Gono­kok­ken: Resis­ten­zen neh­men zu

25.10.2012 | Medizin


Galt die Gonor­rhoe bis­her als gut the­ra­pier­bar, zei­gen inter­na­tio­nale Über­wa­chungs­pro­gramme, dass die Zahl der Anti­bio­tika-Resis­ten­zen steigt. 2011 wurde nun erst­mals auch in Öster­reich ein gegen Cefi­xim und Ceft­ria­xon resis­ten­ter Gono­kok­ken-Stamm fest­ge­stellt.
Von Eli­sa­beth Gerstendorfer

Nach wie vor ist die Gonor­rhoe welt­weit eine der häu­figs­ten sexu­ell über­tra­ge­nen Infek­ti­ons­krank­hei­ten: Laut WHO (Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion) infi­zie­ren sich jähr­lich 106 Mil­lio­nen Men­schen mit Gono­kok­ken. Inner­halb der EU beträgt die jähr­li­che Inzi­denz mehr als fünf Erkran­kun­gen je 100.000 Ein­woh­ner. Daten für Deutsch­land gehen sogar von einer jähr­li­chen Inzi­denz von zwölf bis 25 Fäl­len je 100.000 Ein­woh­ner aus. In Öster­reich wur­den bei ein­ge­schränk­ter Mel­de­pflicht im Jahr 2010 rund 1.100 Fälle gemeldet.

Galt die Geschlechts­krank­heit bis­her als gut the­ra­pier­bar, zei­gen inter­na­tio­nale Über­wa­chungs­pro­gramme, dass zuneh­mend Anti­bio­tika-Resis­ten­zen von Neis­se­ria gonor­rhoeae auf­tre­ten. Die 2011 ver­öf­fent­lich­ten Daten des Euro-GASP (Euro­pean gono­coc­cal anti­mi­cro­bial sur­veil­lance pro­gramme) erga­ben eine durch­schnitt­li­che Resis­tenz gegen Cipro­flo­xa­cin von 63 Pro­zent (Öster­reich: 80 Pro­zent) und gegen Azi­thro­my­cin von 13 Pro­zent (Öster­reich: 29 Pro­zent). „Cipro­flo­xa­cin und andere Flu­or­chi­no­lone wer­den schon seit Jah­ren nicht mehr zur empi­ri­schen The­ra­pie bei Gonor­rhoe emp­foh­len. Azi­thro­my­cin gilt der­zeit nicht als Mit­tel der ers­ten Wahl, ist aber eine wich­tige Option in beson­de­ren Situa­tio­nen, wenn etwa Cepha­los­po­rine kon­tra­in­di­ziert sind, und ist als Kom­bi­na­ti­ons­part­ner auch bei einer even­tu­ell gleich­zei­tig bestehen­den Infek­tion mit Chla­my­dia trachoma­tis wirk­sam“, sagt Univ. Doz. Johan­nes Möst, Lei­ter eines Mikro­bio­lo­gi­schen Labors in Inns­bruck. Die der­zei­tige The­ra­pie der Wahl erfolgt mit­tels Cepha­los­po­ri­nen mit erwei­ter­tem Wir­kungs­spek­trum (Cefi­xim und Ceftriaxon).

Die Daten des Euro-GASP wei­sen aber auch dar­auf hin, dass in zehn der 17 teil­neh­men­den Län­der eine ver­min­derte Emp­find­lich­keit gegen­über Cefi­xim bestand (Öster­reich: 21 Pro­zent der getes­te­ten Stämme). Nur für Ceft­ria­xon, das sowohl für die unkom­pli­zierte Gonor­rhoe, pha­ryn­geale Gonor­rhoe und Gono­kok­ken-Kon­junk­ti­vi­tis emp­foh­len wird, war die Emp­find­lich­keit der unter­such­ten Stämme noch aus­rei­chend. „In Japan und Schwe­den konn­ten aber bereits Stämme nach­ge­wie­sen wer­den, die bei der Stan­dard­the­ra­pie mit Ceft­ria­xon nicht anspra­chen“, so Möst.

2011 wurde nun erst­mals auch in Öster­reich ein gegen Cefi­xim und Ceft­ria­xon resis­ten­ter Gono­kok­ken-Stamm fest­ge­stellt. Ein Tiro­ler Pati­ent mit eit­ri­ger Ure­thri­tis sprach nicht auf die Stan­dard-The­ra­pie an, erst die The­ra­pie mit Azi­thro­my­cin führte zu kli­ni­scher Hei­lung. „Gono­kok­ken cha­rak­te­ri­sie­ren sich dadurch, dass sie rela­tiv rasch über wenige Jahre Resis­ten­zen gegen­über Anti­bio­tika ent­wi­ckeln. Das Pro­blem ist, dass mitt­ler­weile zuneh­mend Iso­late gese­hen wer­den, die auch gegen­über Azi­thro­my­cin resis­tent sind. Die rasche Resis­tenz­ent­wick­lung kann der­zeit als ein evi­den­tes Pro­blem gese­hen wer­den“, erklärt Ange­lika Eigent­ler, eben­falls wie Möst am Mikro­bio­lo­gi­schen Labor in Inns­bruck tätig. Sie wies den resis­ten­ten Stamm nach und ver­fasste eine Publi­ka­tion zum Thema.* Bis­her wurde in Öster­reich nur die­ser eine Fall regis­triert, aller­dings könn­ten wei­tere resis­tente Stämme auf­grund der häu­fig dua­len The­ra­pie mit Cefi­xim und Azi­thro­my­cin unent­deckt geblie­ben sein. „Erfolgt keine Anti­bio­tika-Resis­tenz­tes­tung und wird nur die kli­ni­sche Dia­gnose gestellt, ist nicht klar, wel­che The­ra­pie greift. Es wäre sehr wich­tig, diese Resis­tenz­da­ten zu sam­meln“, meint Eigent­ler. Jedoch: Öster­reich sei auf einem guten Weg, so die Expertin.

Auch Univ. Prof. Ange­lika Stary, die in Öster­reich das natio­nale Gono­kok­ken­Über­wa­chungs­pro­gramm lei­tet und die Iso­late in inter­na­tio­nale Sur­veil­lance-Stu­dien ein­pflegt, schätzt die Über­wa­chung in Öster­reich als sehr gut ein. Es gibt keine all­ge­meine Mel­de­pflicht; Gono­kok­ken-Infek­tio­nen müs­sen nur dann gemel­det wer­den, wenn von einer man­geln­den The­ra­pie­be­reit­schaft bezie­hungs­weise von einem sorg­lo­sen Umgang mit der Erkran­kung von Sei­ten des Pati­en­ten aus­ge­gan­gen wer­den muss. Sehr viele Insti­tu­tio­nen wür­den aber von sich aus Iso­late zur Ver­fü­gung stel­len, wie Stary erklärt. Und wei­ter: „Eine obli­ga­to­ri­sche Mel­dung von Gono­kok­ken-Infek­tio­nen wäre wün­schens­wert, um epi­de­mio­lo­gi­sche Trends schon früh zu erken­nen und bes­ser ver­fol­gen zu kön­nen sowie recht­zei­tig ent­spre­chende Vor­keh­run­gen zu tref­fen.“ Die Mel­de­pflicht der gonor­rhoi­schen Erkran­kun­gen wird in Europa der­zeit unter­schied­lich gehand­habt: Wäh­rend bei­spiels­weise in Schwei­zer Labo­ra­to­rien Gono­kok­ken-Infek­tio­nen gemel­det wer­den müs­sen, besteht in Deutsch­land gar keine Mel­de­pflicht; in Öster­reich wird die Mel­dung empfohlen.

Weni­ger Schutz bei sexu­el­len Kontakten

Aus den vor­han­de­nen Daten der ver­gan­ge­nen Jahre zeigt sich, dass die Zahl der Infek­tio­nen mit die­sen aero­ben, gram­ne­ga­ti­ven Bak­te­rien bereits deut­lich nied­ri­ger war, wobei davon aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass das Mel­de­ver­hal­ten gleich­blei­bend ist. 1998 wur­den öster­reich­weit 379 Fälle von Gonor­rhoe gemel­det, seit dem Jahr 2003 neh­men die Infek­ti­ons­zah­len wie­der zu mit einem Höhe­punkt im Jahr 2010 (rund 1.100 Fälle). „Die Zunahme ist durch eine wach­sende Unacht­sam­keit bei sexu­el­len Kon­tak­ten zu erklä­ren. Die mitt­ler­weile gut behan­del­ba­ren HIV-Infek­tio­nen haben dazu geführt, dass die Angst vor einem unmit­tel­ba­ren Tod durch HIV abnimmt. Welt­weit ist zu beob­ach­ten, dass die Bereit­schaft, sich vor Geschlechts­krank­hei­ten zu schüt­zen, nach­lässt“, erklärt Stary. Die WHO warnte im Juni die­ses Jah­res davor, dass die bekann­ten The­ra­pien, allen voran die Breit­band-Cepha­los­po­rine, künf­tig nicht mehr wirk­sam sein könn­ten. Die beob­ach­te­ten Resis­ten­zen führ­ten auch inter­na­tio­nal zu einer Dis­kus­sion über die emp­foh­lene Anti­bio­tika-Ver­ord­nung. In Japan wird Cefi­xim etwa nicht mehr als Stan­dard-The­ra­pie befür­wor­tet; auch in Groß­bri­tan­nien und in den USA wird nur noch die Gabe von Ceft­ria­xon emp­foh­len. In Öster­reich, wo bis auf den Fall in Tirol bis­her Cepha­los­po­rine wirk­sam sind, wird dis­ku­tiert, ob es hin­sicht­lich der Anti­bio­tika-Ver­ord­nung Ände­run­gen geben wird. „Wich­tig ist bei einer Infek­tion mit Gono­kok­ken, eine Resis­tenz­prü­fung durch­zu­füh­ren sowie eine Kul­tur anzu­le­gen. Eine unmit­tel­bare Gefahr, dass Pati­en­ten in Öster­reich auf kei­nes der drei emp­foh­le­nen Anti­bio­tika anspre­chen, besteht der­zeit nicht“, resü­miert Stary.

* Unemo M., Gol­pa­rian D., Stary A., Eigent­ler A.:
First Neis­se­ria gonor­rhoeae strain with resis­tance to cefi­xime caus­ing gonor­rhoea tre­at­ment fail­ure in Aus­tria. Euro Sur­veill. 2011;16(43):pii=19998.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2012