Interview – Univ. Prof. Elisabeth Presterl: Vielfache Herausforderungen

25.01.2012 | Medizin

Biofilme – Bakterienkolonien, die an Oberflächen von Kathetern und Prothesen haften – sind eines der Forschungsgebiete von Univ. Prof. Elisabeth Presterl, Leiterin des Klinischen Instituts für Krankenhaushygiene an der Medizinischen Universität Wien. Das Gespräch über die Herausforderungen in der Krankenhaushygiene führte Corina Petschacher.

ÖÄZ: Woran liegt es, dass Patienten im Krankenhaus krank werden und wie kann man das verhindern?
Presterl: Durch die Dichte an suszeptiblen Patienten und die vielen notwendigen medizinischen Handlungen im Krankenhaus erhöht sich auch entsprechend das Risiko für Infektionen und die Übertragung resistenter Erreger. Hier kann nur die Einhaltung strenger Hygienevorschriften helfen, den Bakterien den Nährboden zu entziehen und so die Patienten vor ihrer Ausbreitung schützen. 40 Prozent der nosokomialen Infekte sind Harnwegsinfekte, gefolgt von Pneumonien und postoperativen Wundinfektionen. Nach Angaben von EU-Gesundheitskommissar John Dalli schadet jede zehnte Behandlung in europäischen Krankenhäusern den Patienten. Dem muss durch entsprechendes Management und Schulung des Krankenhauspersonals in Hygienebelangen entgegengewirkt werden. Zu den Aufgaben des Hygieneteams gehören alle Maßnahmen, die der Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von Infektionen und der Gesunderhaltung dienen. Wir planen in diesem Jahr eine „Händehygiene-Kampagne“, bei der das gesamte Krankenhauspersonal erneut auf sorgfältige Händehygiene aufmerksam gemacht wird. Die Hände sind die häufigsten Überträger von Krankheitserregern.

Welchen Herausforderungen steht die Krankenhaushygiene insgesamt gegenüber?
Der medizinische Fortschritt bringt neue Techniken, die ökonomische Lage aber Einschränkungen. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. Zu unseren Aufgaben zählen Überwachungsmaßnahmen wie zum Beispiel die Häufigkeit von Krankenhausinfektionen und resistenter Erreger zu erfassen. Dazu gehört es aber auch, ein Auge auf den Verbrauch von Antibiotika in Krankenhäusern zu werfen. Wir befassen uns auch mit der Erkennung von Spitalsepidemien, der Abklärung von Infektionswegen sowie mit der Typisierung von Epidemie-Isolaten. Eine der größten Herausforderungen besteht im Umgang mit multiresistenen Erregern, bei denen es in den letzten Jahren europa- und weltweit zu einer Zunahme gekommen ist.

Welche Auswirkungen hat in diesem Zusammenhang der Einsatz von Antibiotika auf Entstehung und Verbreitung multiresistenter Erreger?

AURES, der offizielle Bericht zur Situation der Antibiotikaresistenz in Österreich, zeigt einen Anstieg von Extended-Beta-Laktamase (ESBL) bildenden Erregern. Österreich steht dabei im Europa-weiten Vergleich gut da. Regionen wie der Südosten von Europa wie etwa Griechenland weisen Resistenzen von bis zu 50 Prozent auf. Der in diesem Zusammenhang wohl bekannteste NDM-1-Keim (New
Delhi metallo-beta-lactamase-1; Anm.) hat weltweit an Bedeutung gewonnen. Das Hauptproblem stellt die schnelle horziontale Resistenzübertragung von einem zum anderen Bakterium dar. Weltweit wird befürchtet, dass es explosionsartig zu einem Ausbruch kommen könnte.

Was ist grundsätzlich beim Einsatz von Antibiotika zu beachten?
Die beste Therapie stellt eine gezielte und schmale Therapie dar, welche die Erreger abtötet und die normale Flora am Leben lässt, denn schließlich ist diese für die Gesunderhaltung des Körpers von entscheidender Bedeutung. Wenn häufig Carbapeneme zum Einsatz kommen, werden Carbapenemase-bildende Bakterien selektiert. Daher wird von ihrer unkritischen Anwendung dringend abgeraten. Rationaler Einsatz von Antibiotika bedeutet, nach Ausschöpfen der Diagnostik eine maßgeschneiderte Antibiotika-Therapie anzuwenden. So kann eine Selektion resistenter Erreger verhindert werden. Dazu kommt, dass die konsequente Einhaltung der Hygienemaßnahmen die Verbreitung der multiresistenten Krankheitserreger stoppt.

Welches ist Ihr Forschungsbereich?
Neben nosokomialen Infektionen und hier wiederum vor allem invasiven Pilzinfektionen beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Thema Biofilm. Ein Biofilm besteht aus Bakterienkolonien, die zum Beispiel an Oberflächen von Kathetern, Implantaten oder Prothesen anhaften und sich dort vermehren. Sie bilden eine Matrix, in der sie als Population leben. Mein Forschungsschwerpunkt ist die Wirksamkeit von antimikrobiellen Substanzen und physikalischen Faktoren, die Diagnostik von Biofilm-assoziierten Erkrankungen sowie der Einfluss von Desinfektionsmaßnahmen auf Biofilme. Gemeinsam mit Orthopädie, Unfallchirurgie, HNO und Mikrobiologie haben sich Forschungsgruppen ergeben, die sich mit der Bildung von Biofilmen auf Implantaten und Prothesen befassen. Unsere Forschung ist auch Grundlagenforschung und wird in Zukunft für Prävention und Therapie – Stichwort ‚Anti-Biofilm-Oberflächen’ – von Bedeutung sein. Die Forschung an Pathogenitäts-Mechanismen, neuen Methoden und Materialien führt zur Weiterentwicklung der hygienischen Sicherheit in der Medizin.

Wohin sollte sich die Krankenhaushygiene in Österreich entwickeln?
Die Krankenhaushygiene hat in Österreich hohen Wert. Die ökonomische Situation stellt aber eine Herausforderung dar. Es wäre das einfachste, wenn man die vom Gesetz her geforderten Vorgaben ausnahmslos erfüllt. Dafür sind natürlich die entsprechenden Ressourcen, vor allem in personeller und technischer Hinsicht, notwendig. Vor kurzem ist ein Update des Leitfadens für Krankenhaushygiene vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegeben worden, PROHYG 2.0. Dieser überarbeitete Leitfaden beinhaltet einige neue Aspekte und Forderungen, die sich vor allem auf die Erfahrungen der letzten zehn Jahre und die Erkenntnis beziehen, dass durch Präventionsmaßnahmen an Qualität gewonnen und an Kosten gespart werden kann. Dadurch kommen immer mehr Anforderungen und Aufgaben auf die Hygiene zu, die ich und das Hygieneteam mit Engagement, Disziplin und Kooperation mit allen im Krankenhaus Tätigen in Zukunft bewältigen wollen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2012