Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten in der Stei­er­mark: Unsinn verhindern!

10.06.2012 | Politik

Ambu­lante Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten sol­len den Zustrom in die Ambu­lan­zen ver­rin­gern und Kos­ten spa­ren. Nach den der­zeit vor­lie­gen­den Plä­nen sind aller­dings die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte nicht ein­ge­bun­den.
Von Marion Huber

Als Schnitt­stelle zwi­schen ambu­lan­tem und sta­tio­nä­rem Bereich sind im Öster­rei­chi­schen Struk­tur­plan Gesund­heit 2010 Ambu­lante Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten (AEE) und Zen­trale Auf­nahme- und Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten (ZAE) vor­ge­se­hen. In der Stei­er­mark sol­len laut Revi­sion des Regio­na­len Struk­tur­pla­nes Gesund­heit 2011 in Graz und Leo­ben Zen­trale Auf­nahme- und Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten und in den übri­gen peri­phe­ren Kran­ken­häu­sern jeweils Ambu­lante Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten ent­ste­hen. Geplant sind zunächst drei Pilot­pro­jekte in Rot­ten­mann, Fürs­ten­feld und Mariazell.

Geht es aller­dings nach den Plä­nen des Lan­des sol­len die Ambu­lan­ten Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten nur von der KAGes (Stei­er­mär­ki­schen Kran­ken­an­stal­ten­ge­sell­schaft) betrie­ben wer­den – ohne nie­der­ge­las­sene Ärzte, wie Mar­tin Wehr­schütz, Vize­prä­si­dent und Kuri­en­ob­mann der ange­stell­ten Ärzte in der Ärz­te­kam­mer Stei­er­mark, erklärt. „Wir als Ärz­te­kam­mer sind aber der Mei­nung, wenn man die Bevöl­ke­rung künf­tig sinn­voll ver­sor­gen möchte, ist das nur in sehr enger Abstim­mung mit dem nie­der­ge­las­se­nen Bereich mög­lich“, betont er.

Denn der­zeit sei vor­ge­se­hen, dass die Ambu­lan­ten Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten in der per­so­nel­len Min­dest­aus­stat­tung von einem Sta­ti­ons­arzt der KAGes betreut wer­den kön­nen und sol­len, schil­dert Wehr­schütz. „Wir haben berech­tigte Sor­gen, dass die Ver­sor­gungs­qua­li­tät in die­sen Ein­hei­ten dadurch lei­den könnte. Und dass damit genau das wirt­schaft­li­che Ziel einer Kos­ten­re­duk­tion und ver­min­der­ten Spi­tals­ein­wei­sung in Wahr­heit zur Dreh­tür nach innen, näm­lich ins Spi­tal, wird.“

Prak­tisch bedeu­tet das: Ein Pati­ent kommt mit Bauch­schmer­zen in die Ambu­lante Erst­ver­sor­gungs­ein­heit. Dort trifft er „im schlech­tes­ten Fall“ – so Wehr­schütz – auf einen Sta­ti­ons­arzt oder viel­leicht auf einen Inter­nis­ten oder Chir­ur­gen. Der Betrof­fene wird zunächst unter­sucht und – sofern keine grö­ßere medi­zi­ni­sche Indi­ka­tion gege­ben ist, ihn wei­ter im Spi­tal zu behan­deln – wie­der ent­las­sen. „Die Pro­ble­ma­tik dahin­ter ist aller­dings, dass die Sta­ti­ons­ärzte in den sel­tens­ten Fäl­len alles über­bli­cken kön­nen und all die Ris­ken haf­tungs­recht­lich nicht schul­tern wol­len“, zeigt er die Pro­ble­ma­tik auf. Aus medi­zi­ni­scher Vor­sicht her­aus sei man so ver­sucht, „den Pati­en­ten jeden­falls in ein teu­res Spi­tals­bett zu legen“, erläu­tert Wehr­schütz, was die Spi­tals­ein­wei­sun­gen ent­ge­gen dem eigent­li­chen Bestre­ben ver­mut­lich wei­ter erhö­hen werde. Außer­dem sehe die Ärz­te­kam­mer dabei auch ein per­so­nel­les Pro­blem: Das Spi­tals­per­so­nal, das an die Ambu­lan­ten Erst­ver­sor­gungs­ein­hei­ten abge­ge­ben wer­den müsse, fehle dann auf den Stationen.

„Was wir vor­schla­gen – zumin­dest im Rah­men eines Pilot­pro­jekts – ist die inter­dis­zi­pli­näre oder inter­ku­ri­elle Grup­pen­pra­xis, wo auch ein nie­der­ge­las­se­ner Arzt vor Ort ist. Das ist sicher der bes­sere Weg“, zeigt sich Wehr­schütz über­zeugt. Ers­tens würde die­ser die Arbeit in die­sem Set­ting bes­ser ken­nen als ein Spi­tals­arzt und zwei­tens könnte sowohl öko­no­misch – weil es weni­ger Spi­tals­auf­nah­men gebe – als auch ver­sor­gungs­qua­li­ta­tiv ein deut­li­cher Bene­fit erzielt wer­den. Mehr­mals habe man daher Gesprä­che mit dem Land und dem Gesund­heits­fonds geführt, „aber die Signale, die wir bekom­men, gehen eher in die Rich­tung, dass man dem Gedan­ken einer Grup­pen­pra­xis nicht nach­ge­hen will“.

Was die Ärz­te­kam­mer for­dert: „Dass man nicht Gesund­heits­tech­no­kra­ten am grü­nen Tisch etwas ent­schei­den lässt, was mit der Rea­li­tät wenig zu tun hat, son­dern dass man die Ärz­te­schaft nach ihrer Exper­tise fragt – im Sinne der Pati­en­ten, aber auch im Sinne der Arbeits- und Lebens­qua­li­tät der Ärzte“, sagt Wehr­schütz. Je weni­ger Pati­en­ten schließ­lich tat­säch­lich im Spi­tal auf­ge­nom­men wer­den müss­ten, umso bes­ser sei es für das Sys­tem. „Daher muss man vor Ort in die­sen vor­ge­la­ger­ten Ambu­lan­zen nach einer best­mög­li­chen qua­li­ta­ti­ven Ver­sor­gung suchen, und nicht die Min­dest­aus­stat­tung wal­ten las­sen“, betont er, denn „Wir sind nicht gene­rell die Ver­hin­de­rer, aber wir wol­len Unsinn verhindern!“ 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2012