Ärz­te­tage Grado 2012: Ris­kan­tes Mut­ter­glück ab 35

10.05.2012 | Medizin


Beson­ders bei Erst­ge­bä­ren­den über 40 Jah­ren regis­trie­ren Exper­ten einen deut­li­chen Anstieg. Damit kommt es nicht nur häu­fi­ger zu vor­zei­ti­gen Pla­zen­ta­lö­sun­gen, son­dern steigt ganz gene­rell das Risiko für Kom­pli­ka­tio­nen auf­grund von Kom­or­bi­di­tä­ten. Ein Semi­nar bei den dies­jäh­ri­gen Ärz­te­ta­gen in Grado befasst sich mit die­sem Thema.
Von Eli­sa­beth Gers­ten­dor­fer

Kind oder Kar­riere – viele Frauen wol­len bei­des und begin­nen zunächst mit der Kar­riere. Lange Aus­bil­dungs­zei­ten, beruf­li­ches Enga­ge­ment, der Auf­bau einer finan­zi­el­len Absi­che­rung und eine spä­tere Part­ner­wahl tra­gen dazu bei, dass sich der Kin­der­wunsch oft erst ab einem Alter von 35 Jah­ren rea­li­sie­ren lässt. „Frü­her hat man ab einem Alter von 30 Jah­ren von einer spä­ten Schwan­ger­schaft gespro­chen. Bei Mehr­ge­bä­ren­den waren es 35 Jahre. Das hat sich heute um etwa fünf Jahre nach hin­ten ver­scho­ben. Ins­be­son­dere bei Erst­ge­bä­ren­den ab 40 Jah­ren bemer­ken wir eine Zunahme“, sagt Univ. Prof. Chris­tian Dadak, Fach­arzt für Frau­en­heil­kunde und Geburts­hilfe am Wie­ner AKH und Lei­ter der Abtei­lung „Koor­di­na­tion der Lehre“ an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kunde der Med­uni Wien. Unter dem Titel „Alte Eltern, Gefah­ren für den Nach­wuchs. Ste­ri­li­tät und Fer­ti­li­tät in höhe­ren Alters­grup­pen, Schwan­ger­schafts­ver­lauf, Geburt, das Neu­ge­bo­rene“ hält Univ. Prof. Chris­tian Dadak im Rah­men der 21. Ärz­te­tage in Grado einen Vor­trag zu die­sem Thema.

Auch Schwan­ger­schaf­ten von Frauen über 50 Jah­ren kämen immer wie­der vor. Das Durch­schnitts­al­ter von Erst­ge­bä­ren­den liegt öster­reich­weit zwar bei 29,4 Jah­ren; fast jedes fünfte Baby wird aber bereits von einer Mut­ter über 35 Jahre gebo­ren. Spon­tane Schwan­ger­schaf­ten auf natür­li­chem Weg wer­den aller­dings mit zuneh­men­dem Alter unwahr­schein­li­cher, da die Fer­ti­li­tät bei Frauen bereits ab 30 ste­tig abnimmt. Die höchste Wahr­schein­lich­keit bei Geschlechts­ver­kehr am frucht­bars­ten Tag des Zyklus mit einem gleich­alt­ri­gen Part­ner schwan­ger zu wer­den, besteht mit 50 Pro­zent im Alter von 19 bis 26 Jah­ren. Bei 27- bis 34-jäh­ri­gen Frauen liegt diese Wahr­schein­lich­keit bei rund 40 Pro­zent, bei 35- bis 39-jäh­ri­gen knapp unter 30 Pro­zent. Frauen zwi­schen 40 und 44 Jah­ren haben nur noch eine zehn­pro­zen­tige Chance, ohne unter­stüt­zende repro­duk­tive Tech­no­lo­gien schwan­ger zu wer­den; über 45 Jahre sind es ledig­lich zwei Pro­zent. „Ursa­chen für die sin­kende Fer­ti­li­tät sind eine gerin­gere ova­ri­elle Reserve, der ver­än­derte Hor­mon­haus­halt und damit ein­her­ge­hend eine schlech­tere Qua­li­tät der altern­den Eizel­len sowie ova­ri­elle Dys­funk­tio­nen. Nur etwa fünf Pro­zent der Frauen mit ver­min­der­ter ova­ri­el­ler Reserve wer­den ohne Hilfe der Repro­duk­ti­ons­me­di­zin schwan­ger“, erklärt Dadak.

Inten­si­vere Betreuung

Um fest­zu­stel­len, ob eine Frau über aus­rei­chend Oozy­ten ver­fügt, um schwan­ger zu wer­den, eig­net sich am bes­ten der Nach­weis des Anti-Mül­ler-Hor­mons (AMH) im Blut, der zu jedem Zyklus-Zeit­punkt erfol­gen kann. „Mit der Blut­un­ter­su­chung kann die Anzahl der Eizel­len abge­schätzt wer­den. Auch das Zäh­len der Antral­fol­li­kel mit­tels vagi­na­lem Ultra­schall hat eine gute Aus­sa­ge­kraft, hängt jedoch von der Erfah­rung und Genau­ig­keit des Unter­su­chers ab“, so Dadak. Bei Frauen ab 35 sollte die Frucht­bar­keit bald abge­klärt wer­den, um gege­be­nen­falls Frucht­bar­keits-unter­stüt­zende Maß­nah­men oder Metho­den künst­li­cher Befruch­tung ein­zu­lei­ten. Ab einem Alter von 45 Jah­ren ist häu­fig die in Öster­reich ver­bo­tene, aber in eini­gen Nach­bar­län­dern erlaubte Eizell­spende die ein­zige Mög­lich­keit, schwan­ger zu wer­den, was immer wie­der zu Eizell-Tou­ris­mus führt. „Das Alter allein ist kein Grund, von einer Schwan­ger­schaft abzu­ra­ten. Die Risi­ken sind indi­vi­du­ell zu bestim­men. Not­wen­dig bei spä­te­ren Schwan­ger­schaf­ten ist aber eine inten­si­vere Betreu­ung durch Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen“, betont Dadak. Ins­be­son­dere bei älte­ren Müt­tern spiele die prä­na­tale Dia­gnos­tik eine beson­dere Rolle. Dies geschieht neben Ultra­schall- sowie Blut­un­ter­su­chun­gen auch mit inva­si­ven Metho­den wie etwa der Pla­zen­ta­bi­op­sie oder der Frucht­was­ser­un­ter­su­chung. „Man weiß, dass die Tri­so­mie-Häu­fig­keit bei Schwan­ge­ren ab 35 ansteigt. Spe­zi­ell bei älte­ren Müt­tern sollte nach sorg­fäl­ti­ger Auf­klä­rung bei­spiels­weise die Nacken­fal­ten­mes­sung als Pri­mär­dia­gnos­tik ange­bo­ten wer­den“, so Dadak.

Zu den häu­figs­ten Kom­pli­ka­tio­nen in der Schwan­ger­schaft von Frauen ab 40 zäh­len vor­zei­tige Pla­zenta-Lösun­gen oder Fehl­la­gen der Pla­zenta (Pla­zenta praevia), aber auch Blut­hoch­druck oder Schwan­ger­schafts­dia­be­tes. Gene­rell häu­fi­ger sind Kom­pli­ka­tio­nen auf­grund von Kom­or­bi­di­tä­ten etwa Adi­po­si­tas, Nieren‑, Auto­im­mun- oder kar­dio­vas­ku­läre Erkran­kun­gen. Neben den Risi­ken für die Mut­ter tre­ten in spä­ten Schwan­ger­schaf­ten beim Unge­bo­re­nen deut­lich öfter kon­ge­ni­tale Fehl­bil­dun­gen wie Herz­feh­ler, Tri­so­mien oder Wachs­tums­re­tar­die­run­gen auf. Dadak: „Je älter die Frau ist, desto grö­ßer ist die Wahr­schein­lich­keit, dass es zu einer Stö­rung bei der zwei­ten Rei­fe­tei­lung kommt. Ursa­chen dafür kön­nen oxi­da­tiver Stress, geal­terte Eizel­len oder die Kür­zung der Telo­mere bei den Oozy­ten sein.“ Wachs­tums­re­tar­die­run­gen des unge­bo­re­nen Kin­des sind häu­fig auf Ein­nis­tungs­pro­bleme oder Blut­ge­fäß­schä­di­gun­gen etwa durch Niko­tin, Blut­hoch­druck oder geschä­digte Schleim­häute zurück­zu­füh­ren. Beson­ders ältere Müt­ter wür­den aber sehr gewis­sen­haft zu Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen kom­men, da viel­fach die Ent­schei­dung für das Kind bewuss­ter getrof­fen wurde und die Com­pli­ance daher höher ist als in jün­ge­ren Jahren.

Kai­ser­schnitt bevorzugt

Das ver­mehrte Auf­tre­ten von Fehl­bil­dun­gen trägt auch zu einer erhöh­ten Fehl­ge­bur­ten­rate bei. Wäh­rend etwa 6,2 Pro­zent der Schwan­ge­ren im Alter von 20 bis 29 Jah­ren ihr Kind vor der 37. Schwan­ger­schafts­wo­che ver­lie­ren, beträgt die­ser Anteil bei 40- bis 44-Jäh­ri­gen 8,72 Pro­zent, bei Frauen über 45 Jahre liegt er bei 9,38 Prozent.

Bei erfolg­rei­chem Ver­lauf der Schwan­ger­schaft kommt es bei älte­ren Müt­tern eher zu einem Kai­ser­schnitt als bei jün­ge­ren. Stu­dien zei­gen, dass sowohl bei Erst- als auch bei Mehr­ge­bä­ren­den im Alter von 40 bis 45 Jah­ren bei etwa jeder zwei­ten Geburt das Kind ope­ra­tiv geholt wird; bei 50- bis 63-Jäh­ri­gen kommt es bei rund 80 Pro­zent der Schwan­ger­schaf­ten zu einer Sec­tio. „Das liegt zum einen daran, dass doch häu­fi­ger Schwan­ger­schafts­kom­pli­ka­tio­nen vor­lie­gen, etwa Ein­stel­lungs­an­oma­lien wie Becken­end­la­gen. Es kommt häu­fi­ger zu Mehr­lings­schwan­ger­schaf­ten und Geburts­still­stand. Viele ältere Pati­en­tin­nen haben auch den Wunsch nach einem Kai­ser­schnitt und der Arzt hat sel­te­ner Beden­ken dage­gen, weil er anneh­men muss, dass nicht mehr allzu viele Schwan­ger­schaf­ten nach­fol­gen“, sagt Dadak. In der peri­na­ta­len Mor­bi­di­tät zeigt sich, dass Kin­der älte­rer Müt­ter häu­fi­ger ein nied­ri­ges Geburts­ge­wicht auf­wei­sen und häu­fi­ger zu früh gebo­ren werden.

Die Nach­wir­kun­gen der Schwan­ger­schaft unter­schei­den sich laut Dadak bei älte­ren Frauen nicht von jenen jün­ge­rer. „Es sind eher psy­cho­so­ziale Fak­to­ren, die bei einer spä­ten Mut­ter­schaft wir­ken, etwa, dass die Groß­el­tern bei der Ver­sor­gung des Neu­ge­bo­re­nen nicht mehr so gut behilf­lich sein kön­nen oder viele Müt­ter schnel­ler wie­der in ihren Job zurück möch­ten. Trotz der Risi­ken geht es Babys älte­rer Müt­ter ebenso gut wie jenen jün­ge­rer“, resü­miert Dadak.

Tipp:

21. Ärz­te­tage Grado
von 3. bis 9. Juni 2012;
nähere Infor­ma­tio­nen und Anmel­dung unter www.arztakademie.at/grado

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2012