Modellregion Vorarlberg: Auf dem Weg zur Staatsmedizin

10.03.2012 | Politik


Hinter verschlossenen Türen – und ohne Vertreter der ÖÄK – ist die Steuerungsgruppe zur Gesundheitsreform offenbar dabei, die Staatsmedizin Wirklichkeit werden zu lassen. Was zuerst nur die Modellregion Vorarlberg zu spüren bekommen würde, könnte bald ganz Österreich drohen.

Von Marion Huber

Über das, was hinter verschlossenen Türen in der Steuerungsgruppe zur Gesundheitsreform zwischen Bund, Ländern und Hauptverband der Sozialversicherungsträger genau ausgehandelt wird, dringt wenig an die Öffentlichkeit. Tatsächlich könnte Österreich aber nach Abschluss der Verhandlungen die Staatsmedizin drohen. „Es dürfte sich dabei um einen neuerlichen Versuch der VP-geführten Länder handeln, ihre radikalen staatsmedizinischen Pläne umzusetzen“, warnt der Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte in der ÖÄK, Günther Wawrowsky, kürzlich bei einer Pressekonferenz.

„Ich kann nicht genau sagen, was künftig auf uns niederprasseln wird. Ich kann aber sagen, dass ich Parallelen zu 2008 sehe, als es zu heftigen Protesten der Ärzte gegen die Kassenreform gekommen ist“, so Wawrowsky weiter. Er selbst beziehe sein Wissen über die Verhandlungen nämlich lediglich aus Hintergrundinformationen. Denn obwohl das Ende der Verhandlungen bevorzustehen scheint und die Steuerungsgruppe sich kürzlich darauf geeinigt hat, den Spitalsbereich und niedergelassenen Bereich gemeinsam zu planen, zu steuern und zu finanzieren, ist weder die Österreichische Ärztekammer noch eine der Landes-Ärztekammern in die Verhandlungen miteinbezogen worden. „Es macht mir immer Sorgen, wenn so etwas ohne Ärztevertreter verhandelt wird, weil es schließlich um medizinische Belange geht“, betont der Bundeskurienobmann.

Kein Modell, sondern Diktat

Die Folgen der Verhandlungen würde Vorarlberg – als Modellregion – als erstes Bundesland zu spüren bekommen. „Ich bin gegen diese geplanten Vorhaben. So ist das kein Modell, sondern ein Diktat“, stellt Michael Jonas, Präsident der Vorarlberger Ärztekammer, fest. Zwei Aspekte bereiten ihm dabei „besondere Sorgen“. Zum einen forderte die Vorarlberger Landesregierung schon im November 2010 den Gesundheitsminister in einem Brief auf, das ASVG so abzuändern, dass Einzelverträge zwischen niedergelassenen Ärzten und Financiers, also der Sozialversicherung – ohne Einbindung der Ärztekammer – ermöglicht werden. „Das ist ein Bruch und eine Aushebelung der Sozialpartnerschaft. Wir lehnen das kategorisch ab. So etwas kann und wird nicht gut gehen“, prognostiziert Jonas.

Zum anderen ist laut einem internen Papier der ÖVP-Länder, das der Ärztekammer Vorarlberg zugespielt wurde, mit der „Landesgesundheitsplattform neu“ eine Behörde geplant, in der die Ärztekammer nicht mehr stimmberechtigt ist. Die Gebietskrankenkasse und die Länder sollen demnach – ohne Mitsprache der Ärztevertreter – künftig den Stellenplan, die medizinischen Leistungen, die Honorare sowie die Leistungsdokumentation festlegen und beschließen. „Damit will man unter anderem die Leistungsdokumentation der Spitalsambulanzen auf die niedergelassenen Ärzte abwälzen. Durch die zusätzliche Bürokratie wird noch weniger Zeit für den Patienten bleiben und die Versorgungsqualität verringert sich“, erklärt Jonas. Ein Problem, das nicht ausschließlich Vorarlberg betreffen würde; denn die „Landesgesundheitsplattformen neu“ seien ein Bundesprojekt, wie er weiter ausführt.

Es in Sachen Gesundheitsreform mit einem „Crashkurs“ zu versuchen und ohne Ärzte in die Verhandlungen zu gehen, werde 100-prozentig schiefgehen, ist sich Jonas sicher:„Alles andere als Verhandlungen, in die die Ärzte
miteinbezogen werden, sind reine politische Torheit.“

Die Forderungen der ÖÄK:

  1. Die ÖÄK muss in die laufenden Verhandlungen umgehend miteinbezogen werden.
  2. Die Landes-Ärztekammern müssen in den Landesgesundheitsplattformen zu gleichberechtigten Partnern mit Sozialversicherung und Ländern werden.
  3. In jeglichen Angelegenheiten, die die Ärzteschaft betreffen, muss es eine einvernehmliche Beschlussfassung geben.

Dass man diese Vorgangsweise nicht so einfach hinnehmen werde, macht Wawrowsky unmissverständlich klar: „Wenn diese Pläne umgesetzt werden, wird es zu Zuständen wie im Jahr 2008 kommen. Wir Ärzte haben so viel Kontakt zu Menschen wie kein Politiker. Diesen Kontakt wissen wir zu nützen – und wir würden ihn auch nützen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2012