EbM-Gui­de­lines online: Infor­ma­tion per Mausklick

10.09.2012 | Politik


Noch bis Ende Sep­tem­ber kön­nen All­ge­mein­me­di­zi­ner die EbM-Gui­de­lines online kos­ten­los ver­wen­den. Per Maus­klick kann man so im Praxi­all­tag rasch die aktu­ells­ten Infor­ma­tio­nen nach­schla­gen – mitt­ler­weile ste­hen mehr als 1.000 Arti­kel zur Ver­fü­gung.
Von Marion Huber

Blät­tern und Nach­schla­gen in Büchern wäh­rend eines Arzt-Pati­en­ten-Gesprächs muss nicht sein – mit der Online-Ver­sion der EbM-Gui­de­lines fin­det der Arzt schnell und effi­zi­ent per Maus­klick die Infor­ma­tio­nen, die er braucht. Ist er unter www.ebm-guidelines.at ange­mel­det, kann er ohne gro­ßen Recher­che-Auf­wand mit der Suche nach einem Begriff begin­nen. Die gewünschte Infor­ma­tion erscheint sofort auf dem Bild­schirm und ist durch die über­sicht­li­che Struk­tu­rie­rung sofort ersicht­lich. Das Gespräch mit dem Pati­en­ten wird auf diese Weise nicht unnö­tig unter­bro­chen. „Der Arzt kann schnell und pra­xis­nah etwas nach­schauen. Man hat die Gui­de­lines am Bild­schirm in der Task-Leiste stän­dig lie­gen und wenn eine Frage auf­taucht, kann man schnell nach­schauen. Das ist für die Pati­en­ten auch über­haupt kein Pro­blem“, schil­dert Bar­bara Degn, Ärz­tin für All­ge­mein­me­di­zin in Wien und selbst im Reviewer-Team der EbM-Gui­de­lines tätig.

Aktu­ells­ter Wissensstand

Die Arti­kel der EbM-Gui­de­lines wer­den unter Berück­sich­ti­gung der der­zeit ver­füg­ba­ren bes­ten Evi­denz ver­fasst. Die Texte wer­den nach der Gewiss­heit der Rich­tig­keit in die Evi­denz­stu­fen A (hohe Evi­denz) bis D (sehr nied­rige Evi­denz) ein­ge­teilt. Der große Vor­teil der Online-Ver­sion: Sie kann rasch und stän­dig bear­bei­tet und auf den aktu­ells­ten Stand des Wis­sens gebracht wer­den. „Ein Reviewer-Team ist regel­mä­ßig am Werk und Neu­ig­kei­ten wer­den umge­hend in die Online-Ver­sion ein­ge­ar­bei­tet“, betont Degn. Aktua­li­sierte oder über­ar­bei­tete Text­stel­len wer­den im Arti­kel farb­lich mar­kiert – Rot gekenn­zeich­nete Text­stel­len wur­den aktua­li­siert; ein roter Punkt bedeu­tet, dass der Arti­kel grund­le­gend über­ar­bei­tet wurde, ein blauer Punkt deu­tet auf kleine Ände­run­gen im Arti­kel hin. Außer­dem ist bei jeder Emp­feh­lung ein Aktua­li­sie­rungs­da­tum ange­führt, das angibt, wann der Bei­trag zuletzt bear­bei­tet wurde.

Ins­ge­samt ste­hen dem Benut­zer zum Nach­schla­gen per Maus­klick fast 1.000 Arti­kel zur Ver­fü­gung. Basis dafür ist die fin­ni­sche Ver­sion der Gui­de­lines, die 1989 in Finn­land begrün­det wurde. Die deutsch­spra­chige Aus­gabe der EbM-Gui­de­lines ist 2005 erst­mals erschie­nen. Dabei wur­den beim Über­set­zen der fin­ni­schen Ori­gi­nal­texte die Unter­schiede zwi­schen den Gesund­heits­sys­te­men berück­sich­tigt und die Arti­kel an öster­rei­chi­sche Ver­hält­nisse angepasst.

In den Emp­feh­lun­gen wird nicht nur auf einen Krank­heits-ori­en­tier­ten Ansatz (etwa Asthma) ein­ge­gan­gen, die Dar­stel­lung erfolgt auch Sym­ptom-ori­en­tiert (zum Bei­spiel Knie­schmer­zen) oder Betreu­ungs-ori­en­tiert (etwa Ernäh­rung im Alter). Zahl­rei­che Video-Sequen­zen, Hör­bei­spiele und mehr als 1.000 Bil­der kön­nen zur Ver­an­schau­li­chung abge­ru­fen wer­den. Möchte man wis­sen­schaft­lich in die Tiefe gehen und die Emp­feh­lun­gen nach­le­sen, fin­den sich bei den Arti­keln Links zu mehr als 3.500 Evi­dence Sum­ma­ries und Cochrane-Library-Beiträgen.

Dia­gnos­tik und Therapie

Mit­hilfe der Gui­de­lines kön­nen Fra­gen zur Dia­gnos­tik wie „Wel­che Unter­su­chun­gen sind not­wen­dig, wel­che nicht?“ ebenso beant­wor­tet wer­den wie jene zur The­ra­pie „Was ist gesi­chert, was sinn­voll, wo könn­ten Gefah­ren ste­cken?“ Auch was die Behand­lungs­stra­te­gie anlangt, kann die Daten­bank zu Rate gezo­gen wer­den. Wo kann der Haus­arzt hel­fen, was kann er tun? Oder wann ist es rat­sam, den Pati­en­ten an den Fach­arzt oder ein Kran­ken­haus zuzu­wei­sen? „In den Gui­de­lines kann man sowohl nach­schla­gen, wenn man schnell wis­sen möchte, wel­ches Anti­bio­ti­kum man geben soll als auch dann, wenn man sich ver­si­chern möchte wel­cher Unter­su­chungs­gang jetzt der rich­tige ist“, so die Allgemeinmedizinerin.

Noch bis Ende Sep­tem­ber 2012 stellt die Bun­des­sek­tion für All­ge­mein­me­di­zin der ÖÄK den Online­dienst in vol­lem Umfang allen nie­der­ge­las­se­nen All­ge­mein­me­di­zi­nern zur kos­ten­lo­sen Nut­zung zur Ver­fü­gung. Über das Fort­bil­dungs­konto unter www.meindfp.at kann die­ser Ser­vice bequem in Anspruch genom­men wer­den. Jeder All­ge­mein­me­di­zi­ner sollte davon Gebrauch machen, ist Degn über­zeugt: „Es ist ein sehr gutes Ange­bot, mit dem wir die EbM-Gui­de­lines in die täg­li­che Pra­xis unse­rer Kol­le­gen ein­füh­ren wol­len. Außer­dem sind die Gui­de­lines auf All­ge­mein­me­di­zi­ner zuge­schnit­ten und des­halb wirk­lich sehr gut im Pra­xis­all­tag brauch­bar. Der­zeit gibt es nichts Adäqua­tes auf dem Markt.“

Aus der Praxis

Eine Mut­ter kommt mit ihrem vier­jäh­ri­gen Buben in die Ordi­na­tion ihres Haus­arz­tes, weil das Kind seit mehr als einer Woche Durch­fall und kolik­ar­tige Bauch­schmer­zen hat. Bei der Unter­su­chung stellt der Arzt tro­ckene Schleim­häute und einen Elas­ti­zi­täts­ver­lust der Haut fest. Des­we­gen möchte er das Kind zur Sicher­heit in ein Kran­ken­haus zuwei­sen. Die Mut­ter möchte aller­dings nach der Behand­lung durch den Haus­arzt mit ihrem Kind nach Hause gehen.

Nach wel­chen objek­ti­ven Kri­te­rien kann der Haus­arzt ent­schei­den, ob er das Kind doch nach Hause ent­las­sen kann?

Wie lau­tet die Emp­feh­lung der EbM-Gui­de­lines in einer sol­chen Situation?

Sucht der Arzt in der Online-Ver­sion nach dem Begriff „Diar­rhö“, erhält er in den Such­ergeb­nis­sen unter ande­rem den Ein­trag „Diar­rhö und Erbre­chen beim Kind“. Er wählt die­sen Punkt und kann nun ent­we­der den gesam­ten Arti­kel mit der Dia­gnose, der Fest­stel­lung des Schwe­re­gra­des und der Behand­lung lesen oder aber schon in der Über­sicht zu Beginn auf den Punkt „Indi­ka­tio­nen für eine Kran­ken­haus-Ein­wei­sung“ kli­cken. So kommt der Arzt rasch zu der für ihn rele­van­ten Infor­ma­tion. In die­sem Fall lau­tet die Emp­feh­lung, den Buben in ein Kran­ken­haus zuzu­wei­sen, da meh­rere Punkte, die eine Ein­wei­sung indi­zie­ren wie mäßig schwere Dehy­drat­a­tion, seit mehr als fünf Tagen anhal­tende Diar­rhö sowie kolik­ar­tige Bauch­schmer­zen in sei­nem Fall zutreffen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2012