Research chemicals: Auf dem Vormarsch

25.01.2012 | Medizin

Die Partydroge Ecstasy wird in den letzten Jahren immer mehr von neuen synthetischen Designerdrogen verdrängt. Über die genaue Wirkung und die Nebenwirkungen dieser „research chemicals“ ist allerdings noch wenig bekannt, was ihren Konsum sehr riskant und gefährlich macht.
Von Corina Petschacher

Psychoaktiv wirksame Substanzen werden seit jeher als Drogen missbraucht. Unter dem Begriff ‚Synthetische Drogen‘ werden all diejenigen zusammengefasst, deren Ursprung nicht in einer natürlich vorkommenden Substanz liegt, sondern im Labor experimentell erzeugt werden. Die meisten dieser auch als „Designer Drogen“ bekannten Substanzen gehören zur Gruppe der ß-Phenylalkylamine. So auch das bis in die 1970er Jahre noch als Appetitzügler eingesetzte Amphetamin und Methamphetamin, bis die beobachtete Suchtbildung und gefährliche Nebenwirkungen dazu führten, dass sie vom Markt genommen wurden und sie seither unter dem Namen „Speed“ als illegale Rauschmittel im Umlauf sind. Auch das Amphetaminderivat 3,4-Methylendioxymethamphetamin – kurz MDMA – nahm seinen Ursprung in der Welt des „Drug-Designs“ und wurde Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre in Europa zur Modedroge.

Die Droge der 1990er: Ecstasy

Unter dem Begriff „Ecstasy“ wurden zunächst Tabletten, die meist reines MDMA enthielten, später aber auch solche, die weitere chemisch verwandte Substanzen beinhalteten, zusammengefasst. Diese gezielt für den Drogenkonsum synthetisierte Droge breitete sich Ende der 1980er Jahre trotz Verbots durch die internationalen Drogengesetze rasch aus den USA kommend über Großbritannien auf ganz Europa aus und fand vor allem in der sogenannten „Techno-Musikszene“ guten Anklang. Im Gehirn wirkt MDMA, indem es die Serotoninausschüttung erhöht und dessen Wiederaufnahme in die Nervenendigungen hemmt. Neben einer aktivierenden, Antriebs-steigernden Komponente wirkt Ecstasy auch entaktogen, Gefühle werden intensiver wahrgenommen. Aber auch Körpertemperatur, Herzfrequenz und Blutdruck steigen an, Durst und Hungergefühle werden unterdrückt. Es besteht die akute Gefahr einer Hyperthermie und Dehydratation, die bis zum multiplen Organversagen führen können. Durch den Konsum von Ecstasy entsteht keine körperliche Abhängigkeit. Die in den Tagen nach der Drogeneinnahme entstehenden psychischen Symptome wie massive Abgeschlagenheit, Depression und Angstzustände, die als Reaktion des Körpers auf die plötzliche Entleerung der Serotonin-Speicher entstehen, können jedoch langfristig dazu führen, dass sich eine psychische Abhängigkeit einstellt, um weiterhin das Glücksgefühl des Drogenrausches zu erleben. Über die gesundheitlichen Folgen von längerem oder häufigerem Ecstasy-Konsum liegen noch keine einheitlichen Forschungsergebnisse vor. Kognitive Defizite im Sinn von Gedächtnisstörungen sowie das Auftreten von Depressionen und Panikattacken sind zu beobachten.

Häufig werden jedoch auch andere Substanzen als vermeintliche Ecstasy-Tabletten in Umlauf gebracht, was schwerwiegende Konsequenzen für die Konsumenten zur Folge haben kann. Univ. Prof. Rainer Schmid vom Klinischen Institut für Labormedizin am AKH Wien warnt vor Substanzen, die als „falsches Ecstasy“ auf dem Markt sind: Vor allem Amphetaminderivate, wie das immer wieder beobachtete Paramethoxyamphetamin (PMA), dessen Produktion einfacher und billiger sei, als die der eigentlichen Ecstasy-Tabletten, werde oft als solches verkauft, da seine berauschende Wirkung der der Originalsubstanz ähnlich sei. Die Toxizität sei allerdings um ein Vielfaches höher als die der vermeintlich eingenommenen Ecstasy-Tabletten. Dehydratation und Hyperthermie entwickeln sich sehr viel stärker. Da der erwartete Wirkeintritt aufgrund eines langsameren Anflutens später erfolgt, werden häufig weitere Pillen eingenommen, um die gewünschte berauschende Wirkung herbei zu führen. Sehr viel häufiger kommt es dabei zu Übelkeit und Erbrechen sowie zu massiven Kreislaufproblemen, die bis zur Bewusstlosigkeit und sogar zum Koma führen können. Während Todesfälle durch das Amphetaminderivat MDMA heute relativ selten sind, führt die Substanz PMA immer wieder zum Tod der Konsumenten.

Trend Richtung „Research chemicals“

Bedeutend gefährlicher als die Einnahme von reinen Ecstasy-Tabletten scheint der Konsum von neuen, erst vor kurzer Zeit entwickelten Substanzen zu sein. Damit sind sogenannte „Research Chemicals“ gemeint; chemische Verbindungen, über deren psychoaktive Wirkung und Toxikologie bislang noch wenig bekannt ist und die kaum erforscht sind. Diese Substanzen werden als legaler Ersatz für bereits verbotene Stoffe angeboten, da sie sowohl in ihrer Wirkung als auch in ihrer Struktur den Ursprungsdrogen – meist Amphetaminen – sehr ähnlich sind. Die Molekülstruktur von bereits bekannten und vorhandenen psychoaktiv wirksamen Substanzen wird nur leicht verändert und so eine komplett neue Droge erschaffen, deren berauschende Wirkung dabei fast unverändert bleibt. Vor einer Flut neuer Designerdrogen, die kaum mehr überschaubar und kontrollierbar sei, warnte auch der Drogen-Kontrollrat der Vereinten Nationen (INCB). Immer größer und vielfältiger werde das Angebot bislang noch legaler psychoaktiver Substanzen, die in Form von ‚Blumendünger‘, ‚Badesalz‘ oder ‚Räuchermischungen‘ über das Internet erhältlich seien.

Mephedron am weitesten verbreitet

Eines der gängigsten „Research Chemicals“, die momentan auf dem Drogenmarkt im Umlauf sind, ist 4-Methylmethcathinon (4-MMC), besser bekannt unter dem Namen Mephedron. Die circa seit dem Jahr 2008 vertriebene Substanz sellt in ihrer Wirkung ein Hybrid aus Ecstasy und Katinon dar und wurde aus dem englischsprachigen Raum kommend als „Pflanzendünger“ oder „Badesalz“ lange Zeit vor allem über das Internet legal vertrieben. In Österreich gilt Mephedron seit August 2010 als verboten. Die als „Meph“, „Meow“ oder auch „Magic“ bekannte Droge stellt eine psychoaktiv wirksame Substanz, die wie eine Mischung aus MDMA und Kokain wirkt, dar. Sie wird sowohl oral als auch nasal eingenommen. Neben der Antriebs-steigernden, euphorisierenden und entaktogenen Wirkung tritt allerdings schon nach einer relativ kurzen berauschenden Wirkung nach rund ein bis zwei Stunden wieder das Verlangen auf, die Substanz ein weiteres Mal einzunehmen, was als sogenanntes „Craving“ bezeichnet wird. Hier liegt auch das große Abhängigkeitspotential von Mephedron. Da für die gewünschte berauschende Wirkung viel höhere Dosen notwendig sind als dies beispielsweise beim Konsum von Ecstasy der Fall ist, sind auch die toxischen Nebenwirkungen um ein Vielfaches höher. Herzrasen, massiver Blutdruckanstieg, erweiterte Pupillen sowie eine veränderte Wahrnehmung zählen zu den akuten Folgen des Drogenkonsums. Schlaflosigkeit und unklare Erinnerungen an die Zeit der Drogeneinwirkung können in der darauffolgenden Zeit auftreten. Immer wieder wird nach Einnahme von Mephedron auch von Todesfällen berichtet. Da die Substanz erst kurze Zeit im Umlauf ist, liegen noch keine Ergebnisse über deren Langzeitfolgen vor.

Piperazinderivate und Pyrovalerone

Auch verschiedene Derivate der Substanzen Benzylpiperazin und Phenylpiperazin erfreuen sich in der Welt der neu designten Drogen einer relativ großen Verbreitung. Diese ursprünglich aus der Veterinärmedizin stammenden Antiwurmmittel haben ein ähnliches Wirkspektrum wie Ecstasy und stellen momentan noch eine legale Alternative dazu dar. Aktuell werden Benzylpiperazine aufgrund ihrer Amphetamin-ähnlichen, stimulierenden Wirkung hauptsächlich als Partydrogen konsumiert. Allerdings kommt es unter Einnahme von Piperazin-Derivaten häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen sowie zu massiv erhöhtem Blutdruck. Immer wieder kommt es auch zum Missbrauch des noch in den 1960er Jahren gegen chronische Müdigkeit und Adipositas angewandten Psychostimulans Pyrovaleron als Antriebs-steigernde Droge. Über die genaue Wirkung und Nebenwirkungen sowie Langzeitfolgen ist wie bei den meisten „Research Chemicals“ noch nichts genaues bekannt.

Prävention: ChEck iT!

Schmid, der neben seiner Tätigkeit am AKH auch wissenschaftlicher Leiter des Präventions-Projekts ChEck iT! ist, das sich mit der Information über auf dem Markt befindliche Drogen und deren Testung beschäftigt, sieht die einzig wirkliche Möglichkeit mit dem Boom der neuen Designerdrogen umzugehen, in ausführlicher Informations- und Präventionsarbeit. Schmid weiter: „Meist wird es nicht möglich sein, die häufig jugendlichen Konsumenten daran zu hindern, diese neuen Substanzen auszuprobieren und einzunehmen. Man muss deshalb das Augenmerk darauf richten, sie über die möglichen Gefahren bestmöglich zu informieren und ihnen bewusst machen, auf welches Risiko sie sich dabei einlassen.“ Immer wieder komme es auch vor, dass Betroffene aus der Annahme und Angst heraus, sie könnten strafrechtlich verfolgt werden, bei auftretenden Nebenwirkungen nicht den Arzt aufsuchen. „Dies ist besonders gefährlich, da unter Umständen sogar Todesgefahr bestehen kann, da die Konsumenten selbst nicht genau wissen, was sie eingenommen haben“, erläutert Schmid. Niedergelassenen Ärzten, die mit Patienten in Kontakt stehen, bei denen der Verdacht auf die Einnahme von Designerdrogen besteht, rät der Experte: „Warnzeichen, die auf einen Drogenmissbrauch hindeuten, können besonders bei Jugendlichen plötzlich auftretende Panik-Attacken und Depressionen sein. Hier sollten die Freizeitaktivitäten hinterfragt und auch die Eltern der Jugendlichen mit einbezogen werden.“ Gemeinsam lassen sich Beratungsgespräche führen und Lösungsansätze suchen. Die Patienten sollen möglichst genau informiert und auf die gesundheitlichen Konsequenzen des Substanzmissbrauchs hingewiesen werden. Zeigt der Betroffene Anzeichen wie Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen und andere kardiovaskuläre Probleme, könnten diese auch auf eine akute, durch die Einnahme von Designerdrogen verursachte Vergiftung hinweisen. Hier steht in erster Linie die symptomatische Therapie bei der Behandlung im Vordergrund, da oft selbst den Konsumenten nicht klar sei, welche Substanz eingenommen wurde und somit nicht gezielt dagegen vorgegangen werden könne.

Tipp:
www.checkyourdrugs.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2012