Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Jahresbilanz eines Bundesministers

25.01.2012 | Standpunkt

(c) Bernhard Noll

Eine der wichtigsten Aufgaben und Pflichten des Gesundheitsministers ist es, sich um das Wohlergehen der in Legistik und Verwaltung und ihm somit politisch anvertrauten Gesundheitsberufe zu bemühen.

Die Ärzteschaft als der Gesundheitsberuf mit der bestqualifizierten Ausbildung und höchsten Verantwortung verdient wohl die größtmögliche Obsorge eines Gesundheitsministers: Sein Bemühen darum, dass hervorragende berufliche Rahmenbedingungen gegeben sind; Nachteile, Behinderungen und Beeinträchtigungen bei der Berufsausübung abgewendet werden. Nur unter optimalen Voraussetzungen kann die bestmögliche Qualität der Gesundheitsversorgung geboten werden.

Dies herbeizuführen und zu bewahren, ist auch deswegen umso wichtiger, da dem Gesundheitsminister meistens die entsprechenden finanziellen Mittel fehlen – sowohl für die Finanzierung des Gesundheitswesens als auch für das wirtschaftliche Fortkommen der Gesundheitsberufe.

Und was macht der Gesundheitsminister?

Man hat seit einiger Zeit den Eindruck, die Ärzte – Spitalsärzte oder auch niedergelassene Ärzte – werden dem Bundesminister immer unwichtiger:

Im Bundeskrankenanstaltengesetz (KAKuG) etwa hat der Minister dem Druck der Bundesländer nachgegeben und den gegenwärtigen bewährten Mindeststandard massiv reduziert: Die Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten für Spitalsärzte wurden verschlechtert; der Bevölkerung wird vorgegaukelt, dass sich nichts ändern wird, obwohl in den Spitälern Leistungen heruntergefahren werden.

Im Zuge der aktuellen Ärztegesetz-Novelle wiederum war das Gesundheitsministerium bereit, die Stellung der Turnusärztinnen und Turnusärzte – wiederum auf Wunsch der Bundesländer – zu verschlechtern, um Kosten zu sparen. Konkret ging es um die Legalisierung von Systemerhalter-Tätigkeiten durch Turnusärzte. Zusätzlich sollten Turnusärzten Tätigkeiten zugewiesen werden, die im Routinefall das Pflegepersonal durchführen kann. Weiters sollte die gesetzlich festgelegte Kernarbeitszeit, also Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 13 Uhr – wohl, um ebenfalls Geld zu sparen – aufgeweicht werden, da der Einsatz von Turnusärzten für den Spitalsträger billiger ist als ein Facharztdienst. Nur durch den vehementen Widerstand der ÖÄK konnten gravierende Benachteiligungen vorerst verhindert werden.

Die Vorgangsweise, die das Ministerium im Zusammenhang mit der Qualitätssicherungs-Verordnung an den Tag legt, ist ebenfalls kein Ruhmesblatt.

Die Österreichische Ärztekammer war und ist bereit, die Qualitätssicherung der niedergelassenen Ärzte im übertragenen Wirkungsbereich weiter zu führen, obwohl damit ein deutlich erhöhter Arbeits- und Koordinationsaufwand und erhebliche finanzielle Mittel nunmehr verbunden sind. Wir haben dem Gesundheitsministerium damit einen hohen Aufwand ersparen können, wobei es gar nicht so sicher ist, ob das Ministerium zu dieser kreativen wie operativen Kraftanstrengung überhaupt in der Lage wäre, rund 22.000 Ordinationen zu evaluieren.

Beamte des Gesundheitsministeriums waren bei der Entwicklung der neuen Qualitätssicherungs-Verordnung von Anfang an dabei; die Geschäftsführerin des Bundesinstituts für Qualität im Gesundheitswesen GmbH (BIQG), eine Einrichtung des Gesundheitsministeriums, hat auf Vorschlag der ÖÄK den Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat der ÖQMed eingenommen.

Dennoch hat der Minister der ÖÄK kürzlich eine Weisung erteilen wollen, wonach auch nur bei routinemäßig festgestellten Mängeln bei Kassenärzten die jeweils zuständigen Krankenkassen zu verständigen sind; sogar das Recht haben sollen, an Ordinationsbesuchen teilzunehmen, kurz: am gesamten Evaluierungsprozess bis zur Behebung eines Mangels beim Kassenarzt dabei zu sein. Egal, ob es sich um einen formalen oder auch noch so geringfügigen Mangel handelt; egal, wie schnell er behoben wird: Geht es nach dem Willen des Gesundheitsministers, muss die Krankenkasse jedenfalls informiert werden, ein „Kassenkommissar“ die Ordination kontrollieren.

Dass die Vollversammlung der ÖÄK nicht bereit war, Derartiges zu beschließen, liegt auf der Hand, weshalb der Gesundheitsminister ohne zwingende Rechtsgrundlage unberatbar und unbeirrbar eine ergänzende Verordnung erlassen hat, die diese Überwachungsaktionen ermöglichen soll.

Die massivste Kritik am Minister betrifft sein überhastetes Agieren in Sachen ELGA: Einen, wie sich nun allenthalben herausstellt, legistisch, datenschutzrechtlich, elektronisch, sicherheitstechnisch und ohne realistische Kostenberechnungen, also einen schlechten Gesetzentwurf, dies noch ohne jegliche medizinische Evaluierung, wie zum Beispiel durch die E-Medikation, im Herbst 2011 durch den Ministerrat in das Parlament zur Beschlussfassung zu bringen, war nicht sorgfaltsgemäß und verantwortungsvoll. Der Minister hat hier die Interessen und Notwendigkeiten von Ärzten wie von Patienten nicht ausreichend berücksichtigt!

Nach dem Entwurf des Gesundheitsministeriums wäre die Berufsausübung für die Ärzte erheblich arbeits- und kostenaufwändiger geworden. Erst durch den Beschluss der Bundesgesundheitskommission am 25.11.2011 wurden substantielle, das heißt sach- und fachgerechte Verhandlungen gestartet, die nun auch stattfinden. Das herbstliche Überrumpelungsmanöver des Ministeriums ist also nicht gelungen.

Der Jahresrückblick hinsichtlich der Tätigkeit des Ministers fällt also insgesamt überaus kritisch aus. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ärztinnen und Ärzte scheinen dem Minister unwichtig geworden zu sein!!

Uns allen wünsche ich ein gutes Jahr 2012!

MR. Dr. Walter Dorner
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2012