Interdigitalmykose: Kaum sichtbar, aber folgenschwer

15.12.2012 | Medizin

Selbst bei fortgeschrittener Klinik können die Patienten mit Tinea pedis Symptom-arm sein. Da die Behandlungsdauer meist zu kurz ist, steigt das Risiko für Rezidive und die weitere Ausbreitung. Studien zufolge wären 60 Prozent der Erysipele der unteren Extremität durch eine konsequente Behandlung vermeidbar.
Von Irene Mlekusch

Tinea pedis, die Fußmykose, ist weit verbreitet. Die häufigste Form Interdigitalmykose wird großteils durch anthropophile Dermatophyten wie Trichophyton rubrum oder Trichophyton interdigitale ausgelöst. Univ. Prof. Reinhard Höpfl von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Innsbruck spricht von einer Massenerkrankung und verweist auf eine Studie, im Rahmen derer in einer Fußballmannschaft bei 80 Prozent der Spieler Fußpilz festgestellt wurde – hier spricht man vom sogenannten Athleten-Fuß. Univ. Prof. Michael Binder von der Klinischen Abteilung für Allgemeine Dermatologie an der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien macht in diesem Zusammenhang auf den Athlete‘s Foot Severity Index aufmerksam, der in einer Untersuchung zur Beurteilung des Schweregrades der Tinea pedis an israelischen Soldaten entwickelt wurde.

Auch bei fortgeschrittener Klinik können die Patienten Symptom-arm sein. Bei den Betroffenen zeigt sich eine geringe Rötung und fein- bis groblamelläre Schuppung sowie gelegentlich Juckreiz in den Zehenzwischenräumen. Feuchte, interdigitale Mazerationen mit Bläschen oder Rhagadenbildung gehen hingegen mit starkem Juckreiz und Schmerzen einher. „Betroffen ist vor allem der dritte Interdigitalraum, wobei beim gesunden Erwachsenen eine weitere Ausbreitung eher selten vorkommt“, erklärt Höpfl.

Präsdisponierende Faktoren sind familiär gehäuftes Vorkommen, Fußfehlstellungen, männliches Geschlecht, Verletzungen der Haut, Immunschwäche und Immunsuppression sowie transplantierte Patienten, Polyneuropathie, Diabetes Typ I und II, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Adipositas und Hyperhidrose, aber auch Mikrotraumen, die durch enges, ständig reibendes Schuhwerk verursacht werden.

Beide Experten weisen auf die Komorbidität von Interdigitalmykose und Onychomykose hin. Höpfl sieht in einer zusätzlichen Onychomykose einen wesentlichen Faktor für das weitere therapeutische Vorgehen: „Ist eine Interdigitalmykose mit einer proximalen Onychomykose vergesellschaftet, sollte eine systemische Therapie angestrebt werden.“ Höpfl wiederum hält eine Resistenzbestimmung nur in Ausnahmefällen für angezeigt – zum Beispiel beim Nagelpilz durch den Schimmelpilz Scopulariopsis brevicaulis, da die Bioverfügbarkeit den entscheidenden Faktor für den Erfolg darstellt.

Obwohl die Selbstdiagnose und Selbstbehandlung der Betroffenen durch so genannte over the counter-Antimykotika gefördert wird, sollte die Diagnosestellung und Therapieempfehlung von ärztlicher Seite kommen. „Die exakte Diagnose wird mehrstufig durchgeführt“, beschreibt Binder das Vorgehen an der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien, wobei an erster Stelle der klinische Verdacht mit den typischen Hautveränderungen steht. Beide Experten empfehlen ein KOH-Präparat aus mazeriertem Geschabsel mit Mikroskopie zum Nachweis von Pilzelementen. Die Pilzkultur dient laut Binder zur eigentlichen Identifikation und sollte bei einer oralen Therapie auf jeden Fall vorliegen. Für Höpfl ist der Einsatz der Kultur bei kindlicher Trichomykose am wichtigsten, da die Behandlungsdauer in diesem Fall sechs bis zwölf Wochen beträgt. Auch zoophile Pilze wie zum Beispiel Microsporium canis können hier eine Rolle spielen. Höpfl dazu: „Im Fall einer zoophilen Übertragung muss das Überträgertier identifiziert und mitbehandelt werden.“

Als Differentialdiagnosen kommen Ekzeme wie das hyperkeratotische, degenerative Fußekzem oder das dyshidrotische Ekzem in Frage. „Selten kann nach Fernreisen in endemische Gebiete auch eine Tunga penetrans die Ursache sein“, weiß Binder. Auch der gramnegative Fußinfekt zeigt eine der Interdigitalmykose ähnliche Symptomatik.

Ist die Diagnose gestellt und liegen keine Komplikationen vor, kann die Lokaltherapie und Pflege auch vom Patienten selbst durchgeführt werden. „Wichtig ist das sorgfältige Trockenlegen der Interdigitalräume“, erklärt Höpfl und ergänzt, dass Pasten oft zu besseren Erfolgen führen als Cremen. Für die Lokaltherapie stehen Antimykotika in diversen topischen Darreichungsformen wie Azole, Allylamine, Hydroxypyridone und Morpholine zur Verfügung. Wesentlich für den Therapieerfolg ist die richtige und konsequente Anwendung der Lokaltherapie über mehrere Wochen, auch wenn die klinischen Symptome abgeklungen sind. Genau hier sieht Binder die Schwächen der Lokaltherapie: „Meist ist die Therapiedauer durch den Patienten selbst zu kurz.“ Das Rezidivrisiko steigt und die Gefahr der Ausbreitung der Tinea pedis wird dadurch begünstigt.

Die Grenzen der lokalen Therapie sind erreicht, wenn die Infektion den ganzen Fuß und die Nägel befallen hat. Für Binder hängt der Einsatz der systemischen Therapie ebenfalls vom Ausmaß der Infektion, aber auch vom Risikostatus ab. „Die Gefahr der bakteriellen Superinfektion besteht vor allem bei Patienten mit Diabetes mellitus oder Polyneuropathie“, sagt Höpfl. Die Mazerationen und Rhagaden stellen Eintrittspforten für Beta-hämolysierende Streptokokken, Staphylokokkus aureus und Enterobaceteriaceae dar. Ein gramnegativer beziehungsweise gemischter Fußinfekt oder ein Erysipel kann die Folge sein und die weitere Diagnose und Behandlung erschweren. „Die Interdigitalmykose sollte als potentielle Eintrittspforte schon vor dem Rotlauf saniert werden“, so Höpfl. Studien zeigen, dass etwa 60 Prozent aller Erysipele der unteren Extremitäten durch eine konsequente Behandlung der Tinea pedis interdigitalis vermeidbar wären. Höpfl verweist auf die Elephantiasis, die ein großes Problem bei chronisch rezidivierendem Rotlauf darstellt. Auch nach Saphenektomie für Bypass-Operationen wurde in der Literatur eine erhöhte Inzidenz für persistierende Lymphödeme und Erysipele beim zeitgleichen Vorliegen einer Interdigitalmykose beschrieben.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2012