Zwar wird die Versorgungslage in punkto Spenderorgane in Österreich im internationalen Vergleich als gut bezeichnet; trotzdem sterben noch immer Menschen, während sie auf der Warteliste stehen. Mit dem neuen Transplantationsgesetz soll die Versorgung von Lebend-Spendern und Empfängern weiter verbessert werden. Von Ruth Mayrhofer
Österreich bekommt erstmals ein eigenes Organtransplantationsgesetz (OTPG). Bisher waren die entsprechenden Bestimmungen im §62 des Krankenanstalten- und Kuranstalten-Gesetzes geregelt. Das neue Gesetz, das im Oktober 2012 den Gesundheitsausschuss passiert hat, wurde notwendig, um zum einen einer EU-Richtlinie zur Verbesserung der Sicherheitsstandards Genüge zu tun; zum anderen sind darin zum ersten Mal Regelungen für Lebendspenden beziehungsweise Lebendspender enthalten. Damit soll eine Lücke geschlossen werden, nachdem Lebendspender bislang – so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums – nicht die Beachtung gefunden hätten, die sie verdienten. Somit sollen zukünftig nicht nur bei Organempfängern, sondern auch bei Organspendern erweiterte Schutzmaßnahmen und ein festgeschriebenes Nachsorgesystem für eine bessere Betreuung als bisher sorgen.
Transplantationen in Österreich
In Österreich wird an fünf Zentren transplantiert: an den Universitätskliniken in Wien, Innsbruck, Graz sowie am AKH Linz und am Krankenhaus der Elisabethinen Linz. Letztere führen ausschließlich Nierentransplantationen durch. In Wien, Innsbruck und Graz werden außerdem Leber- und Herztransplantationen durchgeführt; in Innsbruck auch Transplantationen von Lunge und Pankreas.
Derzeit sind etwa 1.100 Patienten in Österreich zur Transplantation angemeldet. Leider erleben nicht alle davon diesen Eingriff, sondern versterben während der Wartezeit auf ein Organ, weil die Zahl der verfügbaren Spenderorgane sehr limitiert ist. Dennoch wurden allein 2010 laut Statistik der Gesundheit Österreich GmbH/ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheit) 762 Organtransplantationen an den heimischen Transplantationszentren vorgenommen.
In Österreich gilt für Organtransplantationen die so genannte „Widerspruchsregelung“. Das heißt: In Österreich ist es per Gesetz erlaubt, Menschen, deren Hirntod von zwei unabhängigen Ärzteteams unwiderruflich festgestellt wurde, Organe zum Zweck der Transplantation zu entnehmen. Weiters muss sichergestellt sein, dass der mögliche Spender oder sein gesetzlicher Vertreter einer Organentnahme nicht widersprochen hat. Dazu wird in das österreichische Widerspruchsregister (geführt vom ÖBIG) Einsicht genommen, ob dort ein Widerspruch dokumentiert ist. Allerdings wäre es auch ausreichend, seinen Widerspruch schriftlich mit Unterschrift zum Beispiel mit sich zu tragen. Liegt kein Widerspruch vor, werden in der Regel die Angehörigen schon allein aus ethischen Gründen gefragt, ob sie einer Organentnahme zustimmen, obwohl das in Österreich per Gesetz nicht erforderlich wäre.
An den heimischen Zentren ist die Zahl der Nieren-Lebendspenden seit einigen Jahren mit rund 60 relativ konstant. Allerdings liegt Österreich mit einem Lebendspende-Anteil von etwa 15 Prozent deutlich hinter anderen europäischen Ländern, aber auch Australien und den USA zurück. Besonders erfolgreich erscheint das Lungentransplantations-Programm der Universitätsklinik Wien, wo rund 100 Lungentransplantationen jährlich durchgeführt werden.
Ganz generell wurden 220 verstorbene Organspender gemeldet und 195 davon in Folge auch explantiert – so weist es der aktuelle Transplant-Jahresbericht des Koordinationsbüros für das Transplantationswesen für 2011 aus, der im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit im Mai 2012 vorgelegt wurde. Bezogen auf die Einwohnerzahl Österreichs sind das 23,2 Organspender pro Million Einwohner. Bezogen auf das Vorjahr ergibt sich daraus ein Plus beim Organspender-Aufkommen von rund zwei Prozent. Das Ziel, 30 Spender pro Million Einwohner zu erreichen, könnte mit einer Ausweitung von regionalen Transplantations-Referenten erreicht werden, hoffen die Autoren des Transplant-Berichtes. Derzeit arbeiten 17 Personen als Transplantations-Referenten; eine Aufstockung auf 25 in Schwerpunktkrankenhäusern wird angestrebt.
Der Transplant-Jahresbericht bezeichnet die österreichische Versorgungslage im internationalen Vergleich als „gut“. Im Bereich der Förderung der Organspende liegt das Hauptaugenmerk darauf, Maßnahmen zu realisieren, im Zuge derer Verstorbene als potenzielle Organspender erkannt, in der Folge gemeldet und entsprechend intensivmedizinisch betreut werden.
EU-weit wurden den Angaben von Eurotransplant zufolge 2010 rund 18.200 Nierentransplantationen, 6.600 Lebertransplantationen, rund 2.200 Herztransplantationen, 1.500 Lungentransplantationen, 770 Verpflanzungen von Bauchspeicheldrüsen und etwa 50 Übertragungen von Teilen des Darms durchgeführt. Die höchste Organspende-Rate hatte Spanien mit 32 pro Million Einwohner vor Kroatien (30,7) und Portugal (30,2). Mit 23,3 Organspenden von Gehirntoten belegte Österreich Rang 5. Deutschland (15,8/Million Einwohner) und Großbritannien (16,4) bewegen sich dabei im unteren Feld. Diese positive Situation in Österreich führt auch Eurotransplant auf die hierzulande geltende Widerspruchsregelung zurück.
Lebenserwartung steigt und steigt
Bei einem EU-Workshop rund um den Europäischen Tag für Organspenden im Herbst 2011, betonte der Kardiologe und Spezialist von Eurotransplant Axel Rahmel, dass es längst belegt sei, dass Organtransplantationen „nicht nur die Lebensqualität dramatisch verbessern können, sondern in vielen Fällen die Lebenserwartung drastisch steigern, selbst dort, wo es Alternativtherapien gibt“. So würden bei einer Dialyse nach einem Jahr noch 78 der Betroffenen leben, nach fünf Jahren nur nochr 32 Prozent. Hier rettet die Transplantation mit der Zeit immer mehr Menschenleben. Rahmel: „Ein 60-jähriger Diabetiker mit Nierenversagen hat eine Lebenserwartung von vier Jahren. Bekommt er eine neue Niere, steigt sie auf neun Jahre an.“ Oder ein anderes Beispiel: Ein 20-jähriger Diabetiker mit Nierenversagen hat eine Lebenserwartung von neun Jahren. Mit einem Spenderorgan erhöht sie sich auf 16 Jahre.
Erfolgsgeschichte Organtransplantationen Auf die Idee, kranke oder verlorene Organe zu ersetzen, kamen schon die Medici des Mittelalters: Sie versuchten beispielsweise, Verunstaltungen durch Hauttransplantationen zu beheben – ohne Erfolg. Erst Ende des 19. Jahrhunderts brachten Ärzte komplexe Krankheitsbilder mit dem Funktionsausfall eines Organs in Zusammenhang. Chirurgen begannen, Tierorgane auf Menschen zu übertragen – auch hier blieben sie erfolglos. Die Patienten verstarben. Der aus Frankreich stammende und seit 1906 am Rockefeller Institut für Medizinische Forschungen in Chicago/USA tätige Chirurg und spätere Nobelpreisträger Alexis Carrell erkannte erstmals, dass eine Gewebeverpflanzung innerhalb eines Individuums möglich war. Die Übertragung eines Organs scheiterte jedoch daran, dass dieses Organ abgestoßen wurde. Da diese Reaktion nicht beherrschbar schien, wurden jegliche Versuche, Organe zu verpflanzen, um 1930 fast völlig aufgegeben. Geforscht wurde jedoch weiterhin. 1954 gelang Joseph Murray in Boston/USA die weltweit erste längerfristig erfolgreiche Nierentransplantation bei eineiigen Zwillingen. Jener Zwilling, der die Niere erhalten hatte, überlebte acht Jahre. Murray wurde für diese Leistung 1990 der Nobelpreis zuerkannt. Aber: Eine Organverpflanzung bei eineiigen Zwillingen ist im Regelfall die einzige Konstellation, bei der es nicht zu Abstoßungsreaktionen kommt, da die Gewebemerkmale von Spender und Empfänger nahezu übereinstimmen. Somit löste auch Murray das eigentliche Problem nicht. Pionierzeit |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 /25.11.2012