Standpunkt – Präs. Artur Wechselberger: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“

10.11.2012 | Standpunkt

(c) Dietmar Mathis

Dieser Satz des 2007 in Kalifornien verstorbenen Psychotherapeuten und Kommunikationswissenschafters mit österreichischen Wurzeln, Paul Watzlawick, könnte zu mehr Differenziertheit und Sensibilität bei Reformen im österreichischen Gesundheitswesen anspornen.

Der geplatzten Reform von 2008, die die Ärzteschaft auf die Straße getrieben hatte, folgte die konfliktgeladene Entwicklung von ELGA, eines tief in die Behandlungsabläufe in Arztpraxen und Krankenhäusern, aber auch in die Persönlichkeitsrechte aller Österreicherinnen und Österreicher eingreifenden elektronischen Infrastrukturprojektes. Nahtlos reiht sich jetzt
die Gesundheitsreform 2012 als weiterer Zankapfel zu den Reformbestrebungen der
letzten Jahre.

Denn gewohnt stereotyp agieren Bund, Länder und Sozialversicherung auch im geplanten Veränderungsprozess. Statt die Ziele klar zu kommunizieren und in einer Kultur der Offenheit und des Vertrauens die Betroffenen einzubinden, werden durch Ausgrenzung, Geheimverhandlungen und Machtgehabe Verunsicherung gesät und Gerüchte geschürt.

In der Diskussion um die geplanten neuen Entscheidungs- und Steuerungsgremien, die alle – außer den drei genannten Akteuren – ausschließen sollen, sind das Gerangel um die Machtverteilung und die Zuordnung der Kosten wichtiger als die Versorgungsinhalte, die alle Österreicherinnen und Österreicher aber auch jeden Beschäftigten im Gesundheitswesen treffen werden.

Dabei wäre aber die Beantwortung der offenen Fragen zur zukünftigen Versorgung entscheidend, um Unklarheiten zu klären und Vertrauen zu gewinnen anstatt durch Verweigerung Unruhe zu erzeugen und Ängste zu schüren. Wie will man einen Entwicklungsstopp unseres Gesundheitssystems, Leistungsreduktionen oder Rationierungen verhindern, wenn ein finanzieller Deckel notwendige Ausgaben limitiert? Wo werden die Ärzte der Zukunft ihren Arbeitsplatz finden, wenn die Reformpläne den Abbau von fachärztlichen Doppelstrukturen und die Behandlung der Patienten an einem noch allen unbekannten „point of best service“ vorsehen? Wie zukunftssicher ist das Kleinunternehmen Arztpraxis, wenn der Errichtung von multiprofessionellen und integrativen Versorgungsformen Vorrang gegenüber Einzel-Leistungserbringern eingeräumt werden soll? Wie wird sich der Arbeitsalltag der Spitalsärzte verändern, wenn Akutkrankenanstalten in – auch dislozierte – Wochen- beziehungsweise Tageskliniken oder Basis-Krankenanstalten umgewandelt oder zu Multistandort-Krankenanstalten werden?

Statt diese zum Teil existentiellen Unsicherheiten zu klären und sich mit den Ängsten und Sorgen der Betroffenen auseinander zu setzen, schütten die Akteure noch Öl ins Feuer, indem sie – ohne dass daraus ein Spareffekt zu erwarten ist – grundsätzliche Aufgaben der Selbstverwaltung der Ärzte als Angehörige eines freien Berufs in Frage stellen. Zu diesen gehören die Ausbildung der Berufsangehörigen aber auch die Festlegung und Überprüfung von Qualitätsnormen ebenso wie die Honorargestaltung und Stellenplanung innerhalb der gesamtvertraglichen Regelungsautonomie von Sozialversicherungsträgern und Ärztekammern.

Dabei wäre es die Aufgabe aller politischen Funktionsträger, bei der Planung des Veränderungsprozesses, den die Gesundheitsreform anstrebt, die Notwendigkeit des Sparens und die daraus folgenden Veränderungen klar und deutlich zu kommunizieren, Verständnis dafür durch offene Diskussion zu fördern und Graubereiche und Unsicherheiten abzubauen sowie die Betroffenen einzubinden. Denn die Kenntnis des Zieles, eine offene Kommunikation und Vertrauen sind die Grundvoraussetzungen, damit Menschen bereit sind, Veränderungen mit zu tragen. Machtgehabe und staatlicher Dirigismus wirken dem entgegen.

Artur Wechselberger
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2012