Standpunkt – Präs. Artur Wechselberger: Bürokratie als letzter Endzweck des Staates?

25.09.2012 | Standpunkt

(c) Dietmar Mathis

Da die Bürokratie ihre „formellen“ Zwecke zu ihrem Inhalt macht, gerät sie überall in Konflikt mit den „reellen“ Zwecken. Zwei Sätze von Karl Marx, die nicht nur für den real erlebten Alltag der österreichischen Ärztinnen und Ärzte gelten, sondern auch in der im Konzept zur Gesundheitsreform 2012 vorliegenden Art. 15a B-VG-Vereinbarung „Zielsteuerung – Gesundheit“ eine drastische Bestätigung erfahren.

„Zweck der Zielsteuerungsvereinbarung ist, der Bevölkerung den niederschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten und ihre hohe Qualität langfristig zu sichern“, bekräftigen die Autoren. Gott sei Dank oder „no na“ – die Zielrichtung der Gesundheitspolitik. Um sich in der Folge – ebenso wenig konkret – den mehrheitlich nicht-medizinischen Inhalten der Vereinbarung zu widmen. Die geplante Sektoren-übergreifende Zielsteuerung-Gesundheit will – wenigstens zur Freude aller Bürokraten – mit einer Weiterentwicklung von Organisation und Steuerungsmechanismen auf Bundes- und Landesebene das Ziel einer gesteigerten Effektivität und der wirtschaftlichen Effizienz erreichen.

Eine freudige Erregung, die sich mit den Ankündigungen von integrativer Steuerung, Planung, Etablierung eines neuen Monitoring-Systems und Berichtwesens, der Festsetzung von Planungswerten, dem Aufbau von Finanzzielsteuerung, einheitlicher Berichterstattung, Dokumentation und Datenerhebung, Monitoring und Controlling sicher noch steigern lässt.

Apropos Karl Marx: Die gesundheitspolitischen Masterminds unserer demokratischen Republik schrecken auch nicht davor zurück, die Errichtung von Polykliniken vorzuschlagen und damit einem Relikt eines totalitären Staates nach mehr als 20 Jahren wieder zur Auferstehung zu verhelfen und diese den frei niedergelassenen Fachärzten als Konkurrenz anzudrohen. Dass sie ihr Sparprogramm mit Vierjahres-Programmen begleiten wollen, verstärkt noch die Erinnerungen an das Versagen staatlicher Planvorgaben.

Als hätten sie die Ärztebedarfsstudie nicht gelesen, empfehlen die Autoren die Fortsetzung einer Gesundheitspolitik, die dazu geführt hat, dass Ärztinnen und Ärzte bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie vergeuden anstatt ihr intellektuelles Potential zu 100 Prozent den Patienten zukommen zu lassen. Unbeeindruckt akzeptieren sie offensichtlich auch das Faktum, dass die abnehmende Attraktivität des ärztlichen Berufs aber auch der Pflegeberufe den Nachwuchsmangel bei steigendem Bedarf noch verschärfen wird.

Eines sollte ihnen allerdings noch in Erinnerung sein: das Jahr 2008 und die damals angedachten Reformen, die die Ärzteschaft auf die Straße gebracht haben. Wir werden auch 2012 nicht still sein, wenn ein unreflektiertes Sparprogramm die Versorgung der Bevölkerung und das Arbeitsumfeld von Ärztinnen und Ärzten zu verschlechtern droht.

Dass eine frühzeitige Einbindung der Ärzteschaft als seriöser, kompetenter und zielorientierter Gesprächspartner Lösungen beschleunigen und Konflikte verhindern kann, haben wir schon oft bewiesen. – Der Beitrag der Ärzteschaft zur Sanierung der Krankenkassen sollte noch nicht vergessen sein.

Dass eine Gesundheitspolitik unter Ausschluss der Ärzte, für die die Behandlung ihrer Patienten nicht nur ihr Beruf, sondern auch ein grundsätzliches Anliegen ist, ein realitätsfernes politisches Sandkastenspiel bleiben wird, ist ebenso evident.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2012