Interview – Dr. Gerd Oberfeld: Umweltmedizin: richtig fokussieren

25.11.2012 | Medizin

Darauf aufmerksam zu machen, welche Umweltfaktoren es gibt und auch, wie Umwelteinflüsse richtig beurteilt werden können, ist Ziel des ÖÄK-Diploms Umweltmedizin, erklärt der zuständige ÖÄK-Referent Dr. Gerd Oberfeld im Gespräch mit Elisabeth Gerstendorfer. Ein neuer Lehrgang startet im Jänner 2013.


ÖÄZ: Was sind die Schwerpunkte des Diploms für Umweltmedizin?

Oberfeld: Die Fortbildung ist eine Basisausbildung und umfasst unter anderem die Beurteilung von Luftschadstoffen, von Lärm, von Trinkwasser, von Badewasser, von ionisierender Strahlung und nicht-ionisierender Strahlung, also Elektrosmog, bis hin zu Gerüchen und Schimmelpilzen sowie Umweltrecht in Österreich. Wichtig ist auch die Klinische Umweltmedizin, wo es darum geht, Patienten auf individueller Ebene entsprechend zu diagnostizieren und zu behandeln. Dazu zählen vor allem Krankheitsbilder, die in Richtung sogenannter Multi-Systemerkrankungen gehen, wie etwa chronische Müdigkeit und die Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Stoffen.

Viele Störungen der Gesundheit sind ja durch Umweltfaktoren mitbedingt.
Generelles Ziel der Medizin und speziell der Umweltmedizin ist es, solche Umwelt-bedingten Stressoren zu identifizieren und zu minimieren. Mittlerweile weiß man sehr gut, bei welchen Belastungen Störungen der Gesundheit auftreten. Typische Beispiele sind hier Lärm und Luftschadstoffe. So gibt es etwa umfangreiches Wissen zu nächtlichen Lärmstörungen oder den Langzeitauswirkungen von gasförmigen und partikelförmigen Luftschadstoffen wie zum Beispiel Feinstaub. Wichtig ist dabei auch der Wissenstransfer von der Medizin in die praktischen Anwendungen und Entscheidungen wie etwa bei Fragen der Flächenwidmung oder in diversen Anlagenverfahren. Eine entsprechende umweltmedizinische Ausbildung kann diese Prozesse unterstützen und helfen, die Umweltbedingungen zu verbessern.

Welche Rolle spielen technische Aspekte in der Umweltmedizin?

Umweltmedizin umfasst auch viele technische Aspekte. Erst beim Verständnis dafür, wie sich zum Beispiel Schallwellen ausbreiten, was ein Schallpegel von 60 Dezibel bedeutet oder welche Eigenschaften nicht-ionisierende oder ionisierende Strahlen haben, kann umweltmedizinisches Wissen in der Praxis angewendet werden. Vielfach versteht der Techniker nur etwas von Technik und der Mediziner nur etwas von Medizin, der Umweltmediziner aber muss beides kennen. Dieses Verständnis zu fördern, ist ein Schwerpunkt in der Ausbildung.

An wen richtet sich die Fortbildung? Was sind die Ziele?
Grundsätzlich kann jeder Arzt das Diplom erwerben, der Interesse an Umweltmedizin hat. Berufsgruppen, die vermehrt umweltmedizinische Kenntnisse brauchen, sind beispielsweise Ärztinnen und Ärzte aus dem öffentlichen Gesundheitswesen, Sprengelärzte, Gemeindeärzte, Distriktärzte und Amtsärzte. Hinsichtlich der klinischen Umweltmedizin sind aber durchaus Allgemeinmediziner angesprochen. Ziel ist es, Medizinern vor Augen zu führen, welche Umweltfaktoren es gibt und worauf bei der Diagnose geachtet werden sollte – auch dahingehend, wie Umwelteinflüsse richtig beurteilt und verbessert werden können. Dazu braucht es entsprechende fachliche Grundlagen.

Welchen Stellenwert nimmt Umweltmedizin international ein?
Umweltmedizin ist weltweit ein Schwerpunktthema. Zum Begriff „environmental health“ findet man eine Vielzahl an wissenschaftlicher Literatur. Die WHO entwickelt laufend Beurteilungshilfen in unterschiedlichen Bereichen wie etwa beim Trinkwasser, bei der Lärmbeurteilung oder bei Luftschadstoffen. Vielleicht noch weniger bekannt sind die gesundheitlichen und damit die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Umweltfaktoren. Vor allem Luftschadstoffe und Lärm sowie nichtionisierende Strahlung sind die Haupttreiber. Im internationalen Vergleich ist Österreich mit dem Diplom für Umweltmedizin aber sehr gut aufgestellt. Postgraduate Kurse in Umweltmedizin gab beziehungsweise gibt es sonst etwa noch in Deutschland, Luxemburg und Südtirol.

Wie groß ist der Bedarf an umweltmedizinischen Kenntnissen?

Österreich hat relativ früh begonnen, eine Fortbildung zu Umweltmedizin anzubieten. Zu Beginn der Ausbildung in den 1980er Jahren bestand sehr großer Nachholbedarf. Aktuell führen rund 1.000 Ärztinnen und Ärzte der Ärzteliste das Diplom für Umweltmedizin. Wir führen diesen Lehrgang mit circa 40 bis 50 Teilnehmern alle zwei Jahre durch. Der nächste beginnt im Jänner 2013.

ÖÄK-Diplomkurs Umweltmedizin – Termine 2013

Der ÖÄK-Diplomkurs Umweltmedizin setzt sich aus sechs Wochenend-Seminaren, die jeweils Samstag und Sonntag stattfinden, zusammen. Die Kursorte wechseln in ganz Österreich. Die Reihenfolge sowie die Zeitdauer (mindestens jedoch ein Jahr), in der die Teilseminare absolviert werden, ist nicht vorgegeben, ein Einstieg ist somit jederzeit möglich.

  • Seminar 1: 26. – 27. Jänner 2013, Wien, Hotel & Palais Strudlhof
  • Seminar 2: 16. – 17. März 2013, Innsbruck, Hotel Grauer Bär
  • Seminar 3: 27. – 28. April 2013, Pörtschach, Werzer‘s Hotel Resort
  • Seminar 4: 22. – 23. Juni 2013, Linz, Hotel Courtyard by Marriott
  • Seminar 5: 28. – 29. September 2013, Salzburg, Hotel Heffterhof
  • Seminar 6: 16. – 17. November 2013, Mauerbach, Seminarhotel Schlosspark

Seminarzeiten: Samstag 08:30 – 18:00 Uhr, Sonntag 9:00 – 15:00 Uhr

Nähere Infos unter www.arztakademie.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2012