Steuer: Aktuelle Judikatur – Teil 2

25.03.2012 | Service

Von Herbert Emberger*


10. Nutzungsdauer eines Gebäudes – Abschreibung

(UFS vom 17.05.2011 RV/0440-F/07)

Nach dem Einkommenssteuergesetz können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 Prozent der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden. Das Gesetz geht somit bei Mietgebäuden von einer Nutzungsdauer von rund 67 Jahren aus. Diese Vermutung gilt sowohl für neu errichtete Gebäude wie für erworbene und bereits gebrauchte Gebäude. Soll eine kürzere Nutzungsdauer angesetzt werden, so trifft die Beweislast den Steuerpflichtigen. Der Nachweis kann grundsätzlich nur mit einem Sachverständigengutachten erfolgen.

Die Finanzbehörde ist nicht verhalten, von sich aus Ermittlungen über eine allfällige Kürzung der Nutzungsdauer des Gebäudes anzustellen. Ein vorhandenes Sachverständigengutachten unterliegt dabei der freien Beweiswürdigung. Es muss den konkreten Bauzustand im Zeitpunkt des Ankaufes des Altgebäudes erfassen. Finden sich keine hinreichenden Aussagen über den Bauzustand, keine Feststellungen zur Qualität der Bauausführung oder zu allenfalls bereits bestehenden Schäden, etwa als Folge auftretender Feuchtigkeit oder eines vermuteten Schädlingsbefalls, ist das Gutachten nicht geeignet, einen höheren AfA-Satz zu begründen. Im Konkreten wurde im Gutachten eine Restlebensdauer des Gebäudes mit zehn Jahren und somit ein AfA-Satz mit zehn Prozent unterstellt. Mit diesem Gutachten ist aber der Nachweis einer deutlich kürzeren Restnutzungsdauer nicht gelungen. Das Gutachten stellt zwar Mängel am Bau- und Erhaltungszustand fest, enthielt aber keinerlei Ausführungen darüber, ob und wie sich diese Mängel auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes auswirken. Auch zur Bauausführung finden sich keine Angaben. Die Restnutzungsdauer wird hier lediglich damit begründet, dass die Lebensdauer von Einfamilienhäusern und Wohngebäuden in normaler Bauführung 80 Jahre betragen und dass das begutachtete Objekt 68 Jahre alt sei. Der UFS hat also die Unterstellung des gesetzlich vermuteten Abschreibungssatzes von 1,5 Prozent bestätigt.

11. Kosten einer Brustverkleinerung
(UFS vom 20.06.2011 RV/2012-W/10)

Als außergewöhnliche Belastung sind Einkommen-steuerlich nur Kosten abzugsfähig, wenn die Belastung außergewöhnlich ist, zwangsläufig erwächst und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Diese Kriterien müssen gemeinsam vorliegen. Kosten im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung, die in Folge einer Krankheit notwendig geworden und mit dieser typischerweise verbunden sind, sind solche, die dem Betreffenden zwangsläufig erwachsen, wobei unter Heilbehandlungen Maßnahmen zu verstehen sind, die der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Im Konkreten wurde die medizinische Notwendigkeit der Brustverkleinerungsoperation außer Streit gestellt, da die Operation, wenn auch aufgrund des Antrages auf Kostenerstattung erst nach Durchführung der Operation, also erst im Nachhinein von der Gebietskrankenkasse chefärztlich bewilligt wurde. Zu prüfen bleibt aber die Frage, ob die Zwangsläufigkeit gegeben ist. Zwangsläufig sind u.a. Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden. Als Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung beziehungsweise Heilbetreuung erfordert. Nicht abzugsfähig sind daher Aufwendungen zur Vorbeugung von Krankheiten, zum Beispiel prophylaktische Schutzimpfungen, sowie für die Erhaltung der Gesundheit zum Beispiel allgemeine Stärkungsmittel, Kosten für eine Verjüngungskur, für eine Frischzellenbehandlung sowie für medizinisch nicht indizierte kosmetische Operationen. Im Konkreten war aber auch zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin es nicht zuzumuten gewesen ist, die medizinisch erforderliche Operation in einem öffentlichen Krankenhaus vornehmen zu lassen. Es wird in der Lehre die Auffassung vertreten, dass Aufwendungen nicht zwangsläufig erwachsen sind, wenn sie durch die zumutbare Inanspruchnahme anderweitiger Ersatzmöglichkeiten hätten abgewendet werden können. Die Beschwerdeführerin hat aus freien Stücken den Entschluss gefasst, die Operation privat mit der Folge der entsprechenden Kosten durchzuführen, anstatt in einem öffentlichen Krankenhaus. Die Kosten sind somit nicht zwangsläufig erwachsen, da keine medizinische Notwendigkeit bestanden hat, die Operation privat und nicht in einem öffentlichen Krankenhaus an einer Abteilung für plastische Chirurgie durchführen zu lassen.

12. Anschaffungskosten eines Navigationssystems – Werbungskosten
(UFS vom 22.08.2011, RV/1496-W/11)

Die Kosten eines Autonavigations-Systems sind steuerlich analog zu einer Telefonfreisprech-Einrichtung im Auto zu behandeln. Das heißt, die Anschaffungskosten sind entsprechend der beruflichen und privaten Nutzung aufzuteilen, außer die berufliche Verwendung steht aufgrund der Art der Tätigkeit, zum Beispiel bei überwiegender Außendiensttätigkeit, eindeutig im Vordergrund. Im Konkreten konnte allerdings die Feststellung des Umfangs der konkreten Nutzung dahingestellt bleiben, da der Betreffende die Aufwendungen für seine beruflich veranlassten Fahrten nicht anhand der anteiligen tatsächlichen Kosten seines Kraftfahrzeugs ermittelt hat, sondern das sogenannte amtliche Kilometergeld für die Berechnung der ihm entstandenen Aufwendungen herangezogen hat. Werden nun Kilometergelder beansprucht, ergeben sich die Werbungskosten anhand der Anzahl der beruflich gefahrenen Kilometer. Mit dem Kilometergeld sind auch die Anschaffungskosten für ein Navigationssystem abgegolten. Zusätzlich zum Kilometergeld können diese Kosten nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

13. Blutegeltherapie – außergewöhnliche Belastung
(UFS vom 06.09.2011, RV/1021-W/11)

Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen auch zwangsläufig. Für die Anerkennung der Krankheitskosten ist aber erforderlich, dass eine Krankheit vorliegt, die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dieser Krankheit steht und diese eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung der Krankheit darstellt. Soweit die medizinische Notwendigkeit hinreichend erwiesen ist, sind Aufwendungen von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung noch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Sozialversicherung die Kostenübernahme ablehnt. Auch Aufwendungen für Therapien im Rahmen der Außenseiter-, Komplementär-, Alternativ- beziehungsweise Naturmedizin sind abzugsfähig, wenn deren medizinische Notwendigkeit erwiesen ist. Der UFS vertritt im Gegensatz zu anderen UFS-Entscheidungen weiters nicht die Meinung, dass Selbstmedikation durch den Laien oder Behandlung durch medizinisch nicht ausgebildete Personen keine außergewöhnliche Belastung seien. Zur Blutegeltherapie wurde zunächst festgestellt, dass aufgrund des Fachgutachtens diese Therapie konkret indiziert war. Die Betreffende hat die Anwendung der Blutegeltherapie erlernt und steht in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Ursprünglich erfolgte die Behandlung auch durch einen Arzt. Es ist daher eine aktuelle Verschreibung der Therapie für eine steuerliche Abzugsfähigkeit ebenso wenig erforderlich wie die Vornahme der Therapie durch einen Arzt. Überdies käme die schulmedizinische Behandlungsalternative, das sind Operationen, abgesehen von den möglichen Folgewirkungen für die Betreffende, jedenfalls teurer als die konkret durchgeführten Blutegelbehandlungen. Es kann also auch bei einer nicht durch einen Arzt erfolgten Behandlung außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn durch ein ärztliches Gutachten nachgewiesen wird, dass die Behandlung aus medizinischen Gründen zur Heilung oder Linderung der Krankheit erforderlich ist.

Anmerkung:
Damit ist diese UFS-Entscheidung doch von der bisher deutlich vertretenen Linie der einschlägigen Entscheidungen, nämlich dass eine ärztliche Verordnung für die konkrete Heilbehandlung vorliegen muss, um deren Kosten als außergewöhnliche Belastung abzuziehen, abgewichen.

14. Delphintherapie – außergewöhnliche Belastung
(UFS vom 19.09.2011, RV/0893-L/11)

In besonderen Ausnahmefällen – konkret bei erheblicher Behinderung u.a. wegen spastischer Lähmung, rund um die Uhr erforderlicher Betreuung – sind Kosten für Behandlungen außerhalb der Schulmedizin, wie die Delphintherapie, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Ausreichend ist, dass die Krankheit dadurch erträglich gemacht werden kann; eine Heilung ist nicht erforderlich. Maßnahmen der Außenseitermedizin sind somit nicht grundsätzlich von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Entscheidend ist, dass eine ärztliche Aufsicht bei der Therapie gegeben ist.

15. Entfernung einer Fettschürze – keine außergewöhnliche Belastung
(UFS vom 03.10.2011, RV/3866-W/10)

Medizinische Eingriffe, welche aus ästhetischen Gründen vorgenommen werden, können nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn medizinisch triftige Gründe vorliegen, die nachvollziehbar ein Leiden mit Krankheitswert, zum Beispiel starke Verunstaltung im Gesicht, psychische Störung, belegen. Eine Fettschürze allein, auch wenn diese eine Folge einer medizinisch induzierten Gewichtsreduktion ist und bei Hitze und Sport als unangenehm empfunden wird, und besonderer hygienischer Maßnahmen beziehungsweise dermatologischer Behandlungen bedarf, stellt keine Krankheit dar. Die Versagung einer Kostenbeteiligung oder Kostentragung durch die Krankenkasse kann hiefür als Indiz herangezogen werden.


*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2012