Interview – Vize-Präs. Harald Mayer: „Es muss sich etwas ändern“

25.03.2012 | Politik

Eine bessere Einbindung von medizinischen Spitzenkräften in strategische Überlegungen sowie zusätzliche Anreizmodelle für Fachärzte – das sind einige der zentralen Forderungen des Kurienobmanns der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer, nach der kürzlich durchgeführten Blitzumfrage unter Spitalsärzten. Das Gespräch führte Agnes M. Mühlgassner.


ÖÄZ: Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Ergebnissen der Befragung über die Arbeitssituation von Österreichs Spitalsärztinnen und Spitalsärzten?

Mayer: Die Umfrage ist ein Signal, dass sich umgehend etwas ändern muss. Dass sich sogar die Führungskräfte nicht mehr mit ihrem Dienstgeber identifizieren können, sollte den Verantwortlichen im Management und in der Politik zu denken geben. Wenn Führungskräfte mehr leiden als leiten, wird das System den Bach hinunter gehen. Aber das spiegelt ja in gewisser Weise auch die aktuelle Situation der Situation der Gesundheitspolitik wider: Entscheidungen werden von angeblichen Gesundheits-Experten getroffen, aber die Ärztinnen und Ärzte sind in die Entscheidungsprozesse kaum eingebungen.

Wer ist Ihrer Ansicht nach gefordert, hier Maßnahmen zu ergreifen?

Die Spitalserhalter werden sich überlegen müssen, Strukturen zu schaffen, in denen medizinische Spitzenkräfte bei strategischen Überlegungen mit eingebunden werden. Nicht einmal bei der abgestuften Versorgung fragt man uns Ärzte nach unserer Expertise. Genau darum geht es aber, nämlich um das medizinische Know how. Eine fachliche Meinung ist aber leider nicht gefragt bei der dringend notwendigen Umgestaltung unseres Gesundheitswesens.

Was muss sich im Spitalsbetrieb konkret ändern?
Die Situation der Fachärzte ist ein Drama für sich. Erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die 40 Jahre im Krankenhaus arbeiten, bleiben als Weisungs-gebundene Fachärzte im System und haben kaum Aufstiegsmöglichkeiten. Für viele ist der Oberarzt quasi die berufliche Endstation. Hier muss man rasch gegensteuern und diesen Kolleginnen und Kollegen Perspektiven bieten, damit sie auch noch nach 30 Jahren motiviert an ihre Arbeit gehen.

Wie können solche Perspektiven aussehen?
Man muss ihnen ein ordentliches Gehalt zahlen, man wird aber noch zusätzliche Anreizmodelle schaffen müssen, damit man nicht eine Vielzahl an hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen verliert – etwa dass sie ins Ausland gehen oder der Medizin überhaupt den Rücken kehren. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man den Fachärztinnen und Fachärzten im Spital mehr Verantwortung auch für strategische Bereiche übergibt.


Trotz aller Widrigkeiten gibt der Großteil der für die Studie befragten Ärztinnen und Ärzte an, gerne zu arbeiten. Wie erklären Sie sich das?
Das Gesundheitssystem lebt davon, dass wir alle Ärztinnen und Ärzte aus Leidenschaft sind. Wir fühlen uns unseren Patienten verpflichtet und kommen dieser Verpflichtung auch nach. Irgendwann wird das aber nicht mehr funktionieren und die zunehmende Frustration wird sich auch auf die Behandlungssituation auswirken. Unzufriedene Ärzte werden sich aus dem System verabschieden und das System wird dann am Mangel zerbrechen. Zufriedene Ärzte werden langfristig eine bessere Medizin bieten.

Ein nach wie vor ungelöstes Problem stellen ja die völlig überrannten Spitalsambulanzen dar. Wie wollen Sie das in den Griff bekommen?
Die Bundeskurie hat in ihrer letzten Sitzung einen eindeutigen Beschluss gefasst, dass der Zugang zu den Spitalsambulanzen stark eingeschränkt werden soll. Das ist ein erster wichtiger Schritt, um die Spitalsambulanzen zu entlasten. Der niedergelassene Bereich wird seine Leistungen nicht nur zu bestimmten Tageszeiten anbieten können, sondern es wird auch Ordinationen geben müssen, die zu den Tagesrandzeiten offen haben, damit die Menschen nicht mit jeder Bagatellerkrankung am teuersten Punkt im Gesundheitssystem, nämlich im Spital, einsteigen. Langfristig wird man Regulative schaffen müssen, um das System erhalten zu können. Wir setzen hier große Hoffnung in das von der Bundeskurie angestellte Ärzte zusammen mit der Bundeskurie niedergelassene Ärzte entwickelte Modell der Akut-Ordination. Dabei sollen künftig nur mehr echte Notfälle sofort behandelt werden, entweder in der Akut-Ordination oder im Spital. Alle anderen Fälle sollen an den Hausarzt oder an den niedergelassenen Facharzt überwiesen werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2012