ELGA: Gesetz mit Tücken

10.02.2012 | Politik

Einen Verstoß gegen das Verfassungsrecht ortet ein Experte beim vorliegenden Gesetzesentwurf von ELGA: Konkret geht es um den Eingriff in den Datenschutz mit der vorgesehenen Opt out-Regelung sowie um die Unbestimmtheit des Begriffs Gesundheitsdaten.
Von Agnes M. Mühlgassner


Zwei Hauptkritikpunkte sind es, die der Verfassungsjurist Univ. Prof. Heinz Mayer in seinem Gutachten zum derzeit vorliegenden Gesetzestext von ELGA nennt: zum einen beim Datenschutz durch die vorgesehene Opt out-Lösung, mit der jede Patientin und jeder Patient automatisch in ELGA erfasst wäre und zum zweiten die Unbestimmtheit des im Gesetzestext verwendeten Begriff Gesundheitsdaten.

Mayer sieht einen „massiven Eingriff“ in den Datenschutz gegeben; hier einzugreifen würde jedenfalls die Zustimmung des Betroffenen erfordern. „Die bloße Verwendung der E-Card reicht nicht als Zustimmung zum Einblick in die Daten aus“, so die Meinung des Verfassungsexperten. Dafür wäre ein „zweiter Klick“ notwendig. Gesundheitsdaten seien sehr sensible Daten und von schutzwürdigem Interesse, betonte der Experte.

Der Begriff „Gesundheitsdaten“ ist im Gesetzestext nach Ansicht von Mayer zu weit gefasst, da man darunter alle „Personen-bezogenen Daten über die physische und psychische Befindlichkeit eines Menschen“ verstehe. „Das muss eingeschränkt werden“, so der Verfassungsexperte.

Wenn diese beiden Punkte geklärt sind, ist dann für die ÖÄK die Diskussion um ELGA beendet? „Es sind nur zwei von 50 Punkten, die nicht erledigt sind“, so ÖÄK-Präsident Walter Dorner. Es wäre aber jedenfalls „ein erster Schritt“. Die letzte diesbezügliche Sitzung von Sozialversicherung, Gesundheitsministerium und ÖÄK, in der es um die Klärung der zahlreichen noch weiteren offenen Punkte geht – Stichwort Kosten-Nutzen-Analyse, Sicherheitsbereich etc. – fand Ende November statt. Einen weiteren Sitzungstermin gibt es bis dato nicht. Außer Diskussion steht jedenfalls für Walter Dorner, dass der vorliegende Entwurf („Es ist ein Gesetz, in dem nichts drin steht und in das man alles hinein interpretieren kann“) gründlich überarbeitet werden müsse, da die Ärzte ansonsten „erbitterten Widerstand zeigen werden“. Diese Forderung nach einer Überarbeitung des ELGA-Gesetzes wurde in einem Brief der ÖÄK an die Mitglieder der Bundesregierung, des Nationalrates, der Sozialversicherungen, Vertreter der Gesundheitsberufe und andere Interessensvertretungen erhoben.

Der Widerstand gegen ELGA komme nicht nur von der Wiener, sondern auch von der Österreichischen Ärztekammer, die entsprechende Beschlüsse gefasst hat, betonte der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer Wien, Johannes Steinhart. „Ich verwahre mich auch dagegen, dass wir als Technik-Verweigerer bezeichnet werden. Gute Medizin wurde schon immer gemacht, unabhängig von Technik und Bürokratie.“

Durch das nun vorliegende Gutatchten sieht sich Steinhart in seiner schon immer geforderten Freiwilligkeit für die Teilnahme an ELGA bestätigt: „Diese Freiwilligkeit der Teilnahme haben wir schon immer gefordert, und zwar für Ärzte und für Patienten.“ Auch die Verschwiegenheit in der besonderen Beziehung zwischen Arzt und Patient sieht er gefährdet: Die Ärzte seien schon längst gläsern – das habe man ihm, Steinhart gegenüber, auch kürzlich von Seiten der Sozialversicherung geäußert – aber nun werde auch der Patient gläsern „und dagegen verwahren wir uns“. Auch das Kostenargument ist für den Kurienobmann nach wie vor nicht vom Tisch: „In einer Zeit des Sparpakets muss man sich schon überlegen, ob man rund zwei Milliarden Euro in Bürokratie investieren will.“

Steinhart konstatiert „große Unzufriedenheit“ innerhalb der Ärzteschaft, die ihrer ureigenen Aufgabe als Arzt und Ärztin nachgehen wollen. „Wir werden mit Nachdruck und mit aller Konsequenz dieses ELGA-Gesetz bekämpfen.“ Nachsatz: „Außerdem würde man sich schon erwarten, dass ein Gesetz verfassungskonform ist.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2012