Kommentar – Dr. Karlheinz Kux: Wer im Glashaus sitzt…

25.01.2012 | Politik

Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Mitgliedern der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer vorgeworfen, am 16.12.2011 einen Gesetz- und Weisungs-widrigen Beschluss in Sachen Qualitätssicherungs-Verordnung gefasst zu haben.

So eindeutig – wie das Gesundheitsministerium meint – ist die Rechtslage des Ärztegesetzes allerdings nicht. Die politisch-bürokratische Motivation der schikanösen Kontrolle der Kassenärzte durch das Gesundheitsministerium und die Krankenkassen steht bei dieser Vorgangsweise im Vordergrund.

Wenn das Gesundheitsministerium allerdings uns gegenüber so gesetzespenibel und eilig mit dem Vorwurf der mangelnden Gesetzesbeachtung ist, dann dürfen wir dies auch sein und erheben nun gegenüber dem Ministerium einen schwerwiegenden Vorwurf in einer bedeutenden Sache: Das Gesundheitsministerium beachtet bei seinen hektischen ELGA-Bemühungen die Vereinbarung gem. Art.15a B-VG (Bundesverfassung!) nicht!

Art. 7 dieser Vereinbarung mit der Überschrift „Gesundheitstelematik (e-Health) und elektronische Gesundheitsakte (ELGA)“ bietet die Rechtsgrundlage für das erforderliche Ausführungsgesetz. Der Artikel 7 dieser Bund-Länder-Vereinbarung statuiert die Voraussetzungen und Erfordernisse für die Gesundheitstelematik und ELGA unter anderem:

  1. Qualitative Verbesserung der Versorgung
  2. Wahrung u.a. der technischen Standards zum Schutz der Privatsphäre
  3. Kosten-Nutzenbewertung als Grundlage
  4. Die Architektur und erste Kernanwendungen abschließen
  5. Transparenz der umzusetzenden Maßnahmen durch umfassende Information der Öffentlichkeit.

Diese verbindlichen Vorgaben hat das Gesundheitsministerium nicht bis unzulänglich beachtet bei seinen herbstlichen Versuchen, einen Gesetzentwurf durch den Ministerrat und das Parlament zu peitschen und konnte nur durch die ÖÄK daran gehindert werden.

Die Kritikpunkte:

Ad 1. Das Gesundheitsministerium hat nicht einmal den Versuch einer beispielhaften und evaluierten Begründung für eine qualitative Versorgungsverbesserung durch ELGA unternommen.

Ad 2. Die heute technisch gültigen Standards zum Datenschutz von Patientendaten werden nicht beachtet: So ist zum Beispiel der sogenannte technische Beschlagnahmeschutz, der die Unlesbarkeit von Patientendaten durch Nichtbefugte technisch garantieren würde, nicht vorgesehen. Nur Strafbestimmungen als Schutz gegen Datenmissbrauch sind einfach zu wenig und auch keine Begründung, dadurch Kosteneinsparungen bei der Technik zu ermöglichen.

Ad 3. Eine aktuelle Kosten-Nutzenbewertung wurde nicht angestellt, sondern lediglich eine veraltete herangezogen. Diese wurde weder öffentlich noch im Expertenkreis zur Diskussion gestellt schon gar nicht mit Ärzten, die dies ja wohl am besten beurteilen können. Die Evaluierung der E-Medikation wäre dafür am besten geeignet. Sie wurde ursprünglich auch vom Gesundheitsministerium zugesagt; zuletzt aber abgelehnt, nur um den Gesetzentwurf doch noch durch den Ministerrat zu bringen!

Ad 4. Dasselbe gilt auch hier: Man kann nicht die Architektur und Kernanwendungen – eine davon stellt ja die E-Medikation dar – gesetzlich abschließen, ohne Evaluierung, die ja ohnedies in den ersten Monaten 2012 stattfindet und lehrreich sein wird, wie sich jetzt schon zeigt.

Ad 5. Eine umfassende und offizielle Information der Öffentlichkeit durch das Gesundheitsministerium hat überhaupt nicht stattgefunden! Man wollte das ELGA-Gesetz einfach so beschließen lassen! Das ist eine schwerwiegende Kritik mangelnder Gesetzesbeachtung!

Damit ist also jetzt Schluss! Die Bundesgesundheitskommission hat am 25.11.2011 die Situation erkannt und bei einem positiven Bekenntnis zu ELGA ernsthafte und sachkundige Verhandlungen verlangt. Es werden nun ernsthaft, sachlich und fachlich verschiedene Inhalte medizinischer, elektronischer, sicherheitstechnischer, software-technischer, kostenmäßiger und juristischer Art eines solchen komplexen Gesetzesvorhabens verhandelt! Und dafür brauchen alle Beteiligten Zeit!

Wir hätten uns vieles ersparen können, hätte man mit derartigen Verhandlungen – wie von der ÖÄK im Frühjahr 2011 verlangt – schon damals beginnen können!

Im Übrigen: Mit den Ärztekammer-Wahlen hat das gar nichts zu tun!

*) Dr. Karlheinz Kux ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2012