ESMO: Euro­päi­scher Krebs­kon­gress tagt in Wien

25.10.2012 | Medizin

Von 28. Sep­tem­ber bis 2. Okto­ber 2012 haben rund 16.000 Exper­ten aus mehr als 120 Län­dern am Kon­gress der ESMO (Euro­pean Society for Medi­cal Onco­logy) im Aus­tria Cen­ter Vienna teil­ge­nom­men. Dabei wur­den Hun­derte wis­sen­schaft­li­che Stu­dien in punkto Onko­lo­gie aus aller Welt präsentiert.

Sta­tine gegen Krebs

Chris­toph Minich­s­dor­fer von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin I am Wie­ner AKH und Co-Autoren haben her­aus­ge­fun­den, dass Sta­tine Zel­len – auch Tumor­zel­len – in die Apo­ptose trei­ben. „Spe­zi­ell bei Mela­nom­zel­len hat man ent­deckt, dass sie bei län­ge­rer Expo­si­tion gegen­über Sta­ti­nen dafür anfäl­lig sind“, erklärte der Experte. Die Wis­sen­schaf­ter ent­deck­ten, dass Inter­leu­kin 6 bei Mela­nom­zell-Kul­tu­ren, die die Eigen­schaf­ten eines gerade ent­ste­hen­den Tumors besit­zen, ihre Anfäl­lig­keit für den Ein­tritt der Apo­ptose erhöht. Bei Zell­kul­tu­ren aus metasta­sier­ten Mela­nomen hin­ge­gen war das nicht der Fall. Es ist auch belegt, dass Per­so­nen, die Sta­tine über einen län­ge­ren Zeit­punkt ein­neh­men, sel­te­ner an Krebs erkranken.

Risi­ko­fak­tor Alkohol

Die Tat­sa­che, dass Per­so­nen, die Alko­hol in einem über­durch­schnitt­lich hohen Aus­maß kon­su­mie­ren, im Rah­men von Stu­dien einen zu nied­ri­gen Alko­hol­kon­sum ange­ben, dürfte die Aus­sa­ge­kraft von wis­sen­schaft­li­chen Stu­dien zum die­sem Thema deut­lich redu­zie­ren. Dazu führte Arthus Klatsky vom Kai­ser Per­ma­nente Medi­cal Care Pro­gram in Oak­land (USA) eine Stu­die mit knapp 130.000 Teil­neh­mern durch. Klatsky zum Ergeb­nis: „Wenn eine Reihe star­ker Trin­ker bei Befra­gun­gen angibt, nur sehr wenig zu trin­ken, wer­den die Aus­wir­kun­gen des Trin­kens irr­tüm­lich auf nied­ri­gen bis mode­ra­ten Alko­hol­kon­sum zurück­ge­führt. Unsere Ana­lyse belegt die­sen Fak­tor in Bezug auf unsere Stu­di­en­teil­neh­mer. Das ist even­tu­ell auf sehr viele Stu­dien anwend­bar, weil Under-Report­ing, also das Ange­ben gerin­ge­rer Alko­hol­men­gen als der tat­säch­lich kon­su­mier­ten, sicher­lich weit ver­brei­tet ist.“

Groß­bri­tan­nien: Krebs­pa­ti­en­ten sind unterversorgt 

Bri­ti­sche Krebs­pa­ti­en­ten sind im Ver­gleich zu ande­ren Krebs­pa­ti­en­ten in Europa deut­lich benach­tei­ligt, wie eine Stu­die des inter­na­tio­na­len Pharma-Sta­tis­tik-Insti­tuts IMS und bri­ti­schen Gesund­heits­öko­no­men erge­ben hat. Das bri­ti­sche NICE (Natio­nal Insti­tute for Health and Cli­ni­cal Excel­lence) hat anhand von Health Tech­no­logy Assess­ment-Unter­su­chun­gen stan­dar­di­sierte Kran­ken­be­hand­lun­gen fest­ge­legt. So wer­den meist The­ra­pien jen­seits von 25.000 bis 30.000 bri­ti­schen Pfund pro gesun­dem Lebens­jahr, nicht mehr bezahlt. NICE gab sechs Health Tech­no­logy Assess­ment-Papiere, im Rah­men derer acht Medi­ka­mente gegen Brust­krebs unter­sucht wur­den, her­aus. In den meis­ten Fäl­len folgte die Behand­lung von Pati­en­tin­nen mit Brust­krebs den NICE-Emp­feh­lun­gen. Jedoch steht Groß­bri­tan­nien inter­na­tio­nal gese­hen schlecht da: Ver­gleicht man den von NICE emp­foh­le­nen Gebrauch der Medi­ka­mente mit jenen, die in Frank­reich, Deutsch­land, Ita­lien und Spa­nien ver­wen­det wur­den, liegt Groß­bri­tan­nien an letz­ter Stelle.

Krebs­ri­si­ken: Völ­lig fal­sche Vorstellungen

Derek Power vom Mercy Uni­ver­sity Hos­pi­tal in Cork (Irland) befragte 748 Teil­neh­mer – dar­un­ter 126 aus Gesund­heits­be­ru­fen – zu Krebs­ri­si­ken und der Ent­ste­hung von Krebs. Power zum Ergeb­nis: „Viele Men­schen den­ken zu Unrecht, dass ein Schlag auf die Brust, Stress, das Tra­gen von enger Unter­wä­sche, die Ver­wen­dung von Mobil­te­le­fo­nen oder gene­tisch ver­än­der­tes Essen wesent­li­che Risi­ko­fak­to­ren für Krebs sind.“ Tat­säch­lich seien jedoch Ernäh­rung und Lebens­stil inclu­sive Rau­chen für 90 bis 95 Pro­zent aller Krebs­er­kran­kun­gen ver­ant­wort­lich; nur fünf bis acht Pro­zent sind auf Ver­er­bung zurückzuführen.

EU: Krebs kos­tet jähr­lich 117 Mil­li­ar­den Euro

Auf der Basis der Daten von 2009 kos­tet Krebs die 27 Staa­ten der EU jähr­lich 117 Mil­li­ar­den Euro. Nur 36 Pro­zent davon müs­sen für Krebs­pa­ti­en­ten auf­ge­wen­det wer­den. Das sind pro Jahr 58 Mil­lio­nen Spi­tals­tage. Der Anteil der Kos­ten durch frühe Sterb­lich­keit liegt bei 36 Pro­zent; jener durch Krank­heits­fol­gen bei acht Pro­zent. Lun­gen­kar­zi­nome (16 Pro­zent) ver­ur­sa­chen die größ­ten Auf­wen­dun­gen; dann fol­gen Brust­krebs (elf Pro­zent) und Pro­sta­ta­krebs (fünf Prozent).

Was onko­lo­gi­sche Pati­en­ten am meis­ten belastet 

Schwä­che, Müdig­keit, Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen, Zukunfts­ängste und Haar­aus­fall – unter die­sen Ein­schrän­kun­gen lei­den Men­schen mit einem Kar­zi­nom am meis­ten. Das ergab eine deut­sche Stu­die an 16.000 Teil­neh­mern. Aber auch Ein­schrän­kun­gen des Sexu­al­le­bens, soziale Pro­bleme, Depres­sio­nen, Angst­zu­stände, Sor­gen und Schlaf­lo­sig­keit wer­den von den Befrag­ten genannt.

Öster­reich: Moderne Onko­lo­gie bedroht

Die gro­ßen onko­lo­gi­schen Zen­tren in den USA, in Frank­reich und auch in Deutsch­land haben für die per­so­na­li­sierte Medi­zin Sum­men von zwölf, 18 oder gar 50 Mil­lio­nen Euro zur Ver­fü­gung. In Öster­reich gibt es nichts“, wie Univ. Prof. Gün­ther Ste­ger von der Abtei­lung für Onko­lo­gie am Wie­ner AKH im Rah­men eines Hin­ter­grund­ge­sprächs beim ESMO erklärte. Ste­ger wei­ter: „Man lässt hier einen Zug abfah­ren – und unser Land springt nicht auf.“ Öster­reich könne auch in Zukunft noch mit an der Spitze sein – vor­aus­ge­setzt, zehn bis 30 Mil­lio­nen Euro wer­den nach inter­na­tio­na­lem Vor­bild in die­sem Bereich inves­tiert. „Aber es muss Geld in die Hand genom­men wer­den. Ohne das wird es nicht gehen“, so die Ana­lyse von Steger.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2012