Steuer: Aktuelle Judikatur – Teil 1

25.06.2012 | Service

1. Sozialversicherungsbeiträge in einem anderen EU-Mitgliedsstaat – Betriebsausgaben
(EuGH vom 19.11.2009 Rs.C – 314/08)

Die Bestimmung, der zufolge Sozialversicherungsbeiträge nur dann steuermindernd als Ausgaben geltend gemacht werden können, wenn diese Beiträge im betreffenden Land bezahlt werden, ist EU-widrig. Das heißt, auch Sozialversicherungsbeiträge, die jemand in einem anderen Mitgliedsstaat verpflichtend zahlt, sind im Staat, dem die Einkommensbesteuerung zusteht, als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.

2. Der Entfall des Alleinverdienerabsetzbetrages für kinderlose Paare ist verfassungskonform
(VfGH vom 29.09.2011, G 27/11)

Bis einschließlich 2010 stand Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag auch dann zu, wenn sie kinderlos waren. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2011 wurde diese Abzugsfähigkeit des Alleinverdienerabsetzbetrages (364,00 Euro jährlich) beseitigt. Der Verfassungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen eine Regelung, die die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages Ehegatten, eingetragenen Partnerschaften und mehr als sechs Monate in einer Lebensgemeinschaft lebenden Personen mit Kindern vorbehält. Mit der getroffenen Einschränkung ist auch kein intensiver Eingriff unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes gesetzt. Weder handelt es sich hier um die Kürzung von beitragsfinanzierten Anwartschaften, die einen Versorgungszweck erfüllen, noch hat der Gesetzgeber die Begünstigten zu besonderen Aufwendungen oder Dispositionen veranlasst. Es geht vielmehr nur um die Zurücknahme einer steuerlichen Begünstigung, auf deren Fortbestand ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen grundsätzlich nicht besteht. Übergangsfristen in Hinblick auf einen allfälligen intensiven und plötzlichen Eingriff waren ebenfalls nicht notwendig, da ein monatlicher Betrag von 30,34 Euro zwar bei einem niedrigen Haushaltseinkommen ins Gewicht fallen kann, aber trotzdem der Eingriff nicht von jener Intensität ist, der eine Übergangsfrist erfordert hätte.

Anmerkung: Mit dem Budgetbegleitgesetz 2012 werden ab der Veranlagung 2012 Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall des Alleinverdienerabsetzbetrags für Steuerpflichtige ohne Kinderbetreuungspflichten geschaffen. So werden zum Beispiel der erhöhte Sonderausgabentopf, der verminderte Selbstbehalt bei außergewöhnlichen Belastungen auch ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag weiterhin berücksichtigt werden können. Die Einkommensgrenze für den erhöhten Pensionistenabsetzbetrag wird von 13.100 auf 19.930 Euro jährlich angehoben.

3. Die Kosten einer Adoption eines Kindes als außergewöhnliche Belastung? (VwGH vom 06.07.2011, 2007/13/0150)

Die Kosten einer Adoption eines Kindes sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Wenn allerdings eine In-vitro-Fertilisation medizinisch nicht möglich ist und die Fortpflanzungsunfähigkeit auch nicht freiwillig herbeigeführt war, so ist im Sinne der zur künstlichen Befruchtung entwickelten Judikatur und des damit betonten öffentlichen Interesses der Gesellschaft an Kindern die Anerkennung der Kosten für die Adoption als außergewöhnliche Belastung zu rechtfertigen. Das heißt, es liegt in dem Fall die geforderte Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen für diese Kosten vor.

4. Der Grundsatz von Treu und Glauben – Abschreibungssatz bei einem Gebäude
(VwGH 15.09.2011, 2011/15/0126)

Für ein Gebäude wurde aufgrund eines Gutachtens über den Verkehrswert und die Restnutzungsdauer eine Abschreibungsquote von 6,7 Prozent pro Jahr (15 Jahre Nutzungsdauer) von der Finanzverwaltung bei der Veranlagung zunächst anerkannt. Das Finanzamt hat erst für die folgenden Jahre einen entsprechenden Nachweis verlangt. Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Dem Grundsatz von Treu und Glauben kommt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen Bedeutung zu. Er kann nur insoweit Auswirkungen zeigen, als das Gesetz bei Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt. Bei der Ermittlung des AfA-Satzes besteht ein solcher nicht. Dem Finanzamt wurde also bei der erfolgten Reduzierung des Abschreibungssatzes von 6,7 Prozent auf 1,5 Prozent Recht gegeben.

5. Fortbildungskurs für Sportmedizin – Betriebsausgaben/Werbungskosten
(VwGH vom 28.02.2012, 2009/15/0183)

Im konkreten Sportärzte-Fortbildungskurs hat die Fortbildung im Durchschnitt zehn Stunden pro Tag gedauert, wovon rund fünf Stunden Theorie und fünf Stunden Praxis, nämlich Skifahren, zu absolvieren waren. Insgesamt waren 34 Stunden Theorie und rund 23 Stunden Praxis vorgesehen. Die Sportstunden haben in der Regel zwischen 09:30 und 15:30, also in der Vortrags-freien Zeit stattgefunden. Der Skisport war von professionellen Ausbildern begleitet und hat in der Durchführung von dynamischen Übungen bestanden (Gelenksbeanspruchungen, Gleichgewicht, Muskelbeanspruchung, Dehnungen, Herz und Kreislaufbelastungen, Fahren mit einem Ski, Belastung der Kniegelenke) unter anschließenden klinischen Untersuchungen oder Verwertung praktischer Erfahrungen (Muskelkater, Langzeitbelastung, Hämatome, Übung der Bergung von Verletzten). Nach dem Verwaltungsgerichtshof kann die Durchführung derartiger Begleitübungen den Ärztesportstunden aber nicht den Charakter einer wesentlichen Mitveranlassung durch private Freizeitgestaltungsinteressen nehmen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Österreichische Ärztekammer in der ÖÄK-Diplomrichtlinie für die sportmedizinische Fortbildung ein Mindesterfordernis von 20 Stunden im Ärztesport festgesetzt hat und dass daher der Nachweis derartiger Ärztesportstunden für die Erlangung des Sportarztdiplomes erforderlich ist. Reisen, bei denen der berufliche und private Bereich untrennbar im Mischprogramm verbunden sind, bleiben auch nach der neuesten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen. Anders zu beurteilen wären nach der neuesten Rechtsprechung, die eine tägliche Beurteilung des Fortbildungszweckes vorsieht, jene Tage, an denen kein Ärztesport durchgeführt wurde, sondern die Fortbildung in dem ganztägigen theoretischen Fachprogramm bestanden hat.

Anmerkung: Der UFS hatte in seiner Entscheidung insgesamt eine andere Auffassung vertreten und Teiledes Ärztesports als beruflich bedingt bezeichnet und die geltend gemachten Aufwendungen für dieses Fortbildungsseminar auch anerkannt. Ähnlich auch der deutsche Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 21.04.2010. Das Finanzamt hat allerdings gegen die Entscheidung des UFS eine Amtsbeschwerde eingebracht und insofern damit auch Erfolg gehabt, als die neue Rechtsprechung, die an sich für die Abzugsfähigkeit der Fortbildungskosten grundsätzlich nicht negativ ist, Anwendung finde. Die einzelnen Tage sind gesondert zu beurteilen, bei eindeutigem Überwiegen beziehungsweise nahezu ausschließlichem Vorliegen des Fortbildungszweckes können die Kosten für diese Tage auch abgezogen werden.

Teil 2 erscheint in der nächsten Ausgabe der ÖÄZ.

*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2012