund des raschen Herzschlags zu schnell und sind dystroph. Bei Kleinkindern treten häufig auch pulmonale Infekte mit Husten auf, die sie viel häufiger aufweisen als Gleichaltrige, da durch die Herzfehlfunktion sekundär auch die Lunge geschädigt wird. Erst bei Schulkindern und im Jugendalter können Herzfehler – ebenso wie bei Erwachsenen – durch Belastungseinschränkungen auffallen. Die bei Erwachsenen mit Herzerkrankungen typischen Brustschmerzen können auch im jugendlichen Alter auftreten. „Sie sind jedoch nahezu ausschließlich nicht vom Herzen bedingt, sondern zumeist handelt es sich um Schmerzen, die vom Rücken ausgehen“, so Stein.

Den Verdacht auf einen Herzfehler bei Kindern bestärken vor allem auffällige Herz- geräusche. Abgeklärt werden muss, ob Herzgeräusche erstmals auftreten, in Zusammenhang mit anderen Symptomen wie etwa Fieber oder ob sie sich ändern, wenn der Patient seine Lage ändert. Akzidentelle Herzgeräusche haben im Sitzen einen anderen Klangcharakter als im Liegen – bei ihnen kann ein Herzfehler ausgeschlossen werden. Gibt es aber einen Druckunterschied, etwa durch einen Fehler in der Herzklappe, bleibt der Klangcharakter auch in anderen Positionen gleich und ist ein Hinweis.

Blutdruck als Hinweis

Maßgeblich ist auch der Blutdruck. Stein: „Der Blutdruck sollte im Kindesalter nicht nur am Arm, sondern auch am Bein und zwar an allen vier Gliedmaßen gemessen werden, um eine Aortenisthmusstenose auszuschließen. Dabei handelt es sich um eine angeborene Engstelle an der Hauptschlagader, die erst spät symptomatisch werden kann.“ Hinweis ist ein erhöhter Blutdruck am Arm im Vergleich zum Bein sowie schwache beziehungsweise fehlende Fuß- und Femoralispulse. Die Aortenisthmusstenose macht etwa acht Prozent der angeborenen Herzfehler aus.

Erworbene Herzkrankheiten treten im Kindesalter im Vergleich zu angeborenen sehr selten auf und sind meist durch Infektionen bedingt. Auch Krankheiten in Zusammenhang mit rheumatischem Fieber und Entzündungen des Herzmuskels – meist durch Virusinfektion bei schwerer Erkältung – zählen zu möglichen erworbenen Herzkrankheiten bei Kindern. Sie können vollständig ausheilen. In der schwersten Form können aber auch schwere Schädigungen auftreten, die eine Transplantation erforderlich machen. Degenerative Herzklappenerkrankungen, die beim Erwachsenen als Regelfall auftreten, gibt es beim Kind nicht. Auch Herzrhythmusstörungen treten seltener auf, können dann aber zu Herzversagen führen. „Kinder mit Herzrhythmusstörungen werden müde, blass und legen sich freiwillig hin. Oft ist es auch so, dass sie plötzlich erbrechen sowie anfallsweise ein vom Vorhof ausgehendes Herzrasen auftritt und wieder verschwindet. Bei Erwachsenen mit Herzrhythmusstörungen kommt es hingegen zu Vorhofflimmern und unregelmäßigem Herzschlag“, so Stein. Besteht der Verdacht auf einen Herzfehler oder eine erworbene Herzerkrankung, sollte in jedem Fall zur näheren Abklärung in ein Zentrum überwiesen werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2013