ELGA: Unterschriftenaktion läuft

10.09.2012 | Politik

Unter dem Motto „ELGA – So nicht!“ hat die ÖÄK österreichweit eine Informations- und Unterschriftenkampagne gestartet. In einem außerordentlichen ÖÄK-Vorstand im August wurden außerdem fünf Forderungen, die die ÖÄK an die Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte knüpft, präsentiert.

„Es wird von uns kein ‚Ja‘ zu ELGA geben, wenn nicht all diese Punkte erfüllt sind“, erklärte ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger im außerordentlichen Vorstand der ÖÄK Mitte August in Wien nach der Präsentation der fünf Forderungen der ÖÄK. Diese lauten wie folgt: freiwillige Teilnahme an ELGA, garantierte Benutzerfreundlichkeit im ärztlichen Alltag, Datenschutz und Datensicherheit, gesicherte Finanzierung sowie eine Probephase, wie es sie zuletzt bei der E-Medikation gegeben hat. Wechselberger dazu: „So hat der Probelauf bei der E-Medikation ergeben, dass das gesamte Programm wegen eklatanter Mängel neu aufgesetzt werden muss.“

Nachdem der Start der Informations- und Unterschriftenkampagne mit dem Motto „ELGA? So nicht!“ Ende Juli in Wien erfolgt war, wurde diese Aktion nun auf ganz Österreich ausgeweitet. Mittlerweile haben alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ein Informationspaket erhalten; darin enthalten sind Informationsblätter für Patienten zusammen mit den entsprechenden Aufstellern, Unterschriftenlisten, ein Wartezimmerplakat sowie ein Kuvert die Übermittlung der Unterschriftenlisten an die Österreichische Ärztekammer. Die gesammelten Unterschriften werden Gesundheitsminister Alois Stöger übergeben.

Durch die Unterschrift auf die in den Ordinationen aufliegenden Listen wird die Forderung bekräftigt, dass die Speicherung der Gesundheits-/Krankendaten im Rahmen von ELGA nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen erfolgen kann und dass vor der Einführung von ELGA alle anstehenden wichtigen Projekte zur Gesundheitsversorgung aller Österreicher realisiert werden.

Im aktuellen Patienten-Informationsblatt heißt es etwa: „Wenn Sie gegen den aktuellen ELGA-Entwurf sind, unterschreiben Sie in der hier aufliegenden Unterschriftenliste. Setzen Sie sich für ein ELGA-Gesetz ein, das gut für uns alle ist:

  • datensicher
  • freiwillig
  • kostengünstig
  • patientenfreundlich.“

Mit der laufenden Informationskampagne wolle man auch das Informationsdefizit des Gesundheitsministeriums in Sachen ELGA ausgleichen, erklärte Johannes Steinhart, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte Österreichs und Wiens. „Das rege Interesse der Wienerinnen und Wiener an den ELGA-Informationen, die ja schon seit August in den Wiener Ordinationen aufliegen, zeigt uns, dass sie nach wie vor nicht ausreichend Bescheid wissen über die vom Gesundheitsministerium geplante Einführung der elektronischen Gesundheitsakte.“

Kommt ELGA so wie derzeit geplant, sind Ärzte und Patienten zur Teilnahme verpflichtet. Selbst nach einem Opt out eines Patienten bleiben dessen Daten in ELGA erhalten; sie werden lediglich ausgeblendet. Ein möglicher Missbrauch sei damit aber nicht ausgeschlossen, gibt Wechselberger zu bedenken. Weswegen er einmal mehr die Wichtigkeit betont, dass solch sensible Daten – wie es Gesundheitsdaten nun einmal sind – verpflichtend verschlüsselt werden: „Aber sogar auf diese selbstverständliche Sicherheitsmaßnahme wurde im Gesetzesentwurf verzichtet.“

Fraglich ist auch der medizinische Nutzen von ELGA in der vorliegenden Form. Für Wechselberger ein „Riesenproblem“, wie er betont. So ist derzeit die für die Praxis unbedingt notwendige Suchfunktion lediglich allgemein erwähnt. Für die Praxis heißt das: Es ist beispielsweise nicht möglich, nach dem Begriff „Leberparameter“ in den letzten sechs Monaten zu suchen oder „HDL-Cholesterin“ – etwa für eine Verlaufskontrolle. Vielmehr werden alle Dokumente als pdfs gespeichert und jede Datei muss einzeln geöffnet, gelesen und der entsprechende Wert gesucht werden. Wechselberger zu den Konsequenzen: „Der Arzt muss sich also bei jeder Konsultation durch eine stetig steigende Datenmenge wühlen, um die notwendigen Informationen zu finden. Das kostet viel Zeit, die dann für die ärztliche Zuwendung fehlt.“ Auch für Johannes Steinhart ist die Benutzerfreundlichkeit ein zentraler Punkt – und er verweist auf die schon jetzt veraltete Grundkonzeption von ELGA. „Das System muss Rücksicht nehmen auf die täglichen Abläufe in der Ordination und im Spital. Es soll die ärztliche Arbeit erleichtern, die Behandlungssicherheit erhöhen und mehr Zeit für die Betreuung der Patienten schaffen. Das ist ja derzeit nicht der Fall.“

Nicht zuletzt sind es auch die tatsächlichen Kosten, die ELGA verursacht und die Frage, wer diese Kosten übernimmt. Steinhart dazu: „Es bestehen massive Zweifel an den Zahlen des Gesundheitsministeriums. Daher fordern wir eine Nachberechnung der Investitionskosten, der Kosten für den laufenden Aufwand sowie einen konkreten Finanzierungsplan der öffentlichen Hand.“

Aus diesen und anderen Gründen haben beispielsweise Deutschland, Großbritannien und Tschechien ähnliche Projekte gestoppt. Wenn die fünf Forderungen der ÖÄK nicht umgesetzt werden, droht ELGA laut dem ÖÄK-Präsidenten zur „peinlichen und teuren Blamage“ zu werden. Und Wechselberger weiter: „Das wollen wir Österreich ersparen. Deshalb sind wir zu konstruktiver Mitarbeit bereit, um ein Datenchaos in den Ordinationen und Spitälern zu verhindern – vorausgesetzt, man hört endlich auf uns.“

Schon bei der Angelobung des neuen ÖÄK-Präsidiums durch Minister Alois Stöger war ELGA Gesprächsthema Nummer 1. Schon damals äußerten die Spitzenvertreter der ÖÄK die zentralen Bedenken der Ärzte – und der Minister sagte zu, die Sorgen der Ärztinnen und Ärzte ernst zu nehmen und den Diskussionsprozess fortzusetzen. Mittlerweile wurden auch zwei neue Arbeitsgruppen eingesetzt; eine befasst sich mit der „Usability“, die zweite mit „Finanziellem“. Wechselberger: „Die derzeit endlich laufenden Expertengespräche zeigen, wie viele Fallen und Mängel der aktuelle Gesetzesentwurf noch immer hat. Deshalb sollte man sich noch ein wenig Zeit nehmen, um ein seriöses und praktikables ELGA-Gesetz zustande zu bringen.“

„Konstruktive Gespräche“ gebe es in den Arbeitsgruppen, sagt jedenfalls der Minister, der in der Einführung der elektronischen Gesundheitsakte „keine ideologische Frage“ sehe, wie er betont. Kritik übt Stöger jedoch an der Ausdehnung der Informationskampagne von Wien auf ganz Österreich. Im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA) meinte er dazu: „Das irritiert mich ganz ehrlich schon.“ Er gehe aber davon aus, die „irrationalen Ängste“ überwinden zu können. Die von der ÖÄK geforderte Opt in-Regelung, wonach jeder Versicherte sich extra für ELGA anmelden muss, lehnt der Minister weiterhin entschieden ab. Obwohl es noch immer keine Einigung gibt, geht Stöger davon aus, dass die Infrastruktur für ELGA Mitte 2013 steht; dann sollte schrittweise der Aufbau beginnen.
AM

Tipp: www.elgainfo.at

Weitere Materialien zur Informations- und Aufklärungskampagne können kostenlos bei der Pressestelle der Österreichischen Ärztekammer angefordert werden:
Mag. (FH) Teresa Pöttinger
Tel.: 01/513 18 33/12
E-Mail: t.poettinger@aerztekammer.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2012