Pfeiffersches Drüsenfieber: Infektion mit gravierenden Folgen

10.11.2012 | Medizin

Zwar gilt das Pfeiffersche-Drüsenfieber als harmlose Viruserkrankung; es kann aber wochen- bis monatelange Erschöpfungszustände nach sich ziehen, die durch die starke Reaktion des Immunsystems auf die Primärinfektion ausgelöst werden – auch wenn die Symptome schon abgeklungen sind. Von Doris Kreindl

Nur bei circa 25 Prozent der Betroffenen verläuft die Akutinfektion als klinisch apparente Infektion, weiß Univ. Prof. Elisabeth Puchhammer-Stöckl vom Department für Virologie der Medizinischen Universität Wien. Die klassischen Symptome sind vor allem Lymphadenopathie, Tonsillitis mit einem weißen Belag, die oft mit einer bakteriellen Angina verwechselt wird, erhöhte Leberwerte, manchmal kommt ein Ausschlag dazu sowie Müdigkeit, Fieber und ein starkes Krankheitsgefühl. Bei der Mehrzahl der Betroffenen verläuft die Infektion asymptomatisch.

In jedem Fall wird das Immunsystem stark in Mitleidenschaft gezogen. Nicht nur die Infektion an sich kann bei den Patienten die wochen- oft monatelange andauernden Krankheitsgefühle auslösen, sondern die starke Reaktion des Immunsystems auf die Primärinfektion, auch wenn die Symptome schon abgeklungen sind. „Der Erreger infiziert anfänglich die Epithelzellen von Nase, Mund und Rachen sowie eine Gruppe der Leukozyten, die B-Lymphozyten. In der Akutphase können bis zu 50 Prozent der zirkulierenden B-Zellen das Virus in sich tragen. Das ist enorm! Im selben Ausmaß aktiviert das Immunsystem zur Bekämpfung dann die T-Lymphozyten-Antwort“, erklärt Puchhammer. „Angesichts der dramatischen Vorgänge im Immunsystem ist es für mich immer wieder verwunderlich, warum das Drüsenfieber dann so oft asymptomatisch verläuft“, so die Expertin.

Die Bandbreite der Symptome kann beträchtlich sein. Auch bei gewöhnlichem Krankheitsverlauf können noch Appetitlosigkeit, Schwindelgefühle, Schüttelfrost, trockener Husten, Übelkeit, Depressionen sowie Bauch-, Muskel- oder Kopfschmerzen hinzukommen. Schweregrad und Ausprägung dürften dabei im Wesentlichen mit dem Alter der Patienten zusammenhängen, wobei bei Kindern und Jugendlichen die Infektion milder verläuft als bei Erwachsenen. Manche Personen leiden nach der akuten Infektion noch monate- oder jahrelang unter Antriebsschwäche, Fieber, Müdigkeit und Lymphadenopathie.

Ein Zusammenhang zwischen dem Epstein-Barr-Virus, dem Erreger der Mononucleosis infectiosa, und dem Chronic Fatigue Syndrom konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Nach der Primärinfektion bleibt das Virus lebenslang latent im Körper und kann gelegentlich reaktiviert werden; unter welchen Umständen es zur Reaktivierung kommt, konnte bisher wissenschaftlich nicht im Detail erfasst werden.

Am Beispiel von prominenten Leistungssportlern wie der Schwimmerin Mirna Jukic oder dem Tennisspieler Roger Federer zeigt sich aber, dass das Drüsenfieber selbst bei normalem Verlauf durchaus schwerwiegende Folgen haben kann. Beide Sportler mussten monatelange das Training einstellen, da sie nach einer Erstinfektion mit dem Epstein-Barr-Virus unter schweren Erschöpfungszuständen litten. „Das Gemeine bei einer Infizierung mit dem Epstein-Barr-Virus ist, dass man Beschwerden bis zu einem Jahr haben kann“, erklärt Univ. Prof. Christoph Steininger von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der permanenten Trainingsbelastung bei Leistungssportlern und dem Drüsenfieber sieht Steininger jedoch nicht. „Sportler neigen nicht mehr oder weniger als andere dazu, diese Infektion zu entwickeln. Wieso einige Menschen Beschwerden haben und andere nicht, ist nach wie vor nicht geklärt“, so Steininger.

Sorgsame Diagnostik

In der Praxis wird das Pfeiffersche Drüsenfieber sehr häufig nicht diagnostiziert. Bei extremer Müdigkeit und Schwächegefühlen ist auch an eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus zu denken; es ist jedoch nicht immer die Ursache für die andauernden Ermüdungszustände und Krankheitsgefühle.

„Ein weiteres Problem beim Pfeifferschen Drüsenfieber ist, dass das Epstein-Barr-Virus manchmal mit verschiedenen anderen Infektionskrankheiten assoziiert wird, nur weil man einfach EBV-spezifische IgG-Antikörper im Blut der Patienten nachweist“, berichtet Puchhammer. Verwechslungen sind etwa mit einer durch Streptokokken verursachten eitrigen Angina möglich, aber gelegentlich auch anderen Infektionskrankheiten, die mit Exanthemen oder Lymphknotenschwellungen einhergehen. Auch Steininger weist ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen und korrekten Diagnose hin: „Ohne Zweifel ist die Diagnose beim Epstein-Barr-Virus nicht einfach. Bei chronischer Abgeschlagenheit kann es passieren, dass der virologische Test nicht korrekt interpretiert wird. Bei chronischen Infekten wird dann oft das Epstein-Barr-Virus diagnostiziert, obwohl die Ursache ganz andere Gründe haben kann. Es kann durchaus positive virologische Befunde geben und die Ursache hängt trotzdem nicht mit dem Epstein-Barr-Virus zusammen. Die Unterscheidung ist tatsächlich sehr schwierig.“

Schätzungsweise 95 Prozent aller Europäer, die jünger als 30 Jahre sind, infizieren sich mit dem Virus; eine Infektion wird durch EBV-spezifische Antikörper im Blut nachgewiesen. Eine rezente Primärinfektion mit dem EBV gilt erst dann als gesichert, wenn der Antikörpertest eine bestimmte Konstellation aufweist. Neben einer auffälligen Erhöhung der Leukozytenanzahl – zwischen 10.000 und 25.000 pro mm³ mit 60 bis 80 Prozent lymphoiden (mononuklären) Zellen, davon ein Teil atypische Lymphozyten – sind auch die Leberwerte erhöht.

Differentialdiagnostisch ist unter anderem eine Infektion mit dem HI-Virus abzuklären. „Außerdem ist festzustellen, dass es sich nicht immer um das Epstein-Barr-Virus handelt, sondern auch um das Cytomegalie-Virus handeln kann, das ein recht ähnliches Krankheitsbild hervorruft“, so Steininger. Der Anteil der Cytomegalie-Virus-Infektionen an der Mononukleose beträgt rund 20 Prozent.
 
Nach einer Infektion verbleibt der Erreger – wie alle Herpesviren – lebenslang im menschlichen Körper und persistiert latent in den B-Lymphozyten. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung weltweit und auch in Österreich tragen das Virus in sich.

Eine spezielle antivirale Therapie gegen das Drüsenfieber oder zur Vorbeugung gibt es bisher nicht. Bestimmte Antibiotika wie Ampicillin oder Amoxicillin sind kontraindiziert, da sie bei einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus schwere Hautausschläge verursachen können. Steininger dazu: „Eine Penicillin-Allergie wird häufig in dieser Konstellation diagnostiziert. Nur die wenigsten dieser Patienten vertragen jedoch kein Penicillin. Es sollte jedenfalls vor der nächsten Penicillingabe ausgetestet werden.“

Die Forschung beschäftigt sich derzeit hauptsächlich mit den tumorgenen Eigenschaften des EBV, das unter anderem mit der Genese des Hodgkin-Lymphoms, das bei Transplantations-Patienten und HIV-Patienten vorkommt, assoziiert wird.

Mononucleosis infectiosa

Der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers (Mononucleosis infectiosa) wird in erster Linie direkt über den Speichel übertragen. Als weitere Übertragungswege werden aber auch Tröpfchen-, Schmier- und Kontaktinfektion vermutet. Im 19. Jahrhundert bemerkte der Wiesbadener Kinderarzt und Forscher Emil Pfeiffer durch Beobachtungen, dass die Krankheit in Epidemien auftritt, woraus er schloss, dass es sich beim Drüsenfieber um eine Infektionskrankheit handeln müsse. Die Erkrankung „tritt in Epidemien auf und zwar in Hausepidemien“, berichtet er 1888 in einem Vortrag. Pfeiffer erstellte eine systematische Dokumentation der Symptome und bezeichnete das Drüsenfieber in Anlehnung an die Aufzeichnungen des Moskauer Arztes Nil Flatov als „Idiopathische Adenitis“. Einige Weggefährten stimmten Pfeiffers Thesen zu, bald jedoch mehrten sich die kritischen Stimmen, die das Drüsenfieber nicht als eigenständiges neues Krankheitsbild anerkannten. So wie damals liegt auch heute die Schwierigkeit vor allem in einer gesicherten Diagnose, da das Drüsenfieber wie selten eine andere Krankheit in der Symptomatik und Ausprägung höchst variabel ist.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2012