Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Ihrem Schicksal überlassen

25.03.2012 | Standpunkt

(c) Bernhard Noll

Dass der Landärztemangel in Österreich traurige Realität ist, kann niemand mehr leugnen; auch wenn es die österreichischen Politiker im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen, die dieses Problem mit einem Gesetz in den Griff bekommen wollen, noch immer nicht wahrhaben wollen.

Aber mittlerweile tut sich ein anderes Problemfeld auf: jenes der Arbeits- und Ausbildungssituation von Turnusärztinnen und Turnusärzten. Bei einer aktuellen Befragung hat jeder Dritte von ihnen angegeben, nicht mehr Medizin studieren zu wollen oder nochmals diesen Berufsweg einzuschlagen. Und all das, obwohl das Medizinstudium mit seinem Eingangstest ja gleich zu Beginn eine enorme Hürde darstellt – und möglicherweise hier auch gleich die erste Ursache zu finden ist. Diese Prüfung müsste zuerst so geändert werden, dass man auf die Human-Faktoren besonderen Wert legt.

Was nun die Ausbildung selbst anlangt, so weisen wir von Seiten der Ärztekammer schon seit vielen Jahren darauf hin, dass es im Turnus darum geht, dass die angehenden Jungärztinnen und Jungärzte auf ihre spätere Tätigkeit in der Niederlassung vorbereitet werden. Trotzdem werden sie als Hilfskräfte eingesetzt anstatt ausgebildet zu werden. Das ist frustrierend und entmutigend. Unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen mit zwei Nachtdiensten pro Woche sowie zwei Wochenenddiensten pro Monat braucht es eigentlich niemanden mehr zu wundern, wieso die zu Beginn des Medizinstudiums noch hoch motivierten jungen Menschen so rasch desillusioniert sind. Ich kenne auch keinen anderen akademischen Beruf, bei dem Jungakademiker so eingespannt sind.

Der zuständige Gesundheitsminister hat das Dilemma zwar erkannt, aber: Er ist eher bereit, ins Ärztegesetz zu schreiben, dass Turnusärzte diese Tätigkeiten wie Blutabnahme oder Infusionen-anhängen machen müssen, um sich dem gewerkschaftlichen Druck zu entziehen, anstatt sich darum zu kümmern, dass diese jungen Ärztinnen und Ärzte, die die Basis der medizinischen Versorgung unseres Landes in Zukunft darstellen, bestens ausgebildet werden.

Man überlässt die Jungen ihrem Schicksal. Ich sehe keine andere Möglichkeit, dem entgegenzusteuern, als dass hier eine neue Art des Coachings kommen wird müssen. Das Gesetz sieht übrigens vor, dass der Turnusarzt schon jetzt gecoacht wird, dass es einen zuständigen Oberarzt gibt, den er Tag und Nacht fragen kann. Ab Herbst dieses Jahres werde ich dieses Thema vorantreiben. Ich werde mit besonderem Druck und mit besonderer Sorgfalt darauf achten, dass die Jungen das bekommen, was ihnen zusteht. Die wichtigsten Soft-Skills, die ein junger Arzt braucht, bekommt er nur, wenn er geleitet wird. Wenn das in ein, zwei Jahren nicht zur vollen Zufriedenheit funktioniert, wird man letzten Endes Coaching-Kurse für Oberärzte einführen müssen.

Die letzte Konsequenz in dieser Misere ist aber auch ganz klar: eine entsprechende Aufstockung des Personals bei Oberärzten und Turnusärzten. Wenn Turnusärzte 60 Stunden und mehr pro Woche arbeiten und das sozusagen die Norm ist, dann muss das verbessert werden. Auch das ist ein Beitrag, die Ausbildung unserer jungen Kolleginnen und Kollegen zu verbessern.


Walter Dorner

Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2012