Standpunkt – Vize-Präs. Karl Forstner: Macht und Geld

15.08.2012 | Standpunkt

(c) ÄK für Salzburg

Das österreichische Gesundheitssystem wird wie in allen hoch entwickelten Staaten von einer immanenten Kostendynamik, die Innovations- und Demographie-getrieben ist, bestimmt. Angesichts dieser Entwicklung ist auch der Ärzteschaft durchaus die Sorge – erst recht vor dem Hintergrund der skandalösen Ereignisse am Finanzsektor – derer verständlich, die für die öffentlichen Haushalte Verantwortung tragen.

Damit hier kein Missverständnis entsteht: Reformen im Sinne von Weiterentwicklungen und Anpassungen stehen nicht im Widerspruch zur Haltung der ärztlichen Standesvertretung, sondern werden vielmehr seit Jahren von uns gefordert. Als Beispiele seien hier der Ausbau der hausärztlichen Versorgung, die längst überfällige Verbesserung der Ausbildung und die Entlastung der Spitalsambulanzen genannt.

Aber darum geht es nicht im Positionspapier der geplanten Gesundheitsreform von Bund, Ländern und Sozialversicherung*. Aber, welche Überraschung: Es geht um Macht und Geld! Einerseits soll hier die oft schwierige, aber letztlich gut funktionierende Sozialpartnerschaft zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherung über weite Strecken zugunsten staatlicher Lenkung zurückgedrängt werden. Andererseits sollen durch Bindung der Kostenentwicklung an das BIP künftig substanzielle Summen – rund 3,5 Milliarden Euro bis 2016 und rund elf Milliarden Euro bis 2020 – der öffentlichen Gesundheitsausgaben eingespart werden.

Dies wird, selbst unter der Annahme gegebener und realisierbarer Rationalisierungs-potentiale, nicht ohne Folgen für die Leistungsangebote bleiben. Nur das verschweigt die Politik der Bevölkerung. Aber auch wir Ärzte gehen nicht davon aus, dass es zum Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung kommt. Allerdings gewinnen Ideen wie etwa „Bannmeilen“ für niedergelassene Fachärzte im Umfeld von Krankenhäusern, wie dies etwa die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller 2011 formulierte, vor dem Hintergrund dieses „Reformpapiers“ bedrohliche Kontur. Die Orientierung an den Wünschen einer Bevölkerung spielt hier keine Rolle mehr. Der Primat eines solidarischen Gesundheits-wesens wird locker aufs Spiel gesetzt. Denn niemand wird ernsthaft glauben, dass sich alle diesem Diktat unterwerfen werden. Mit Geld werden medizinische Leistungen rasch und vollständig erreichbar sein. Nur nicht für alle.

Die Ärzteschaft würde – und wird, wenn die Politik diesen Weg geht – sich als Leistungs-anbieter zweifelsfrei auch auf diesem Markt behaupten. Aber dieser Weg ist nicht nur der gesundheitspolitischen, sondern der gesamtgesellschaftlichen Folgen wegen, falsch
und riskant.

Man kann die Ärzteschaft von Planungen ausschließen; das offene Wort wird man ihr nicht verbieten können.

* Die „politische Vereinbarung über ein partnerschaftliches Zielsteuerungssystem für das österreichische Gesundheitswesen und einen Ausgabendämpfungspfad für die öffentlichen Gesundheitsausgaben“ vom Juni 2012 ist Grundlage für die ab 2013 gültige neue „15a-Vereinbarung“ im Rang eines Staatsvertrages zwischen Bund und Ländern.

Dr. Karl Forstner
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2012