Steuer: Aktuelle Judikatur – Teil 1

10.03.2012 | Service


Von Herbert Emberger*

1. Übergabe der Kassenpraxis – Abschreibung des Praxiswertes
(BFH vom 09/08/2011,VIII R13/08)

Der deutsche Bundesfinanzhof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Vertragsarztpraxis übergeben wurde und neben dem abschreibbaren Praxiswert auch Abschreibungen vom immateriellen Wirtschaftsgut der „Vertragsarztzulassung“ geltend gemacht worden sind. Der BFH hat entschieden, dass bei einer Orientierung des Kaufpreises am Verkehrswert im abgegoltenen Praxiswert der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar enthalten und somit kein eigenes Wirtschaftsgut ist. Der erworbene Praxiswert setzt sich aus verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammen, wie Patientenstamm, Standort, Umsatz usw. Es handelt sich um einen Inbegriff einer Anzahl von einzeln nicht messbaren Faktoren. Der übergebende Vertragsarzt kann den Vorteil aus der Zulassung grundsätzlich nicht selbstständig verwerten. Der Kaufpreis ist also in toto, ohne dass ein Anteil auf den Vorteil aus der Vertragsarztzulassung ausgeschieden werden muss, abschreibbar.

Auch in Österreich hat der Kassenvertrag, weil er an die konkrete Person des Vertragsarztes gebunden ist, keinen handelbaren Wert, er ist nicht gesondert veräußerbar, wohl aber ist es selbstverständlich möglich, im Verkaufspreis einen immateriellen Wert neben den Sachwerten anzusetzen und in der Regel in etwa auf fünf Jahre abzuschreiben.

2. Pensionsbeiträge aufgrund des Sondervertrages eines angestellten Arztes
(VwGH vom 16.12.2010, 2009/15/0189)

Pensionsbeiträge eines Primararztes, die freiwillig aufgrund eines mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Vertrages bezahlt werden, sind keine Werbungskosten, sondern nur beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben. Der Verwaltungsgerichtshof begründet diese Entscheidung wie folgt: Pflichtbeiträge, die als Werbungskosten abzugsfähig sind, setzen voraus, dass sie aufgrund einer zwingenden Vorschrift zu leisten sind. Im Anlassfall bestand keine öffentlich-rechtliche Vorschrift mit Verpflichtung zur Teilnahme an der Versorgungseinrichtung, sondern die Teilnahme gründet sich auf einen Sondervertrag, also auf vertragliche Grundlage. Beiträge sind somit aufgrund einer freiwillig eingegangenen Vereinbarung zu zahlen. Auch der Umstand, dass die Beiträge nicht absetzbar sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil, soweit die künftigen Pensionsbezüge auf diese Beiträge zurückzuführen sind, grundsätzlich keine Steuerpflicht besteht.

3. Angestellter Arzt mit Sonderklassegebühren – Fahrtkosten
(VwGH vom 31.03.2011, 2007/15/0144)

Wenn ein angestellter Arzt aus der Behandlung der Patienten Sonderklassegebühren bezieht, so sind die Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Verkehrsabsetzbetrag und durch die Pendlerpauschalbeträge abgegolten. Eine gesonderte Absetzung von Fahrtkosten in Hinblick auf die Erzielung von Sonderklassegebühren, die selbstständige Einkünfte sind, kommt nicht in Frage beziehungsweise wäre nur dann denkbar, wenn außerhalb der Dienstbereitschaft des angestellten Arztes Fahrten, zum Beispiel über Anforderung einzelner Sonderklassepatienten, gesondert angefallen wären.

4. Vermietung von ärztlichen Geräten durch eine Partner-OG an den niedergelassenen ärztlichen Gatten – kein Missbrauch
(VwGH vom 31.03.2011, 2008/15/0115)

Ein Röntgenfacharzt hat mit seiner in der Ordination angestellten Ehegattin eine OG gegründet, die verschiedene ärztliche Geräte erworben und an die Praxis vermietet hat. Geltend gemacht wurde von der OG der Vorsteuerabzug für diese Geräteanschaffung. Das Finanzamt hat diesen Vorgang als Missbrauch gewertet und den Vorsteuerabzug nicht anerkannt. Der VwGH verweist dabei auf die Rechtsprechung des EuGH, demzufolge Vermietungsumsätze und der damit verbundene Steuervorteil nicht schon von Vornherein im Widerspruch mit der Mehrwertsteuerrichtlinie stehen. Ein solcher Missbrauch setzt zum Einen voraus, dass die fraglichen Umsätze einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem Ziel der Mehrwertsteuerrichtlinie zuwiderlaufen und zum Zweiten müsse aus objektiven Anhaltspunkten ersichtlich sein, dass mit dieser Vorgangsweise im Wesentlichen nur ein Steuervorteil bezweckt wurde.

Das Missbrauchsverbot sei nämlich nicht relevant, wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung haben könnten als nur die Erlangung von Steuervorteilen. Missbrauch im Sinne des § 22 der österreichischen BAO ist eine rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen ist und die nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Können beachtliche außersteuerliche Gründe für eine wenn auch ungewöhnliche Gestaltung angeführt werden, ist ein Missbrauch auszuschließen. Im konkreten Fall ist entscheidend, dass im Bescheid des Finanzamtes keine Feststellungen getroffen worden sind, welchen konkreten Steuervorteil auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer die gewählte Gestaltung im Ergebnis haben soll. Der Bescheid enthält ein paar Hinweise auf die Höhe der geltend gemachten Vorsteuer, mangelt aber an Feststellungen über die beim Beschwerdeführer angefallene Umsatzsteuer. Ohne Feststellung über den Steuervorteil ist die Beurteilung einer Gestaltung als missbräuchlich von Vornherein ausgeschlossen. Der VwGH hat daher den Bescheid der Finanzbehörde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

5. Keine unechte Umsatzsteuerbefreiung der Umsätze der Heilmasseure
(VwGH 28.04.2011, 2008/15/0224)

Im Anlassfall hat das Finanzamt die freiberuflichen Leistungen einer Heilmasseurin (ärztlich angeordnete klassische Massagen, manuelle Lymphdrainagen, Elektrotherapien) der Umsatzsteuerpflicht unterzogen. Der Verwaltungsgerichtshof wurde zu dieser Rechtsfrage angerufen und hat den Bescheid wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dabei verweist er auf die abschließende Aufzählung der unecht Umsatzsteuer-befreiten Berufe in § 6 Abs 1 Z 19 UStG, bei der die Heilmasseure nicht angeführt sind. Andererseits wird die Rechtsprechung des EuGH zitiert, dass dann, wenn keine sachlichen Gründe für den Ausschluss einzelner Berufsgruppen oder Tätigkeiten vorliegen, obwohl eine gleichwertige Qualifikation und Qualität der Tätigkeit mit den unecht befreiten Berufen gegeben ist, der Ausschluss von der unechten Befreiung sachlich unbegründet ist. Das Ermessen für den Gesetzgeber des Landes ist damit nicht unbegrenzt. Die Ausführungen der Bescherdeführerin, dass eine gleichwertige berufliche Qualifikation mit den Physiotherapeuten, die unecht befreit sind, vorliege, wurden nicht berücksichtigt beziehungsweise wurde darauf nicht eingegangen. Auch die Frage nach der Gleichartigkeit der Ausbildung zwischen Heilmasseuren und Physiotherapeut wurde zu wenig überprüft, ebenso wenig wurde der Aspekt berücksichtigt, dass Angehörige beider Berufsgruppen Heilbehandlungen (ausschließlich) nach ärztlicher Anordnung vornehmen.

Anmerkung:
Dieser grundsätzlichen Entscheidung, die die Anwendung der unechten Umsatzsteuerbefreiung auch auf Heilmasseure nicht ausschließt, widerspricht die Festlegung im Salzburger Steuerdialog 2011, derzufolge eben, weil die Heilmasseure in der abschließenden Liste des § 6 Abs 1 Z 19 UStG, also der unecht befreiten Berufe, nicht aufgezählt sind, Umsatzsteuerpflicht besteht!

6. Kosten des Totenmahles als außergewöhnliche Belastung
(VwGH vom 31.05.2011, 2008/15/0009)

Da nach den Entscheidungen des OGH zu den vom Nachlass nicht gedeckten Kosten des Begräbnisses auch die Kosten für ein ortsübliches Totenmahl gehören, sind diese Kosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigbar, das Gleiche gilt für die Kosten eines Trauerblumengesteckes am Sarg und für die Kosten von Beileidsdanksagungen. All diese Aufwendungen natürlich nur insoweit, als sie im Nachlass nicht gedeckt sind. Damit hat sich eine Veränderung der bisherigen Verwaltungspraxis ergeben, derzufolge die Kosten für die Bewirtung von Trauergästen generell als nicht absetzbar bezeichnet wurden (Lohnsteuerrichtlinien Randzahl 890).

7. Primararzt als wissenschaftlicher Vortragender und Fachschriftsteller – Arbeitszimmer
(VwGH vom 31.05.2011, 2008/15/0126)

Der angestellte Primararzt, der auch freiberuflich in einer Gemeinschaftspraxis tätig war, hat sich auch als wissenschaftlicher Vortragender und Fachschriftsteller betätigt und daraus Umsatzsteuer-pflichtige Einnahmen erzielt. Die Abzugsfähigkeit der Vorsteuern für das in der Wohnung eingerichtete Arbeitszimmer hatte das Finanzamt abgelehnt und zwar mit der Begründung, dass der Betreffende auch vorher ohne ein eigenes Arbeitszimmer tätig werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Ablehnung der Kosten des Arbeitszimmers nicht bestätigt und festgestellt, dass die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen zu beurteilen ist. Die Notwendigkeit und damit betriebliche berufliche Veranlassung des Arbeitszimmers ist dann zu bejahen, wenn die Nutzung eines solchen nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für eine bestimmte Erwerbstätigkeit unzweifelhaft sinnvoll ist. Dies wird unter anderem dann der Falls ein, wenn dem Steuerpflichtigen außerhalb des Wohnungsverbandes kein zweckmäßiger Arbeitsplatz für die konkrete Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Vor allem hat das Finanzamt sich mit den Feststellungen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt, dass für seine wissenschaftlichen Leistungen weder im Krankenhaus noch in den Ordinationsräumlichkeiten Platz vorhanden sei, er also diese Leistung dort nicht erbringen könne. Dass die wissenschaftliche Tätigkeit auch ohne ein eigenes Arbeitszimmer möglich wäre, reicht jedenfalls nicht aus, den Vorsteuerabzug zu versagen.


8. Einbruch in ein beruflich verwendetes privates Kraftfahrzeug

(UFS vom 11.04.2011,RV/1646-W/10)

Da die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte und in der Folge das Abstellen des Kraftfahrzeuges am Firmenparkplatz zur beruflichen Sphäre gehört, sind die Schäden, die aus einem Einbruch in das am Firmenparkplatz abgestellte Kraftfahrzeug entstanden sind, als Werbungskosten abzugsfähig. Da die aus Unfällen bei zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstandenen Kosten in der Regel zu den Werbungskosten zählen, kann nach Ansicht des UFS nichts anderes für Aufwendungen aus einem Einbruch in den während der Arbeitszeit am Firmenparkplatz abgestellten privaten PKW gelten, der für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte genutzt wird.


9. Lohnzahlungen an den Sohn für Bereitschaft und Fahrdienste – keine Betriebsausgaben

(UFS vom 02.05.2011, RV/0311-W/11)

Eine Ärztin hat unter dem Titel Dienstverhältnis Zahlungen an den Sohn für die (angebliche) Mithilfe bei nächtlichen Bereitschaftsdiensten als Betriebsausgaben geltend gemacht. Das Finanzamt hat die Anerkennung dieser Betriebsausgaben abgelehnt. Der Sohn hat Medizin studiert und im Haushalt der Ärztin gewohnt. Die Ärztin hat einmal in der Woche als Notarzt Nachtdienst von abends 19.00 Uhr bis 07.00 Uhr morgens verrichtet. In dieser Zeit war sie zu Hause in telefonischer Rufbereitschaft. Im Falle eines Anrufs musste der Sohn die Ärztin mit ihrem eigenen Auto zu diesem Hausbesuch chauffieren. Weitere Leistungen erbrachte der Sohn nicht. Es kam circa zwei Mal pro Nacht zu Ausfahrten. Der Sohn bekam dafür Geldbeträge als Fixbetrag, unabhängig davon, wie viele Ausfahrten tatsächlich durchgeführt worden sind. Der UFS stellt grundsätzlich, wie schon wiederholt, fest, dass Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen müssen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter gleichen Bedingungen abgeschlossen werden müssen. Dieser Fremdvergleich muss ergeben, dass alle genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Ein schriftlicher Dienstvertrag über Rechte und Pflichten des Sohnes wurde nicht abgeschlossen. Es bestanden also keine Regelungen über Lohnhöhe, Krankenstand, Urlaub, Vorgangsweise bei sonstiger Unabkömmlichkeit. Das Nichtbestehen eines schriftlichen Dienstvertrags führt zu einem mangelhaft ausreichend nach außen Zum-Ausdruck-Kommen (Publizität) des behaupteten Dienstverhältnisses. Aus dem Fehlen des schriftlichen Arbeitsvertrags sind auch die beiden anderen Erfordernisse der Fremdüblichkeit (fremde Dritte hätten einen schriftlichen Vertrag mit den genannten Punkten abgeschlossen) und das Vorliegen eines klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhaltes der Vereinbarung nicht erfüllt. Überdies ist die Bezahlung für Hilfsdienste seitens der Mutter an den studierenden Sohn, der über keine eigenen Einkünfte verfügt, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ungewöhnlich und nicht notwendigerweise in einem Dienstverhältnis mit dem Sohn begründet. Die Bezahlung stellt also im konkreten Fall keine Betriebsausgabe, sondern eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung dar.


Teil 2 erscheint in der nächsten Ausgabe der ÖÄZ.


*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2012