Organtransplantationen: Hoffnung auf ein neues Leben

25.11.2012 | Medizin

Zwar wird die Versorgungslage in punkto Spenderorgane in Österreich im internationalen Vergleich als gut bezeichnet; trotzdem sterben noch immer Menschen, während sie auf der Warteliste stehen. Mit dem neuen Transplantationsgesetz soll die Versorgung von Lebend-Spendern und Empfängern weiter verbessert werden. Von Ruth Mayrhofer

Österreich bekommt erstmals ein eigenes Organtransplantationsgesetz (OTPG). Bisher waren die entsprechenden Bestimmungen im §62 des Krankenanstalten- und Kuranstalten-Gesetzes geregelt. Das neue Gesetz, das im Oktober 2012 den Gesundheitsausschuss passiert hat, wurde notwendig, um zum einen einer EU-Richtlinie zur Verbesserung der Sicherheitsstandards Genüge zu tun; zum anderen sind darin zum ersten Mal Regelungen für Lebendspenden beziehungsweise Lebendspender enthalten. Damit soll eine Lücke geschlossen werden, nachdem Lebendspender bislang – so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums – nicht die Beachtung gefunden hätten, die sie verdienten. Somit sollen zukünftig nicht nur bei Organempfängern, sondern auch bei Organspendern erweiterte Schutzmaßnahmen und ein festgeschriebenes Nachsorgesystem für eine bessere Betreuung als bisher sorgen.

Transplantationen in Österreich

In Österreich wird an fünf Zentren transplantiert: an den Universitätskliniken in Wien, Innsbruck, Graz sowie am AKH Linz und am Krankenhaus der Elisabethinen Linz. Letztere führen ausschließlich Nierentransplantationen durch. In Wien, Innsbruck und Graz werden außerdem Leber- und Herztransplantationen durchgeführt; in Innsbruck auch Transplantationen von Lunge und Pankreas.

Derzeit sind etwa 1.100 Patienten in Österreich zur Transplantation angemeldet. Leider erleben nicht alle davon diesen Eingriff, sondern versterben während der Wartezeit auf ein Organ, weil die Zahl der verfügbaren Spenderorgane sehr limitiert ist. Dennoch wurden allein 2010 laut Statistik der Gesundheit Österreich GmbH/ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheit) 762 Organtransplantationen an den heimischen Transplantationszentren vorgenommen.

In Österreich gilt für Organtransplantationen die so genannte „Widerspruchsregelung“. Das heißt: In Österreich ist es per Gesetz erlaubt, Menschen, deren Hirntod von zwei unabhängigen Ärzteteams unwiderruflich festgestellt wurde, Organe zum Zweck der Transplantation zu entnehmen. Weiters muss sichergestellt sein, dass der mögliche Spender oder sein gesetzlicher Vertreter einer Organentnahme nicht widersprochen hat. Dazu wird in das österreichische Widerspruchsregister (geführt vom ÖBIG) Einsicht genommen, ob dort ein Widerspruch dokumentiert ist. Allerdings wäre es auch ausreichend, seinen Widerspruch schriftlich mit Unterschrift zum Beispiel mit sich zu tragen. Liegt kein Widerspruch vor, werden in der Regel die Angehörigen schon allein aus ethischen Gründen gefragt, ob sie einer Organentnahme zustimmen, obwohl das in Österreich per Gesetz nicht erforderlich wäre.

An den heimischen Zentren ist die Zahl der Nieren-Lebendspenden seit einigen Jahren mit rund 60 relativ konstant. Allerdings liegt Österreich mit einem Lebendspende-Anteil von etwa 15 Prozent deutlich hinter anderen europäischen Ländern, aber auch Australien und den USA zurück. Besonders erfolgreich erscheint das Lungentransplantations-Programm der Universitätsklinik Wien, wo rund 100 Lungentransplantationen jährlich durchgeführt werden.

Ganz generell wurden 220 verstorbene Organspender gemeldet und 195 davon in Folge auch explantiert – so weist es der aktuelle Transplant-Jahresbericht des Koordinationsbüros für das Transplantationswesen für 2011 aus, der im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit im Mai 2012 vorgelegt wurde. Bezogen auf die Einwohnerzahl Österreichs sind das 23,2 Organspender pro Million Einwohner. Bezogen auf das Vorjahr ergibt sich daraus ein Plus beim Organspender-Aufkommen von rund zwei Prozent. Das Ziel, 30 Spender pro Million Einwohner zu erreichen, könnte mit einer Ausweitung von regionalen Transplantations-Referenten erreicht werden, hoffen die Autoren des Transplant-Berichtes. Derzeit arbeiten 17 Personen als Transplantations-Referenten; eine Aufstockung auf 25 in Schwerpunktkrankenhäusern wird angestrebt.

Der Transplant-Jahresbericht bezeichnet die österreichische Versorgungslage im internationalen Vergleich als „gut“. Im Bereich der Förderung der Organspende liegt das Hauptaugenmerk darauf, Maßnahmen zu realisieren, im Zuge derer Verstorbene als potenzielle Organspender erkannt, in der Folge gemeldet und entsprechend intensivmedizinisch betreut werden.

EU-weit wurden den Angaben von Eurotransplant zufolge 2010 rund 18.200 Nierentransplantationen, 6.600 Lebertransplantationen, rund 2.200 Herztransplantationen, 1.500 Lungentransplantationen, 770 Verpflanzungen von Bauchspeicheldrüsen und etwa 50 Übertragungen von Teilen des Darms durchgeführt. Die höchste Organspende-Rate hatte Spanien mit 32 pro Million Einwohner vor Kroatien (30,7) und Portugal (30,2). Mit 23,3 Organspenden von Gehirntoten belegte Österreich Rang 5. Deutschland (15,8/Million Einwohner) und Großbritannien (16,4) bewegen sich dabei im unteren Feld. Diese positive Situation in Österreich führt auch Eurotransplant auf die hierzulande geltende Widerspruchsregelung zurück.

Lebenserwartung steigt und steigt

Bei einem EU-Workshop rund um den Europäischen Tag für Organspenden im Herbst 2011, betonte der Kardiologe und Spezialist von Eurotransplant Axel Rahmel, dass es längst belegt sei, dass Organtransplantationen „nicht nur die Lebensqualität dramatisch verbessern können, sondern in vielen Fällen die Lebenserwartung drastisch steigern, selbst dort, wo es Alternativtherapien gibt“. So würden bei einer Dialyse nach einem Jahr noch 78 der Betroffenen leben, nach fünf Jahren nur nochr 32 Prozent. Hier rettet die Transplantation mit der Zeit immer mehr Menschenleben. Rahmel: „Ein 60-jähriger Diabetiker mit Nierenversagen hat eine Lebenserwartung von vier Jahren. Bekommt er eine neue Niere, steigt sie auf neun Jahre an.“ Oder ein anderes Beispiel: Ein 20-jähriger Diabetiker mit Nierenversagen hat eine Lebenserwartung von neun Jahren. Mit einem Spenderorgan erhöht sie sich auf 16 Jahre.

Erfolgsgeschichte Organtransplantationen

Heute sichern moderne Medizin und wirkungsvolle Arzneimittel Menschen ein Überleben nach einer Organtransplantation. Das war nicht immer so. An dieser Erfolgsgeschichte hat auch Österreich Anteil.
Von Ruth Mayrhofer

Auf die Idee, kranke oder verlorene Organe zu ersetzen, kamen schon die Medici des Mittelalters: Sie versuchten beispielsweise, Verunstaltungen durch Hauttransplantationen zu beheben – ohne Erfolg. Erst Ende des 19. Jahrhunderts brachten Ärzte komplexe Krankheitsbilder mit dem Funktionsausfall eines Organs in Zusammenhang. Chirurgen begannen, Tierorgane auf Menschen zu übertragen – auch hier blieben sie erfolglos. Die Patienten verstarben.

Der aus Frankreich stammende und seit 1906 am Rockefeller Institut für Medizinische Forschungen in Chicago/USA tätige Chirurg und spätere Nobelpreisträger Alexis Carrell erkannte erstmals, dass eine Gewebeverpflanzung innerhalb eines Individuums möglich war. Die Übertragung eines Organs scheiterte jedoch daran, dass dieses Organ abgestoßen wurde. Da diese Reaktion nicht beherrschbar schien, wurden jegliche Versuche, Organe zu verpflanzen, um 1930 fast völlig aufgegeben. Geforscht wurde jedoch weiterhin.

1954 gelang Joseph Murray in Boston/USA die weltweit erste längerfristig erfolgreiche Nierentransplantation bei eineiigen Zwillingen. Jener Zwilling, der die Niere erhalten hatte, überlebte acht Jahre. Murray wurde für diese Leistung 1990 der Nobelpreis zuerkannt. Aber: Eine Organverpflanzung bei eineiigen Zwillingen ist im Regelfall die einzige Konstellation, bei der es nicht zu Abstoßungsreaktionen kommt, da die Gewebemerkmale von Spender und Empfänger nahezu übereinstimmen. Somit löste auch Murray das eigentliche Problem nicht.

Pionierzeit
1958 wurde das HLA-System (Human Leukocyte Antigen-System) entdeckt, mit dem das Immunsystem aufgrund spezifischer vererbter Merkmale zwischen fremdem und eigenem Gewebe unterscheidet. 1962 wurde erstmals eine Gewebetypisierung im Sinn einer Ähnlichkeitsprüfung von Spender und Empfänger durchgeführt; dadurch kann das Abstoßungsrisiko deutlich verringert werden. Die Pionierzeit der Organtransplantation hatte begonnen: 1963 – nachdem drei Jahre zuvor das erste Immunsuppressivum (Azathioprin) auf den Markt gekommen war – wurden die erste Leber und die erste Lunge transplantiert; 1965 erfolgte die erste Verpflanzung einer Bauchspeicheldrüse. 1967 gelang es dem südafrikanischen Chirurgen Christiaan Barnard erstmals, ein Herz zu verpflanzen. Der Patient überlebte allerdings nur 18 Tage.

Medikamente verhelfen zum Durchbruch

Ein tatsächlicher „Durchbruch“ in Sachen Organtransplantationen gelang erst Ende der 1970er Jahre, als die immunsuppressive Wirkung der Calcineurinhemmer erkannt wurde. Der erste Vertreter  dieser Gruppe war Ciclosporin, das als erstes Basis-Immunsuppressivum 1982 weltweit zur Verfügung stand. Tacrolimus wurde circa zehn Jahre später auf den Markt gebracht. Als Folge davon erhöhten sich die Zahl und Erfolgsquote von Transplantationen deutlich und kontinuierlich.

Österreich macht Schlagzeilen

In Österreich haben Transplantationen eine lange Tradition: Bereits 1902 führte der Österreicher Emerich Ullmann bei einem Hund die erste erfolgreiche Nierentransplantation durch. Erst 1972 unternahm Hans-Jörg Böhmig in Wien die erste Lebertransplantation. Zwei Jahre später erregte Univ. Prof. Raimund Margreiter in Innsbruck Aufmerksamkeit, als er österreichweit erfolgreich die erste Niere verpflanzte. Zehn Jahre später gelang ihm die weltweit erste kombinierte Herz-Lungen-Transplantation (1983) und kurz darauf die erste Leber-Nieren-Transplantation (1985). 1986 fand in Salzburg die erste Kunstherz-Transplantation in Österreich statt, nachdem schon 1982 im US-amerikanischen Bundesstaat Utah Gleiches gelungen war. 1988 erfolgte die erste Split-Liver-Transplantation in Hannover; dabei wird die Leber für zwei Empfänger geteilt. Zum ersten Mal wurden 1989 in den USA Herz, Leber und Niere gleichzeitig verpflanzt. Und last but not least gelang im Jahr 2003 in Wien Christian Kermer und Franz Watzinger die weltweit erste Zungentransplantation.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2012