2. Tag der Gesundheitsberufe: „In menschliche Medizin investieren!“

10.02.2012 | Politik

Die Pflege und die Prävention sind die zwei zentralen Herausforderungen für das Gesundheitswesen in den nächsten Jahren, wie sich beim 2. Tag der Gesundheitsberufe Ende Jänner in Wien herausstellte.
Von Ruth Mayrhofer

Der Trend geht hin zur personalisierten Medizin. Darüber waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion anlässlich des 2. Tages der Gesundheitsberufe, der unter dem Generalthema „Die Zukunft des Gesundheitswesens“ stand, einig. Der „Zug“ des Gesundheitswesens müsse in Zukunft weg von der Ökonomisierung hin zu einem Plus an Patientenorientierung und damit zu einer personalisierten Medizin fahren. Das unterstrich genauso Gesundheitsminister Alois Stöger: „Wir stehen an einem Wendepunkt der Gesundheitspolitik. Bisher haben wir uns an den Leistungsanbietern orientiert. Nun müssen wir vermehrt die Rolle der Patienten im Behandlungsprozess wahrnehmen.“ Das bedeute, so der Gesundheitsminister, eine Herausforderung für alle Gesundheitsberufe, insbesondere jedoch für die Pflege. Als zweite großer Herausforderung nannte Stöger die Stärkung der Prävention, wobei es auch hier gelte, die Kompetenz aller Gesundheitsberufe einzubringen. Diese beiden Herausforderungen müssten in alle Überlegungen zu einer Finanzierung und damit zu einem vernetzten Handeln einfließen.

Demographie und Folgen

Diese Überlegungen sind auch im Kontext der demographischen Entwicklung zu sehen . In Österreich – so belegen Daten der Statistik Austria – können Frauen derzeit darauf vertrauen, 78 Prozent ihrer Lebenszeit in guter oder sehr guter Gesundheit zu verbringen, Männer immerhin 76 Prozent. Allerdings: Die physischen und psychischen Belastungen etwa am Arbeitsplatz nehmen zu und auch die sozioökonomischen Unterschiede in Sachen Lebensstil und die daraus resultierenden Folgeerkrankungen (Stichworte: Adipositas, Bronchialkarzinom) müssten nähere Beachtung finden. Genauso sind die steigende Lebenserwartung und der daraus folgende Pflegebedarf bei Überlegungen im Hinblick auf das Gesundheitswesen zu berücksichtigen, wie Jeanette Klimont von der Statistik Austria ausführte: „Bei der alten Bevölkerung haben derzeit 480.000 Personen Probleme bei Alltags-Basistätigkeiten. 44.000 von ihnen erfahren keine oder keine ausreichende Unterstützung.“ Die Betreuung dieser Personen liegt derzeit überwiegend bei Partnern, Verwandten und/oder bezahlten Pflegediensten.

Hagen Kühn, ehemaliger Leiter der Abteilung Public Health am Wissenschaftszentrum Berlin, wies darauf hin, dass sich auf all diese Entwicklungen „das System einstellen“ und die im System Tätigen sich teilweise in ihren Rollen umstellen müssten. „Die nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe werden mehr als bisher gefordert werden!“, erklärte der Experte. Die oft angesprochenen Finanzierungshürden des Gesundheitssystems sieht Kühn allerdings nicht als Folge des demographischen Wandels, sondern darin, dass Löhne und Gehälter – u.a. aufgrund der Inflation – tendenziell sinken. Der Experte: „Wir haben ein Einnahme- und Verteilungsproblem.“ Diese Tendenz, so Kühn, wird wohl zu einer „substanziellen Belastung aller Gesundheitsberufe“ einerseits, andererseits zu einem Vertrauensverlust (in das System, Anm.) der Bevölkerung führen. Der Grund: Dominiert ökonomisches Handeln im Bereich der Gesundheitsversorgung, wird ein individuelles Handeln im Sinne der Patienten oft schwer gemacht. „Die Patienten erwarten eine Sorgebeziehung, bekommen aber eine Geschäftsbeziehung“, so der Experte. Wird man jedoch vom Patienten zum Kunden, sinken Vertrauen und Compliance gleichermaßen. „Wenn das Gesundheitswesen in diese Richtung geht, dann geht das öffentliche Gut Gesundheit verloren“, so die düstere Prognose von Kühn.

Kein Wunder, dass daher ÖÄK-Präsident Walter Dorner bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Altersgerechte Behandlung und Pflege“ die Bedeutung einer personalisierten Medizin und die dringend notwendige Loslösung vom Standardpatienten forderte. Dorner: „Der Patient muss als Partner in der Krankenbehandlung gesehen werden.“ Sowohl die Personalressourcen (allein im Bereich der Pflege werden bis 2020 rund 17.000 zusätzliche Mitarbeiter gebraucht werden) als auch die Rahmenbedingungen und die Versorgungsgerechtigkeit müssten von Seiten der Gesundheitspolitik unter den sprichwörtlichen Hut gebracht werden. Gleichzeitig müssten gleichermaßen die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erhöht und die Prävention gestärkt werden. Diese Anliegen betonte auch Gesundheitsminister Stöger: „Wir (das Gesundheitswesen, Anm.) brauchen mehr Personal und mehr Zeit für Beziehung und Kommunikation. Denn Zuwendung ist oft viel wichtiger als Technik.“ Insgesamt trachtet Stöger danach, das „Gesundheitswesen so zu stabilisieren, dass die Finanzierung mit der Entwicklung der Volkswirtschaft einhergeht“, damit die öffentlichen Gesundheitsausgaben mit der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes einhergehen.

Im Rahmen des 2. Tages der Gesundheitsberufe wurden neuerlich drei Förderpreise der Österreichischen Gesundheitsberufe-Konferenz verliehen. Als klarer Sieger ging ein Projekt von Studierenden der Medizinischen Universität Graz/Institut für Pflegewissenschaft zum Thema Dekubitusprävention hervor. Mit Hilfe einer Informationsbroschüre und eines Schulungskonzepts soll pflegenden Angehörigen ein Instrumentarium an die Hand gegeben werden, um das Wundliegen der Patienten zu verhindern beziehungsweise um besser und effektiver mit professionellen Pflegern zusammenarbeiten zu können.

Platz zwei eroberte die Schule für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege der Nervenklinik Linz für das Pilotprojekt „Information an Schulen zum Thema Epilepsie“. Mit einer Studie zum Einfluss von Ernährungsberatung auf die Substitution von Pankreasenzymen bei geriatrischen Patienten sicherte sich Lucia Jörg von der Fachhochschule Innsbruck den dritten Platz. Überreicht wurden die Preise von Martha Böhm, Präsidentin des Berufsverbandes Kinderkrankenpflege Österreich und derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsberufekonferenz.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2012