Pertussis: Häufiger als gedacht

10.11.2012 | Medizin


Da Pertussis im Erwachsenenalter deutlich milder als im Kindesalter verläuft, bleibt sie oft unentdeckt. Am Anfang ist die Erkrankung nicht von einem grippalen Infekt zu unterscheiden. Spätestens dann, wenn der Husten länger als zwei Wochen dauert, sollte an Pertussis gedacht werden. Von Elisabeth Gerstendorfer

Seit Einführung des ersten Impfstoffs in den 1940er Jahren konnte die Inzidenz der Pertussis deutlich reduziert werden. Im Jahr 1960 zählte Keuchhusten in Österreich noch zu den häufigsten Kinderkrankheiten: Laut Statistik Austria wurden 2.761 Erkrankungen verzeichnet. 1995 konnte mit 91 gemeldeten Pertussis-Infektionen ein Tiefststand registriert werden. Seither steigt die Zahl der Infektionen mit Bordetella pertussis aber jährlich langsam an, zuletzt im Jahr 2011 mit 302 gemeldeten Fällen (2010: 236, 2009: 183). „Eine mögliche Ursache für diesen Anstieg sind fehlende Auffrischungsimpfungen bei Erwachsenen, die dadurch für eine Pertussis-Infektion empfänglicher sind“, sagt Univ. Prof. Robert Krause von der Klinischen Abteilung für Pulmologie an der Medizinischen Universität Graz.

Zwar werde bei der Diagnose auch im Erwachsenenalter immer mehr an Pertussis gedacht, was laut Krause auch zum Anstieg der gemeldeten Fälle beiträgt, die Krankheit verläuft jedoch deutlich milder als im Kindesalter, weshalb sie oft unentdeckt bleibt. „Bei Erwachsenen führt der Keuchhusten nicht zu Erstickungsanfällen wie sie bei Kindern auftreten, vielmehr kommt es zu einem langdauernden, quälenden Husten, der mitunter zu Erbrechen oder Harnabgang führt.“ In der Literatur wird auch bei Erwachsenen von Einrissen größerer Gefäße und Blutungen im Gehirn berichtet; diese treten jedoch sehr selten auf.

Die Erkrankung verläuft in drei Stadien (Prodromal-, Anfalls- und Rekonvaleszenzstadium). Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen lässt sich Pertussis im Anfangsstadium nicht von einem grippalen Infekt unterscheiden: Die Patienten zeigen über ein bis zwei Wochen Symptome einer Erkältung mit leichtem Fieber, Schnupfen und trockenem Reizhusten. Während dieser Zeit ist die Ansteckungsgefahr am höchsten, wobei die Übertragung über ausgehustete Tröpfen in der Atemluft erfolgt. Erst im zweiten Stadium (Stadium convulsivum) kommt es zu den typischen plötzlich einsetzenden und Stakkato-artigen Hustenattacken, die bei Kindern typischerweise mit herausgestreckter Zunge einhergehen. Im Rekonvaleszenz-Stadium nehmen die Hustenattacken schließlich ab und werden weniger schwer. Die drei Stadien können sich über mehrere Monate ziehen. Spätestens, wenn der Husten mehr als zwei Wochen dauert, sollte an Pertussis gedacht werden. Bei der Diagnose hilft ein IgA-Antikörpertest; die IgG-Konzentration ist bei geimpften Personen ungeeignet. „Neue Studien aus dem Jahr 2011 zeigen, dass bei azellulärer Pertussis-Impfung die IgA-Antwort gering ist. Ein Titer größer als 20 deutet auf eine Infektion hin, nicht nur auf die Immunisierung“, sagt Krause.

Erwachsene als stille Träger


Bei vielen Erwachsenen verläuft die Infektion mit den bekapselten, gram-negativen Stäbchenbakterien klinisch unauffällig, auch ohne Impfschutz. Sie können als stille Träger aber zur Infektionsquelle für Kinder werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein ungeimpftes Kind bei einem infizierten Jugendlichen oder Erwachsenen ansteckt, ist als hoch anzusehen“, sagt Univ. Prof. Susanne Greber-Platzer von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Wiener AKH. Gefährdet sind vor allem Säuglinge vor dem dritten Lebensmonat, da die vorgeschriebene Impfung erst im Rahmen der Sechsfach-Impfung nach dem 2+1-Schema im 3., 5. und 12. (bis 14.) Monat vorgesehen ist. Auch jene zehn Prozent der Kinder, die gar nicht geimpft werden, können sich bei infizierten Erwachsenen leicht anstecken, wobei gilt: Je jünger das Kind, desto schwerer die Auswirkungen der Erkrankung.

Anders als bei Erwachsenen zeigt Pertussis bei Kindern die klassischen klinischen Symptome verursacht durch eine lokale Infektion des oberen Atemtraktes einhergehend mit vermehrter Schleimproduktion und verengten Atemwegen. „Es kommt zu einer Einengung der Atemwege, die das Atmen erschweren und die Hustenattacken auslösen. Junge Säuglinge zeigen oftmals keine typischen Hustenattacken, sondern eine angestrengte, quälende Atmung mit Auftreten von Zyanose und Atemstillstand, was in seltenen Fällen zum Tode führen kann“, berichtet Greber-Platzer. Kinder – besonders diejenigen, die noch nicht das sechste Lebensmonat erreicht haben – schaffen die Bewältigung der Krankheit nicht ohne stationäre Behandlung. Bei etwa einem Prozent der infizierten Säuglinge verläuft der Keuchhusten tödlich; ältere Kinder versterben kaum. Neben den akuten Symptomen können Komplikationen wie bakterielle Pneumonien und Mittelohrentzündungen auftreten. Durch die Krankheits-bedingte Gefäßwandschädigung und die durch Hustenattacken verursachte intrathorakale Drucksteigerungen können kleine Einrisse wie beispielsweise in den Konjunktival- oder Gehirngefäßen entstehen und im schlimmsten Fall eine Hirnblutung verursachen. „Ist die akute Phase überstanden, können die Toxinschäden über Wochen nachwirken, auch wenn das Bakterium nicht mehr im Körper ist. Die Entzündungen gehen aber mit der Zeit zurück und die Atemwege können ausheilen, sodass in der Regel keine Langzeitkomplikationen auftreten“, erklärt Greber-Platzer.

Ein maßgebliches Unterscheidungskriterium zu anderen Infektionen der Atemwege bei Kindern sind die Stakkato-artigen Hustenanfälle sowie glasiger Schleim. Nur Säuglinge bieten das nicht. „Hinweise bei Neugeborenen sind eine angestrengte Atmung einhergehend mit einem verlängerten und gepressten Atemmuster, Auftreten von Zyanose und Atemstillstand als Zeichen der respiratorischen Insuffizienz“, so Greber-Platzer.

Pertussis-Impfung

Seit 1999 wird Pertussis als azelluläre Kombinationsimpfung verabreicht. Die Grundimmunisierung im Säuglingsalter erfolgt nach dem 2+1-Schema: 0/2 Monate, 6-9 Monate nach der zweiten Impfung, Auffrischung im Schulalter.
Ab dem 19. Lebensjahr soll bis zum 60. Lebensjahr eine Auffrischungsimpfung mit Pertussis als Kombinationsimpfstoff mit Diphtherie, Tetanus und eventuell Polio alle zehn Jahre und ab dem 60. Lebensjahr alle fünf Jahre erfolgen.
Die Impfung von Jugendlichen und Erwachsenen dient im Sinne der Herdenimmunität auch dem indirekten Schutz von Neugeborenen und ist besonders in deren Umfeld (Eltern, Geschwister, Großeltern, Babysitter usw.) angezeigt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2012