Stand­punkt – Vize-Präs. Johan­nes Stein­hart: Es geht um’s Prinzip

25.10.2012 | Standpunkt

Es geht um’s Prinzip

(c) Gregor Zeitler

Wen küm­mert es, dass es in Wien kei­nen ein­zi­gen nie­der­ge­las­se­nen Fach­arzt für Kin­der- und Jugend­psych­ia­trie mit Kas­sen gibt? Wen küm­mert es, dass das AKH finan­zi­ell am Abgrund steht? Zuge­ge­ben: Das sind jetzt Bei­spiele aus Wien, wo man­ches im Gesund­heits­be­reich anders ist als im übri­gen Öster­reich. Aller­dings bin ich der fes­ten Über­zeu­gung, dass es jeden­falls sym­pto­ma­tisch für die Ent­wick­lung im öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sen ins­ge­samt ist.

Unsum­men wer­den inves­tiert – und wir reden hier nicht von Mil­lio­nen son­dern von Mil­li­ar­den Euro –, damit man inner­halb Öster­reichs schnel­ler von A nach B kommt. Über die Sinn­haf­tig­keit eines sol­chen Pro­jekts will ich jetzt gar keine Über­le­gun­gen anstel­len. Mir geht es um’s Prin­zip: was in Öster­reich Prio­ri­tät hat und wofür unser aller Steu­er­geld ver­wen­det wird.

Zusätz­li­che Kas­sen­stel­len im nie­der­ge­las­se­nen Bereich – so wie ich es erst kürz­lich vor­ge­schla­gen habe – um damit die Spi­tals­am­bu­lan­zen zu ent­las­ten? Lei­der – so hören wir es bei den Ver­hand­lun­gen mit der Kasse – aber dafür gibt es kein Geld.

Im Gesund­heits­we­sen ist die Ent­schei­dung gefal­len: Wir brau­chen ELGA – mei­nen jeden­falls die, die im Grunde genom­men gar nichts damit zu tun haben – näm­lich Poli­ti­ker und Ver­tre­ter der IT-Gemeinde. Erst nach­dem wir uns von Sei­ten der ÖÄK mas­siv in die Gesprä­che hin­ein­re­kla­miert und ein­ge­bracht haben – schließ­lich sind es wir Ärzte, auf denen die Haupt­last von ELGA im All­tag liegt – erst ab die­sem Zeit­punkt ist es gelun­gen, die ärgs­ten Pan­nen die­ses Geset­zes aus­zu­mer­zen. Und eine Bemer­kung muss erlaubt sein: Hätte man Ver­tre­ter der ÖÄK frü­her ein­be­zo­gen, wäre man­ches ver­mut­lich ein­fa­cher gewe­sen. Und doch: Auch wenn wir hier nun Teil­erfolge erzie­len konn­ten, ist der vor­lie­gende Geset­zes­ent­wurf suboptimal.

Diese kri­tik­lose Hul­di­gung der Seg­nun­gen der moder­nen EDV lässt einen mit Ver­stand begab­ten Men­schen oft daran zwei­feln, ob hier tat­säch­lich die vor­ge­ge­be­nen Ziele – sprich: rasch vor­han­dene Infor­ma­tio­nen über Medi­ka­tion und Vor­be­funde – tat­säch­lich die trei­bende Kraft sind oder ob sich in Wirk­lich­keit nicht doch ganz andere Ziele dahin­ter verbergen.

Rein theo­re­tisch könnte man ja auf die Idee kom­men, aus den gesam­mel­ten Daten Rück­schlüsse auf den Gesund­heits- (Krankheits-)zustand der Bevöl­ke­rung zu zie­hen und dar­aus Pla­nun­gen für die Gesund­heits­ver­sor­gung abzu­lei­ten. Über­le­gun­gen dazu gibt es, hat Gesund­heits­mi­nis­ter Alois Stö­ger bei den dies­jäh­ri­gen Gesund­heits­ge­sprä­chen in Alp­bach gesagt: Man benö­tige ELGA, um im Gesund­heits­we­sen lang­fris­tig pla­nen zu können.

ELGA muss – so wie die tech­ni­sche Infra­struk­tur in unse­ren Ordi­na­tio­nen ins­ge­samt – uns Ärzte in unse­rer Arbeit unter­stüt­zen – was ja der­zeit nicht der Fall ist.

Denn das Wich­tigste bei unse­rer täg­li­chen Arbeit in der Ordi­na­tion ist ja, dass die Ver­trau­ens-Bezie­hung zwi­schen Arzt und Pati­ent nicht unter­mi­niert wird. Die­ser Kern­pro­zess im ärzt­li­chen All­tag darf nicht beein­flusst wer­den – von nichts und niemandem.

Johan­nes Stein­hart
Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2012